Alkohol - Zwischen Genuss und Sucht

Ob als Stresskiller oder Lockermacher, Angstvertreiber oder Einschlafhilfe - Alkohol ist die Gesellschaftsdroge schlechthin. Das "Gläschen in Ehren" ist gesellschaftlich anerkannt, kaum ein Fest ohne "Stoff". Statistisch gesehen trinkt jeder Bundesbürger knapp zehn Liter reinen Alkohol im Jahr. Für viele ist der Genuss jedoch längst zur Sucht geworden.
Fast zehn Millionen Menschen in Deutschland sind suchtgefährdet, 1,3 Millionen sind alkoholabhängig. Jedes Jahr sterben 74.000 Männer und Frauen an alkholbedingten Krankheiten. Der volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich jährlich auf 24 Milliarden Euro.

Diese Zahlen kennt Johannes Lindenmeyer nur zu gut. Der Suchtpsychologe leitet die Salus Klinik im brandenburgischen Lindow. Dort betreut er nicht nur Alkoholkranke, er hat auch das Präventivprogramm "Lieber schlau als blau" entwickelt, bei dem Jugendliche unter ärztlicher Aufsicht den maßvollen Umgang mit Alkohol lernen sollen.

"Die Jugendlichen sollen vor dem Trinken schätzen, welchen Promillewert sie danach haben, und wie sie glauben, dass sich das auf ihr Verhalten auswirkt. In einem geschützten Rahmen außerhalb der Schule, zum Beispiel im Nebenraum einer Kneipe, trinken sie unter Aufsicht eine vorher vereinbarte Menge. Die Schüler haben dann normalerweise einen Schwips. Systematisch wird geprüft, ob ihre Erwartungen stimmen oder nicht. Sie pusten ins Röhrchen, machen Tests und überprüfen ihr Sozialverhalten. Die Schüler merken gleich, wie ihre Konzentration schon nach wenig Alkohol nachlässt. Und bei der Auswertung einer Videoaufnahme realisieren sie, dass sie mit Alkohol gar nicht so cool wirken, wie sie vielleicht angenommen hatten."

Der Hintergrund: Mehr als 25.000 junge Menschen zwischen zehn und 20 Jahren sind im Jahr 2008 mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus gelandet. Deshalb können auch schon 14-Jährige an den Trinkexperimenten teilnehmen. Kritiker werfen dem Suchtexperten vor, er führe die Jugendlichen an den Alkohol heran:

"Wir stellen uns der Realität: 85 Prozent der erwachsenen Deutschen trinken Alkohol. Auch die meisten Jugendlichen werden früher oder später zu Bier, Wein oder Hochprozentigerem greifen. Sie beginnen damit meist zwischen dem 13. und dem 15. Lebensjahr. Unser Projekt verfolgt das Ziel, die Risiko-Trinkphase so kurz und harmlos wie möglich zu halten. Ihre Erwartungen in Bezug auf Alkohol ändern sich nicht durch Belehrung, sondern durch Selbsterfahrung."

Seine Hoffnung: Durch solche Vorbeugungsprogramme die Zahl der Alkoholkranken zu verringern.

"Alkohol – Zwischen Genuss und Sucht" - darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit dem Suchtexperten Johannes Lindenmeyer. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 – 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:

Salus Klinik Lindow

Literaturhinweis:

Johannes Lindenmeyer: "Lieber schlau als blau. Entstehung und Behandlung von Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit". Mit CD-ROM und Online-Materialien. Beltz-Verlag, 8. überarbeitete Auflage 2010