Allah und die Industrieabwässer

Von Jutta Schwengsbier |
Die Weltbevölkerung wächst rapide. Die Ressourcen gehen zur Neige. Klimaveränderungen und Umweltverschmutzung haben inzwischen ein Existenz bedrohendes Niveau erreicht. Doch nicht nur Wissenschaftler, auch Vertreter aller Religionen suchen Antworten, um ethische Regeln und Verhaltensweisen zu definieren, die diese zerstörerischen Trends umkehren helfen könnten.
Wie viele Menschen genau in Karachi leben, weiß niemand. Schätzungen schwanken zwischen 20 und 22 Millionen. Karachi ist das pochende Herz der pakistanischen Wirtschaft, des größten Industrie- und Wirtschaftszentrum Pakistans.

Direkt am Meer gelegen, sind die Abwässer der Industriemetropole Karachis eine Hauptursache für den Fischerei Boykott der EU gegen Pakistan. Fischfang und Produktion würden den Hygienestandards nicht entsprechen, so der Vorwurf.

Die Fischer protestieren lautstark: Viele fühlen sich durch den EU-Boykott in ihrer Existenzgrundlage bedroht und geben ihrer eigenen Regierung die Schuld, so wie Fischer Saeed Baloch.

"Es gibt keine Fischereipolitik, die das Überleben von Fischern sichert. Es gibt auch keine Politik zum Schutz der Flüsse, der Seen oder des Meeres 180 Mio Liter Abwässer fließen täglich völlig unbehandelt in alle Gewässer. Sie sind sehr verschmutzt."

Um der drängenden Umweltschutzprobleme Herr zu werden, besinnen sich einige islamisch geprägte Länder und Vertreter eines modernen Öko-Islam wieder auf den Koran. Sie suchen Antworten in der universellen Weisheit der heiligen Schrift. Wie schon Prophet Mohammed lehrte, ist der maßvolle Umgang des Menschen mit der ihm anvertrauten Natur und seinen Ressourcen eine religiöse Pflicht.

Auch wenn Anspruch und Wirklichkeit schon immer in deutlichem Widerspruch standen: Die Menschheit ist für die Bewahrung der Schöpfung verantwortlich. Sie wurde vom Allmächtigen befugt, die Erde im Rahmen der göttlichen Regeln zu organisieren, erläutert Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland.

"Der Mensch ist von Gott zum Statthalter, zum Kalifa, daher kommt das Kalif, zum Statthalter auf Erden auserwählt. Übrigens auch im Bewußtsein, dass der Mensch zum Unheil stiften und Blutvergiessen neigt, doch Gott , so berichtet der Koran weiter, weiß vieles was ihr nicht wißt. Als Gott nämlich den Menschen als den Statthalter eingesetzt hat, haben sich alle anderen und die Engel beschwert, wie kannst du nur den Menschen als Statthalter nehmen, von dem wir wissen, dass er Blut vergießt. Unheil auf Erden anrichtet usw. Allah sagt, ich weiß, was ihr nicht wißt. Damit müssen wir uns zufrieden geben."

Auch wenn der Allmächtige allein weiß, warum er ausgerechnet uns Menschen die Bewahrung der Schöpfung aufgetragen hat, so hat er uns doch laut Koran zumindest den Verstand gegeben, die göttliche Ordnung zu erkennen. Vermittelt über die heilige Schrift und die Lehren der Propheten erhalten die Muslime konkrete Hinweise, wie sie ihr Leben maßvoll führen und ihre Aufgabe als Statthalter erfüllen sollen. Vertreter des Öko-Islam verweisen darauf, dass die Werte des Islam schon immer der westlichen Konsum und Wegwerfgesellschaft entgegenstanden. Jahrhunderte bevor die moderne Umweltbewegung entstand. So sind im Koran zum Beispiel ganz konkrete Vorschriften zur Nutzung von Land und Wasser festgeschrieben, erläutert der Islamwissenschaftler Abdul Hamid. Er ist Dekan der Internationalen Islamischen Universität in Islamabad. Das islamische Recht kennt schon seit Urzeiten sogenannte Schutzzonen – Al Haram.

Abdul Hamid: "Al Haram bedeutet: Ein besonderer Ort. Im ökologischen Sinne sind Haram Schutzzonen oder Gebiete, die sauber gehalten werden müssen. Die Regierung oder auch internationale Organisationen, können Haram Gebiete einrichten. So kann zum Beispiel die Stadtverwaltung von Islamabad Haram Zonen einrichten, die nicht verletzt werden dürfen. Wer hier die Balance der Natur stört, wird dafür verantwortlich gemacht."

Von Anfang an gab es in der islamischen Welt grundlegende Gesetze wie auch komplexe Einzelfallregelungen, wie mit der Natur umzugehen ist. Viele dieser Regeln gehen auf den Propheten zurück. Später wurden sie den jeweiligen ökologischen Bedingungen angepasst. Doch für alle gilt:

Ayyub Axel Köhler: "Obwohl Gott den Menschen die natürlichen Ressourcen in überreicher Fülle zur Verfügung gestellt hat, ist der Mensch zu maßvollem handeln aufgefordert. Die Fülle der Gaben Gottes ist denn auch eine Versuchung für den Menschen. Maßlosigkeit, Vermessenheit wird immer im Zusammenhang mit Unglauben genannt. Zusammenfassend kann man sagen, Umweltschutz, das heißt die Bewahrung der Schöpfung, ist für die Muslime keine säkulare Aufgabe. Umweltschutz und die Bewahrung der Schöpfung und eine ökologisch angepaßte Lebensführung, ist ein religiöses Anliegen.""

Der Staat kann Gesetze erlassen, doch die Religion bietet einen inneren Antrieb für ökologisches Verhalten, meint Ayyub Axel Köhler.

Ayyub Axel Köhler: "Wenn die Menschen aus innerstem Antrieb sich nicht Umwelt konform verhalten, muss der Staat mit Gesetzen nach helfen. Religionen bieten besonders im ökologischen Bereich aber den stärksten und wie ich meine sogar den nachhaltigsten Antrieb und die nachhaltigsten Erfolge."

Der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt, hält dagegen, dass alle Religionen, nicht nur der Islam, moralische und ethische Regeln vorgeben. Doch würden sie selten befolgt. Weder in Europa oder Afrika, und schon gar nicht in den USA unter dem selbst erklärten Christen George W. Bush. Heiner Bielefeld fragt noch weiter: Gibt es ohne Religion keine Moral? Und gibt selbst die Antwort.

Heiner Bielefeldt: "In der Tat ist schon richtig, dass äußere Regeln, Gesetze wirkungslos bleiben also auch in der Frage der Ökologie, wenn sie nicht auch wesentlich getragen sind von innerer Überzeugung. Allerdings denke ich, dass diese Innenlenkung eine religiöse sein kann aber nicht religiös sein muss. Moralische Werte sind nicht per se schon immer spirituelle Werte. Moral ist denkbar und auch lebbar in Unabhängigkeit von der Religion."

Für Muslime gibt es keine Trennung von ihrer Religion als Glauben und ihrer Lebensweise. Der Koran gibt Verhaltensregeln für Individuen aber auch für die Gemeinschaft vor. Doch schon im heiligen Koran steht über die Menschen geschrieben: "Und wenn ihnen gesagt wird: "Stiftet kein Unheil auf der Erde", so sagen sie: "Wir sind doch die, die Gutes tun." Gewiß jedoch sind sie die, die Unheil stiften, aber sie empfinden es nicht." Was damals galt, scheint auch heute noch wahr.

Heiner Bielefeldt: "Die Saudis hüten die heiligen Stätten von Mekka und Medina, die sich eine hohe Autorität im Islam zu sprechen – übrigens zum Verdruß viele Muslime, also die Saudi sind nicht so ungebrochen bliebt auch in der islamischen Welt auf Grund der in Saudi - Arabien bestehenden Verbindungen von rigider Religionspolizei und einem grenzenlosen - muss man schon sagen – maßlosen Konsumrausch auch Großenteils der Bevölkerung. Wiederum ein Eindruck, die Saudis sind nicht grade Vorreiter der Ökologie. Also zeigen eher das Interesse an einer Stabilisierung der Ölpreise, auf nicht so hohen Niveau, um auch hier Konsum und industrielle Produktion zu forcieren, als an ökologischen Fragen, das heißt also auch eher hier ein Beitrag zu Ressourcen Verschwendung und maßloser Konsumgesellschaft."

So erscheinen gerade islamische Staaten wie Saudi-Arabien vielen Gläubigen mehr als Unheil Stifter denn als Bewahrer ihrer religiöser Grundsätze, urteilt Heiner Bielefeldt.