Neues Album von Charles Pasi

Viel Raum für die Mundharmonika

Mundharmonika: In einer Reihe nebeneinander liegen die Löcher, in die man hineinpusten muss. Die Löcher haben einen Namen: Kanzellen.
Mundharmonika: In einer Reihe nebeneinander liegen die Löcher, in die man hineinpusten muss. Die Löcher haben einen Namen: Kanzellen. © picture alliance / dpa
Von Jutta Petermann · 18.11.2015
Kleines Instrument, groß angelegte Soli: Der Franko-Italiener Charles Pasi mischt auf der Mundharmonika versiert Elemente aus Jazz, Blues und Soul. Zu hören ist dies auf seinem dritten Album "Sometimes awake". Eine Deutschlandtour ist auch geplant.
Charles Pasi ist nicht der Musikertypus, der mit seiner Musik eine politische Botschaft vermitteln will. Nach den Anschlägen in Paris aber ist es ihm wichtig, dass sich das lebensbejahende Frankreich nicht klein kriegen lässt.
"Das wäre eine wirkliche Tragödie, wenn sich jetzt zusätzlich zu diesen Ereignissen unser Lebensstil verändern würde, wenn wir jetzt Angst hätten. Das wäre die wahre Niederlage und die wahre Tragödie, wenn jetzt auf einmal die Leute nicht mehr ausgehen würden, nicht mehr auf andere Gedanken kämen, denn dann würde ja bedeuten, dass sie immer nur daran denken."
Nicht in Angst erstarren, sondern spielen, singen, lachen - die Terroristen sollen nicht gewonnen haben. Kein Wunder, dass Pasi so denkt: In dem hier zu hörenden Song erzählt der 31-Jährige von einem Mann, der seine Homosexualität aus Angst, von der Familie abgelehnt zu werden, lange verdrängt hat.
Eine Mundharmonika wie die von Bob Dylan
Ansonsten singt Pasi unter anderem von der sinnlichen Ausstrahlung mancher Frauen oder von einem jungen Typen, der die Mutter seiner Freundin begehrt. Texte, die nur in einer liberalen Gesellschaft gesungen werden können. Der Franko-Italiener in grauer, wattierter Sweatjacke mit kunstvoll verwuschelter Frisur ist Klangästhet, lustbetont, intuitiv und folgt spontanen Eingebungen. So fängt es bei dem Fan von Bob Dylan, Neil Young und Stevie Wonder auch an mit der Musik.
"Eines Tages hielt der Bus vor einem Musikgeschäft, da bin ich ausgestiegen und habe eine Mundharmonika gekauft. Ich habe nach einer gefragt, wie sie Bob Dylan spielt. Da hat mir die Verkäuferin eine kleine in der Tonlage C gegeben, die gar nicht teuer war."
17 Jahre ist Charles Pasi damals alt und studiert schlagartig sehr leidenschaftlich die Mundharmonika-Solisten des Chicago Blues, wie James Cotton oder die beiden gleichnamigen Blues-Musiker Sonny Boy Williamson I. und II.
Pasi will möglichst viel aufholen. Singt in einem Gospelchor und lernt Gitarre, Klarinette und Trompete. Aber die Mundharmonika bleibt sein Instrument, weil es der menschlichen Stimme am ähnlichsten sei.
"Eigentlich hat kein Instrument spielerische Grenzen, aber es waren die Musiker, die die Mundharmonika limitierten. Sie wurde oft nur für kurze Zwischenspiele genutzt, um ein wenig Farbe in den Klang zu geben, nie oder selten für Soli. Und ich will das ein bisschen demokratisieren."
Pasi jongliert mit Jazz, Funk, Soul und Blues
Die Demokratie von Charles Pasi: Seine Mundharmonika hat viel Raum auf seinem dritten Album 'Sometimes Awake', er spielt viele einfallsreiche und ausdrucksstarke Soli. Sein frischer Zugang ist diesmal noch selbstsicherer, ausgereifter als auf den zwei Alben davor. Pasi zitiert nicht einfach, sondern jongliert mit Jazz, Funk, Soul und Blues und anderen Zutaten. Er nutzt die unterschiedlichsten Klangsprachen aus Nord- und Südamerika mit individuellem Witz, lässig, ungewöhnlich.
Im Pariser Maler- und Poetenviertel Montparnasse wird Pasi am 8. Februar 1984 geboren. Der italienische Vater spielt neben seinen italienischen Lieblingsstücken vor allem US-amerikanische Soulstars wie Percy Sledge oder Otis Redding und übersetzt Charles und seiner älteren Schwester die Texte. Pasi wächst so, trotz der geografischen Distanz, in die angloamerikanische Musiktradition geradezu hinein. Französische Musik kennt er bis heute kaum. Im Amerikanischen spiegelt sich quasi seine musikalische Seele, das kann man auch am Albumtitel "Sometimes Awake" ablesen, der an eine Figur aus der Kurzgeschichte "Justice" von William Faulkner angelehnt ist.
"Da gab‘s die Figur namens 'Sometimeswakeup', das mochte ich, es handelte sich um ein Pferd, Ich fand<ins cite="mailto:Reimann,%20Christoph" datetime="2015-11-17T09:29">,</ins> das klingt gut, und es entspricht mir selbst, weil ich viel schlafe. Ich wollte damit sagen, wenn ich wach bin, dann mache ich Musik. When I‘m awake I’m playing music."
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