Albrecht von Lucke über 75 Jahre UN-Charta

"Ein Geburtstag, den man in anderem Maße feiern müsste"

04:20 Minuten
Ein Mann unterzeichnet ein Schriftstück, dahinter stehen mehrere Personen. Im Hintergrund befinden sich zahlreiche Flaggen.
Unterzeichnung der UN-Charta am 26. Juni 1945 in San Francisco. © imago images/UIG/Truman-Harry
Moderation: Korbinian Frenzel · 26.06.2020
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Die Charta der Vereinten Nationen sollte für Frieden und Sicherheit in der Welt sorgen und dafür, dass auch Nationen "Freunde" sein können. Diese Vorstellung drohe sich heute wieder aufzulösen, meint der Politologe Albrecht von Lucke.
Vor 75 Jahren wurde in San Francisco die UN-Charta unterschrieben. Es war die Geburtsstunde einer neuen Weltorganisation: der Vereinten Nationen. Die UN-Charta bindet die Staaten der Welt völkerrechtlich. Es handelt sich um eine Art nationen-übergreifende Verfassung.

Hintergrund dieses Vertrags war die Erfahrung von zwei Weltkriegen, in denen mehr als 100 Millionen Menschen ums Leben kamen. Die UN-Charta sollte global für Stabilität sorgen, die Menschenrechte schützen und eine bessere internationale Zusammenarbeit gewährleisten.

Ein verdrängter Geburtstag

"Dieser Geburtstag ist einer, den man in einem anderem Maße feiern müsste", meint unser Studiogast, der Politologe Albrecht von Lucke. Stattdessen werde das Datum stillschweigend und in fast verdrängender Weise begangen.
Dass sich Staaten nicht nur als Feinde, sondern auch als Freunde begegnen können, sei damals die "große Lehre" aus den Weltkriegen gewesen. Diese Vorstellung drohe sich wieder aufzulösen.

Missbrauch der Idee nach 9/11

China, Russland oder die USA würden heute erneut Staaten als Feinde in Stellung bringen. "Das ist natürlich das Ende der Idee einer Weltgemeinschaft, und das ist dann schon dramatisch."

Zugleich gebe es eine "große Geschichte des Missbrauchs der Idee, gerade leider nach ´89", sagt von Lucke. Durch Kriege, die völkerrechtswidrig waren, die aber letztlich als Menschenrechtskriege verbrämt worden seien, sei ein "ungeheures Schindluder mit dieser Idee" getrieben worden, meint er unter anderem mit Bezug auf die Kriege der USA und ihrer Verbündeten im Irak nach 9/11.

(huc)
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