Alle Wege führen zu Mozart

Von Jörn Florian Fuchs |
Die Pfingstfestspiele Salzburg standen in diesem Jahr unter dem Motto "Wege zu Mozart". Geboten wurden dem Publikum Musiker, denen der junge Mozart begegnet ist oder deren Komposition ihn beeinflusst haben. Im Zentrum stand Georg Friedrich Händels Kantate "Das Alexander-Fest".
Äußerst vielfältig waren die Wege zu Mozart, auf denen man zu Pfingsten in Salzburg spazieren konnte. Von Deutschland aus führen alle Wege in Salzburgs barocke Innenstadt allerdings erstmal durch ein Nadelöhr, den oft verstopften Mönchsbergtunnel. Damit es dem genervten Autofahrer nicht langweilig wird, hat Jonathan Meese eine Tunnelneugestaltung vorgenommen, wie bei Meese üblich finden sich dabei heterogene Elemente zu einer mehr oder weniger stimmigen, aber immerhin stimmungsvollen Assemblage zusammen – schludriges Gekritzel steht neben hübsch Gemaltem, "inhaltlich" trifft "Pimmel-Toni, ist nicht ohni" auf "Dr. Neropolisis".

"Mach halt auch was zu Mozart, sagte man Meese und der machte etwas – zu Wagner. 'Richard Wagner ist euer Freund', so werden die Tunneldurchfahrer begrüßt, mit 'Dr. Gralys Killerprogramm' werden sie verabschiedet. Oder andersherum, je nach Reiseziel."

Wem der Trivial-Mythen-Meese zu infantil ist, der findet rund um den Mozartplatz, die Staatsbrücke oder den Dom reichlich Gelegenheit, sich der hohen Kunst im öffentlichen Raum zu widmen. Da steht ein riesiger stählerner Stuhl an der Salzach, einige Schritte weiter hat Olaf Nicolai Miniaturen auf dem Gehweg verstreut, etwa bemalte Notizen, die gefährlich – oder bewusst – nahe am Alltagsmüll sind.

Insgesamt haben elf Künstler die Salzburger Altstadt mit Objekten bereichert, kuratiert wurde das Ganze von Max Hollein, dem Leiter der Schirn und des Städel-Museums in Frankfurt.

Auf dem Residenzplatz trifft man auf ein nicht nur in der Lokalpresse sehr umstrittenes Projekt: Paola Pivis "Helicopter upside down in a public place". In der Tat liegt da ein Hubschrauber, Modell Wessex 558, auf dem Rücken und streckt die Flügel von sich. Pivi möchte unsere Wahrnehmung irritieren und zeigen, was mit Flugobjekten passiert, die aus ihrer normalen Rolle fallen. So banal die Idee samt ihrer Umsetzung ist, so amüsant wirkt dieser Fremdkörper im Festspielbezirk, vor allem wenn sich unmittelbar daneben spendenhungrige Straßenmusikanten einfinden.

"Die künstlerischen Interventionen sind Teil des Festivals 'Kontracom', das wiederum gehört ganz offiziell zum Salzburger Mozartjahr, gedacht als bewusster Kontrast zu den normalen Mozartjubelveranstaltungen.
Die gab es zu Pfingsten dennoch gehäuft, denn die Salzburger Festspiele boten 'Pfingsten Barock – Wege zu Mozart'.
Den Auftakt machte Georg Friedrich Händels Kantate 'Das Alexander-Fest', dargeboten von René Jacobs und der formidablen Akademie für Alte Musik Berlin."

Das besondere an diesem für Händel sehr kurzen, nicht einmal anderthalbstündigen Werk war in der Salzburger Aufführung der prominente Bearbeiter: Mozart. Der war nämlich ein großer Händel-Fan und modernisierte behutsam vor allem einige der Oratorien. Mozart ging es dabei nicht um eine Erweiterung oder Veränderung von Material oder musikalischer Sprache, sondern in erster Linie um die Spielbarkeit für das Orchester seiner Zeit.
Also ergänzte er im "Alexander-Fest" etwa den Händel’schen Oboenpart um Flöten und Klarinetten. Sehr luftig und heiter ist dieser Händel-Mozart und sicher nicht nur für Musikwissenschaftler durchaus spannend anzuhören.

Vom Händel-Aperitiv ging es via Ton Koopmans gut gelauntem Amsterdamer Barock-Orchester zu Philippe Herreweghe und seinem Orchestre des Champs-Élysées.

Ein reines Mozart-Programm spannte sich von der frühen, zur Entstehungszeit ziemlich gewagten G-moll Symphonie KV 183 über das virtuose G-dur Violinkonzert bis hin zum Klassiker mit Schlagerqualitäten: der Jupiter-Symphonie.

Nun sind die Champs-Élysées bekanntlich die Pariser Prachtstrasse, man trifft dort – neben Touristen – gepflegte, gut gekleidete Damen und Herren. Gelegentlich verirren sich aber auch einige beispielsweise alkoholisierte Elemente dorthin und stören den schönen Gesamteindruck.
Einige solcher Störenfriede fand man auch bei den Champs-Élysées-Musikern im Salzburger Mozarteum.

Während die Streicher einen wunderbar durchsichtigen und dennoch expressiven Mozartteppich ausrollten, intonierte manches Horn und auch manches Blech recht seltsam, gab ungewohnte, weil falsche Töne von sich. Als dann auch der Ausnahme-Geiger Christian Tetzlaff sich entschuldigte, dass die Orchester-Bläser gern mit 430 Hertz musizierten, er jedoch lieber mit 440, da geriet der Abend doch leicht ins Surreale.

Erholen von diesem insgesamt enttäuschenden Konzert konnte man sich zu nächtlicher Stunde bei sanft wummernden Technoklängen und Elektro-Pop im ehemaligen Stadtkino, wo das Festival Kontracom einlud zu einem Mozart-Clubbing, inklusive verwackelter Videoprojektionen mit dem Antlitz des Meisters.
Einen echten Knüller lieferte am Pfingstmontag dann noch der Pianist Fazil Say, der die einzige Pfingstfestspiel-Uraufführung beisteuerte: Inside Serail nennt er seinen locker-flockigen Klavierkommentar zu Mozart und zu einem Dialog der Musik-Kulturen.