Diplomat und NS-Widerstandskämpfer
Albrecht Graf von Bernstorff war einer der wenigen Diplomaten, die sich gegen die NS-Diktatur auflehnten. Bereits 1933 schloss er sich Regimegegnern an. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs ermordete ihn die SS. Vor 125 Jahren wurde er geboren.
"Ein Deutschland, das sich in einen Kasernenhof verwandelt, kann ich nicht im Ausland vertreten", bekannte Albrecht Graf von Bernstorff kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten.
Zu der Zeit war er Geschäftsträger der Deutschen Botschaft in London, aber das Ende seiner diplomatischen Laufbahn war absehbar.
Albrecht von Bernstorff, am 6. März 1890 in Berlin geboren, entstammte dem mecklenburgischen Adel. Unter seinen Vorfahren waren Minister und Botschafter, daher war es nicht verwunderlich, dass er nach dem Studium die diplomatische Laufbahn einschlug. Nach Jahren im Auswärtigen Dienst, unter anderem in Wien und Berlin, wechselte Bernstorff 1923 nach London. England, dem Land, in dem er zwei Studienjahre in Oxford verbracht hatte, fühlte er sich besonders verbunden.
Ekkehard Klausa von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand:
"Er war ein liberaler Konservativer, er war, wie andere Freunde von ihm auch, etwa Adam von Trott zu Solz, stark geprägt durch das Ausland. Er war weltoffen, anglophil."
Bernstorff, mit fast zwei Metern Größe und leichter Körperfülle eine imposante Erscheinung, knüpft in London neue Kontakte und frischt alte Freundschaften auf. Er genießt das gesellschaftliche Leben und manche Affären mit vornehmlich älteren Frauen. Als die Nationalsozialisten an die Macht kommen, reagiert er bestürzt:
"Man fragt sich, was schlimmer ist, dieser österreichische Maulheld oder der engstirnige Industrielle Hugenberg. Heute muss man sich geradezu schämen, Deutscher zu sein. Das kann nicht gut enden."
Bernstorff empfindet großes Unbehagen, das NS-Regime in London vertreten zu müssen. Aus seiner Abneigung gegenüber den Nazis macht er keinen Hehl.
"Er war unter den Diplomaten, die von vornherein systemkritisch waren. Andere Diplomaten haben ja erst allmählich gemerkt, was für ein schreckliches Regime, das war. Er wusste es von vornherein, und die Nazis wussten, dass er es wusste."
Im Juni 1933 wird Albrecht von Bernstorff aus London abberufen, das Auswärtige Amt bietet ihm den Posten eines Generalkonsuls in Asien an, doch er will sich nicht abschieben lassen und lehnt ab. Daraufhin wird er in den einstweiligen Ruhestand versetzt, was er mit der Bemerkung kommentiert, intellektuelle Aufrichtigkeit sei wichtiger als Karriere.
"Der Nationalsozialismus richtet sich gegen alles, wofür ich eingetreten bin: 'Geist', Toleranz, Einsicht und Menschlichkeit."
Verhaftungen, Folter, Konzentrationslager
Albrecht von Bernstorff findet eine neue Tätigkeit in einem Berliner Bankhaus. Zugleich knüpft er Kontakte zu Widerstandskreisen, darunter zur sogenannten Teegesellschaft Johanna Solfs, einer Diplomatenwitwe. Die Gruppe versteckt Verfolgte und verhilft ihnen zur Flucht ins Ausland. Als Bernstorff im Mai 1940 von einer längeren Auslandsreise zurückkehrt, wird er festgenommen und ins KZ gebracht. Der Vorwurf: Er sei bei Kriegsausbruch nicht unverzüglich nach Deutschland zurückgekehrt.
"Er war in der Schweiz und kam erst ein bisschen später zurück und wurde deswegen dann einige Monate in Dachau inhaftiert, aber dann hat man ihn wieder entlassen."
Am 30. Juli 1943 wird er - neben anderen Mitgliedern des Solf-Kreises - erneut verhaftet. Der Gestapo war es gelungen, einen Spitzel in die Gruppe einzuschleusen. Bernstorff kommt in das Berliner Gestapo-Gefängnis und schließlich in das KZ Ravensbrück.
"Da gibt es mehrere Zeugenaussagen, dass er schwer gefoltert wurde, also Aussagen von ihm erpresst wurden, und dass er mit blutunterlaufenem Gesicht aus diesen Verhören herauskam."
Im Oktober 1944 wird Bernstorff in das Gefängnis Lehrter Straße nach Berlin gebracht. Man will ihm vor dem Volksgerichtshof den Prozess machen. Doch dazu kommt es nicht mehr.
"Der Blutrichter Freisler war Anfang Februar 1945 von einer Bombe getötet worden, und dann wurde Bernstorff zusammen mit anderen Widerstandskämpfern schlicht ermordet in der Nacht vom 23. zum 24. April."
Die Leichen wurden nie gefunden. Während des Nationalsozialismus war das Auswärtige Amt kein besonderer Ort des Widerstands. Die meisten Diplomaten dienten dem NS-Staat bis zuletzt. Zu den wenigen, die von Beginn an aufbegehrten, gehörte Albrecht Graf von Bernstorff. Eine Gedenktafel im Auswärtigen Amt in Berlin erinnert an ihn.