Album von Throbbing Gristle wiederaufgelegt

Der "Urknall" der Industrial Music

Die Musiker von "TG" 1980, ein Jahr bevor sich die Band auflöste
Die Musiker von TG 1980, ein Jahr bevor sich die Band auflöste. © ThrobbingGristle / Industrial Records
Frieder Butzmann im Gespräch mit Max Oppel · 02.11.2017
Nervenzerreißender Krach prägte den Sound der englischen Musiker Throbbing Gristle. Als "Industrial" ging das Genre in die Musikgeschichte ein. Zum 40. Jubiläum erscheint ihr Album "The Second Annual Report" jetzt noch einmal.
Heute beginnt das britische Musiklabel Mute mit einer Serie von Wiederveröffentlichungen der britischen Band Throbbing Gristle. Wobei "Band" die Sache nicht trifft. Throbbing Gristle stand für eine Anti-Musik und für ein Kollektivprojekt, das die Grenzen des Spielbaren mit Geräuschen, Schreien und Kreischorgien bewusst überschritt. Ihr Name bedeutet auf englisch "pochender Knorpel" und in der Umgangssprache von Yorkshire in Nordenglang "erigierter Penis".
"Discipline" von 1981 war eines ihrer bekannteste Stücke:

Provokante Bühnenshows mit Pornobildern

TG, wie sie sich in Abkürzung ihres Namens auch nannten, führten den Begriff Industrial in die Musikgeschichte ein. "Industrial Music for Industrial People", so der Slogan, der sich auf die harten bis desolaten Lebensverhältnisse im England der 70er-Jahre bezog. Sie gingen aus dem Künstlerkollektiv Coum Transmissions hervor, das die Öffentlichkeit mit Performances mit Pornobildern und blutigen Tampons schockierte.
Niemand von Throbbing Gristle hatte eine musikalische Ausbildung. Sie spielten auf Instrumenten, die zum Teil selbst gebastelt waren und benutzten Zeichen von Faschismus, Pornografie und Gewalt. Ihre Musik entstand aus endlosen Improvisationen. Am Anfang primitivistisch verfeinerte sie sich bis hin zu – damals noch befremdlichem – elektronischen Pop.

Privat nett – musikalisch wagemutig und kühn

Während eines Auftritts in Berlin in den 80er-Jahren wohnten die Mitglieder von Throbbing Gristle bei dem Komponisten und Hörspielautor Frieder Butzmann, mit dem sie auch zusammen arbeiteten. Er erinnert sich an die Begegnung:
"Das sind nette Menschen, mit denen man sich gut unterhalten kann und mit denen man Samstag auf den Flohmarkt geht. Das Werk ist ja nicht unbedingt identisch mit der Musik. Ich habe sie nie als aggressiv, sondern als wagemutig, kühn und neugierig erlebt."
Ihre Musik sei vor allem "körperlich wahrnehmbar" gewesen, schwärmt Frieder Butzmann. Sie habe vieles vorweggenommen, was heute in den Musikclubs gängig ist: Harte Beats und lange Loops, die damals noch nicht mit einem Audio-File, sondern tatsächlich mit einer Tonbandschlaufe wiedergegeben wurden. Auf dieser vorgegebenen Tonspur wurde dann improvisiert. Rückblickend sagt der Komponist über die Musik von TG: "Es ist natürlich ein Urknall!" Die Musiker beeinflussten diverse musikalische Stile vom finsteren Synthie-Pop wie von Nine Inch Nails bis hin zu Techno.
Mehr zum Thema