Alkoholkonsum in Südafrika

Ein toxisches Verhältnis

06:34 Minuten
Menschen halten auf einer Party Gläser mit Alkohol darin.
„Wir sind ein Land, das nicht verantwortungsvoll mit Alkohol umgeht", sagt Charles Parry vom Medizinischen Forschungsrat Südafrikas. © imago images/ Westend61
Von Jana Genth · 04.09.2021
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Alkohol gehört zur Kultur Südafrikas. Hier wird hochwertiger Wein angebaut und Bier selbst gebraut. Die Südafrikaner konsumieren pro Kopf im Jahr fast drei Mal so viel Alkohol wie die Deutschen. Die Folgen sind schwerwiegend.
Wenn die Sonne untergeht im Nimbiti Park, einem der privaten Naturschutzgebiete in Südafrika, dann ist es Zeit für etwas, das die ganze Nation liebt: Der Sundowner, also ein Getränk zum Sonnenuntergang, ein kurzes Innehalten in netter Gesellschaft, das hat Tradition nicht nur in der Wildnis bei Safaris, sondern auch in Städten.
Da wird ein Gin Tonic getrunken, ein Glas Wein oder ein Bier. Alkohol ist allgegenwärtig in Südafrika.

Langes Brauchtum

Die Braukunst geht Jahrhunderte zurück, erzählt Leana Olivier, die die Stiftung FARR leitet. Diese beschäftigt sich mit den Folgen von Alkoholkonsum.
"In unserem Land haben wir – und hatten immer – eine Braukultur. Das gehört zum Brauchtum, besonders bei der schwarzen Bevölkerung. Früher passierte das aber sehr kontrolliert, Frauen brauten das Bier für die Männer, wenn sie in den Kampf zogen. Sie sollten stark sein und weniger schmerzempfindlich. Aber die Frauen tranken es nicht."


Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Zu Hause brauen inzwischen viele, längst nicht mehr nur Frauen. Und die Südafrikanerinnen trinken es auch, das Getränk, das aus Maismehl, Wasser und Hefe hergestellt wird.
Zugegeben: Umqomtobi schmeckt etwas säuerlich, man muss es gewohnt sein, um es zu mögen.

Winzer kurbeln den Konsum an

Südafrika hat aber auch eine Alkoholindustrie. Es gibt viele kleine und große Brauereien, die vielfältige Biere brauen. Hochprozentiger Gin und Brandy werden hergestellt, und natürlich sind auch die Winelands berühmt, die Weinanbaugebiete, in denen hochklassige Weine produziert werden.
Winzer haben den Konsum in Südafrika zusätzlich angekurbelt, sagt Francois Grobbelaar. Er leitet die Organisation FASfacts, die die Folgen von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft erforscht.
"Früher hatten wir ein System, in dem die Farmarbeiter für ihre Tätigkeiten teilweise mit Alkohol bezahlt wurden. Das war etwa 300 Jahre lang so. Dadurch hat sich eine Trinkkultur entwickelt, und die verschwindet nicht innerhalb von 25 oder 30 Jahren."
Diese Praxis ist längst verboten, aber sie wirkt nach.

Viele Frauen trinken während der Schwangerschaft

Auch Frauen trinken, gut ein Zehntel der Bevölkerung leidet unter den vorgeburtlichen und lebenslangen Folgen von Alkohol in der Schwangerschaft – der Anteil des fetalen Alkoholsyndroms ist so hoch wie nirgendwo sonst auf der Welt.
Der Alkoholverbrauch insgesamt in Südafrika ist problematisch, sagt Charles Parry vom Medizinischen Forschungsrat:
"Wir sind ein Land, das nicht verantwortungsvoll mit Alkohol umgeht. Sechs von zehn Trinkern haben einmal im Monat richtige Trinkgelage. Gemessen an purem Alkohol, der pro Person pro Tag getrunken wird, stehen wir weltweit an sechster Stelle mit etwa fünf Drinks pro Tag. Dabei trinkt ein erheblicher Teil der Bevölkerung nicht, so wie ich, das heißt, einige trinken zusätzlich meinen Anteil."
In normalen Ausgehmeilen ist das nicht so massiv, in der Long Street in Kapstadt zum Beispiel, an einem Freitagabend. Wer ausgehen will, der muss früh beginnen. Denn wegen der COVID-Ausgangssperre muss der letzte Drink vor 21 Uhr ausgeschenkt sein.
Danach verlassen die Leute die Bars, verweilen aber noch eine Weile auf den Gehwegen davor. Noch zu späterer Stunde wird dort getrunken, wo die Polizei die Ausgangssperre nicht kontrolliert, in Nyanga zum Beispiel, einem Township in Kapstadt.
Eine Frau, die dort mit Alkohol handelt, verrät ihren Namen nicht. Sie macht das illegal, erzählt sie:
"Nichts wird uns davon abhalten, Alkohol zu verkaufen. Wie sollen wir sonst überleben? Wir müssen etwas zu essen auf den Tisch bringen."

Alkohol lenkt von der Arbeitslosigkeit ab

Einer Studie zufolge beträgt der Schwarzmarktwert von Alkohol jährlich 20 Milliarden Rand, das sind umgerechnet etwa 1,2 Milliarden Euro. Arm oder reich, schwarz oder weiß, Männer oder Frauen – viele Südafrikaner trinken gern und viel.
Nach Angaben des Handelsministeriums trägt Alkohol etwa fünf Prozent zum südafrikanischen Bruttoinlandsprodukt bei. Die Ärztezeitschrift "SA Medical Journal" schätzt, dass Alkoholmissbrauch die Wirtschaft doppelt so viel kostet.
Denn viele Menschen trinken über den Durst, so wie Mbongiseni Mchunu. Er sitzt in der Frühlingssonne an einer Straßenkreuzung in Johannesburg. Er ist 26 und hat eine Flasche in der Hand.
"Ich trinke diesen richtig billigen Whiskey. Das Problem ist, dass wir nicht arbeiten. Also trinken wir billiges Zeug. Es ist einfach langweilig, man kann doch nicht im Haus rumsitzen und nichts tun. Man muss sich beschäftigen, mit Trinken zum Beispiel. Danach gehst du heim und schläfst."
Perspektivlosigkeit gibt es vielerorts. Die Arbeitslosenquote beträgt derzeit 34,4 Prozent, und Armut ist weit verbreitet. Die Stimmung in einer Bar in der Hafenstadt Durban wirkt dagegen ausgelassen und sorglos. Hier treffen sich junge Menschen, um Spaß zu haben und durchaus auch, um einen Drink zu genießen.
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