Algeriens Gallien
Wilde Täler, tiefe Wälder: Die Kabylei könnte eine Traumgegend für Naturtouristen sein. Bisher aber verirrt sich kaum ein Tourist in die Region. Denn die Kabylei ist gefährlich - immer noch.
"Es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren, es gibt immer ein Risiko", sagt Sait Ait Mebarek, Korrespondent für die Zeitung "Le Soir d'Algerie" in Tizi Ouzou. Er hat sich an all die Militärposten gewöhnt, die vielen Straßensperren - und auch an die Plakate mit Gesichtern von Vermissten. Denn immer wieder werden Menschen in der Kabylei von Unbekannten entführt. Und immer wieder gibt es Terroranschläge.
Erst im vergangenen Sommer gingen in Saits Büro Fensterscheiben zu Bruch. Vor der nahegelegenen Polizeistation hatte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Leben in der Kabylei ist wie Leben auf einem Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann.
"Wir beide können hier nachts herumfahren, da werden Sie Leute sehen, die Partys feiern. Ich kenne eine Bar an einer Landstraße, da können Sie um 22 Uhr noch ein Bier bestellen. Man tut hier so, als wenn nichts wäre. Und dann knallt es auf einmal irgendwo."
Das Leben in der Kabylei sei wie ein Fluss, der eigentlich ruhig vor sich hinfließt, sagt er. "Und dann kräuselt sich auf einmal das Wasser, es gibt Wellen... warum das passiert, ob das natürliche Ursachen hat - dazu will ich lieber nichts sagen."
Sait weiß nicht, was in den Bergen der Kabylei wirklich vor sich geht. Was bei den gelegentlichen Razzien passiert, wenn Sicherheitskräfte in die Wälder ausschwärmen, um angebliche Islamisten zu fangen, die sich hier noch immer versteckt halten sollen - zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg. Sait weiß auch nicht, wer hinter den vielen Entführungen in der Region steckt. Er kennt die Antworten nicht. Aber er weiß, was Angst bedeutet. Davon künden die hohlen Wangen und die kleinen, nervösen Augen.
Bei Recherchen stoßen Sait und seine Kollegen immer wieder an Grenzen. Nachfragen werden vom Militär nicht zugelassen. Die angeblich gefangenen Journalisten hat kaum ein Journalist je zu sehen bekommen. "Es ist oft schwer, die Quellen zu überprüfen", erzählt er. "Das gilt besonders für Themen, die die Sicherheitskräfte betreffen. Das macht unsere Arbeit oft frustrierend. Denn wenn man als Journalist seinen Lesern keine gut überprüften Informationen liefern kann, hat man nicht das Gefühl, eine professionelle Arbeit zu leisten."
Die Kabylei hat es niemandem einfach gemacht. Ob Phönizier, Römer, Araber oder später Franzosen - jeder Besatzer hat sich an den Kabylen die Zähne ausgebissen. Der starke Willen der hier lebenden Berber ist legendär. Die Kabylen sind stolz auf ihre Identität, ihre Traditionen, ihre Sprache. Nach der Unabhängigkeit wehrten sie sich gegen die Zentralregierung in Algier, die dem Land eine arabisch-islamische Identität verpasste. Die Hoffnung der Berber auf Autonomierechte im neuen Algerien erfüllte sich nicht. Arabisch wurde Amtssprache und auch in den Schulen gelehrt - anders als Tamazight, die Sprache der Berber.
"Wir haben schwierige Zeiten durchgemacht", erzählt Mahfoud Belabbas, Präsident des Kommunalparlaments von Tizi Ouzou.
"In den 70er-Jahren konntest Du zum Beispiel in Algier nicht Berberisch auf der Straße sprechen. Die Polizei hat Dich angehalten und zusammengeschlagen. Aber mit der Zeit haben sich alle Seiten etwas bewegt. Heute wird unsere Identität anerkannt und unsere Sprache hat zumindest den Status einer nationalen Sprache."
Doch immer noch brodelt es in der Kabylei. Immer noch kommt es hier regelmäßig zu Aufständen, die von der algerischen Armee teils brutal niedergeschlagen werden. "Die Regierung hat die Region auf den Index gesetzt", so Belabbas.
"Sie hat alles getan, um diese Region in Unordnung zu bringen, zu demoralisieren, zu manipulieren. Jedes Mal, wenn die Regierung selbst viel Gegenwind bekommt, wie jetzt gerade, versucht sie, in dieser Region Unfrieden zu säen, um die Öffentlichkeit abzulenken. Die Kabylei ist eine rebellische Gegend, daher versucht der Staat die Region zu bestrafen. Indem sie ihr kein Geld gibt, nichts investiert, kein ausländisches Geld in der Gegend duldet."
Schwere Vorwürfe, die die Regierung in Algier bestreitet. Sicher ist: Die Kabylei bleibt ein Unruheherd für Algerien, ein Stachel im Fleisch der Nation.
Erst im vergangenen Sommer gingen in Saits Büro Fensterscheiben zu Bruch. Vor der nahegelegenen Polizeistation hatte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Leben in der Kabylei ist wie Leben auf einem Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann.
"Wir beide können hier nachts herumfahren, da werden Sie Leute sehen, die Partys feiern. Ich kenne eine Bar an einer Landstraße, da können Sie um 22 Uhr noch ein Bier bestellen. Man tut hier so, als wenn nichts wäre. Und dann knallt es auf einmal irgendwo."
Das Leben in der Kabylei sei wie ein Fluss, der eigentlich ruhig vor sich hinfließt, sagt er. "Und dann kräuselt sich auf einmal das Wasser, es gibt Wellen... warum das passiert, ob das natürliche Ursachen hat - dazu will ich lieber nichts sagen."
Sait weiß nicht, was in den Bergen der Kabylei wirklich vor sich geht. Was bei den gelegentlichen Razzien passiert, wenn Sicherheitskräfte in die Wälder ausschwärmen, um angebliche Islamisten zu fangen, die sich hier noch immer versteckt halten sollen - zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg. Sait weiß auch nicht, wer hinter den vielen Entführungen in der Region steckt. Er kennt die Antworten nicht. Aber er weiß, was Angst bedeutet. Davon künden die hohlen Wangen und die kleinen, nervösen Augen.
Bei Recherchen stoßen Sait und seine Kollegen immer wieder an Grenzen. Nachfragen werden vom Militär nicht zugelassen. Die angeblich gefangenen Journalisten hat kaum ein Journalist je zu sehen bekommen. "Es ist oft schwer, die Quellen zu überprüfen", erzählt er. "Das gilt besonders für Themen, die die Sicherheitskräfte betreffen. Das macht unsere Arbeit oft frustrierend. Denn wenn man als Journalist seinen Lesern keine gut überprüften Informationen liefern kann, hat man nicht das Gefühl, eine professionelle Arbeit zu leisten."
Die Kabylei hat es niemandem einfach gemacht. Ob Phönizier, Römer, Araber oder später Franzosen - jeder Besatzer hat sich an den Kabylen die Zähne ausgebissen. Der starke Willen der hier lebenden Berber ist legendär. Die Kabylen sind stolz auf ihre Identität, ihre Traditionen, ihre Sprache. Nach der Unabhängigkeit wehrten sie sich gegen die Zentralregierung in Algier, die dem Land eine arabisch-islamische Identität verpasste. Die Hoffnung der Berber auf Autonomierechte im neuen Algerien erfüllte sich nicht. Arabisch wurde Amtssprache und auch in den Schulen gelehrt - anders als Tamazight, die Sprache der Berber.
"Wir haben schwierige Zeiten durchgemacht", erzählt Mahfoud Belabbas, Präsident des Kommunalparlaments von Tizi Ouzou.
"In den 70er-Jahren konntest Du zum Beispiel in Algier nicht Berberisch auf der Straße sprechen. Die Polizei hat Dich angehalten und zusammengeschlagen. Aber mit der Zeit haben sich alle Seiten etwas bewegt. Heute wird unsere Identität anerkannt und unsere Sprache hat zumindest den Status einer nationalen Sprache."
Doch immer noch brodelt es in der Kabylei. Immer noch kommt es hier regelmäßig zu Aufständen, die von der algerischen Armee teils brutal niedergeschlagen werden. "Die Regierung hat die Region auf den Index gesetzt", so Belabbas.
"Sie hat alles getan, um diese Region in Unordnung zu bringen, zu demoralisieren, zu manipulieren. Jedes Mal, wenn die Regierung selbst viel Gegenwind bekommt, wie jetzt gerade, versucht sie, in dieser Region Unfrieden zu säen, um die Öffentlichkeit abzulenken. Die Kabylei ist eine rebellische Gegend, daher versucht der Staat die Region zu bestrafen. Indem sie ihr kein Geld gibt, nichts investiert, kein ausländisches Geld in der Gegend duldet."
Schwere Vorwürfe, die die Regierung in Algier bestreitet. Sicher ist: Die Kabylei bleibt ein Unruheherd für Algerien, ein Stachel im Fleisch der Nation.