Es bleibt ein besonders schlechter Beigeschmack

Angela Merkel empfing den ägyptischen Präsidenten: Denn Ägypten sei in vielen Konflikten zu wichtig, um mit einer Kontaktsperre bestraft zu werden, kommentiert Klaus Remme. Bisher gebe es allerdings kein Indiz dafür, dass sich die Geste politisch lohnen wird.
Norbert Lammert hat es gut. Der Bundestagspräsident kann sich die Konsequenz leisten, die von Nichtregierungsorganisationen und Teilen der Opposition eingefordert wird. Lammert hat die verheerende Lage der Menschenrechte in Ägypten beim Namen genannt und dem Gast aus Kairo deshalb einen Gesprächstermin verweigert. Richtig so. Abdel Fattah al-Sisi regiert per Dekret und ohne Parlament. Der deutsche Parlamentspräsident hätte mit einem Empfang von Al-Sisi ein völlig falsches Signal gesendet. Das Kalkül der Bundesregierung fällt anders aus, es ist deshalb noch nicht zwingend ein falsches Kalkül.
Die Bundesregierung ist nicht das Bundestagspräsidium
Natürlich steht eine Bundesregierung unter ganz anderem Handlungsdruck als der Bundestagspräsident. Täglich stellen sich brisante Fragen. Was tun im Kampf gegen IS, wie umgehen mit gescheiterten Staaten wie Libyen, wie Jemen. Nicht erst seit Ausbruch und Scheitern des Arabischen Frühlings ist Ägypten zu wichtig, zu groß, um mit einer Kontaktsperre bestraft zu werden. Der Westen hat auch in den Jahren vor 2011 einem Hosni Mubarak milliardenschwere Entwicklungshilfen zugeschoben im Gegenzug für das Versprechen einer vermeintlichen Stabilität, die in der demokratischen Revolte vor vier Jahren entlarvt wurde.
Das kurze Intermezzo des gewählten Islamisten Mursi an der Macht, sitzt vielen westlichen Regierungen jetzt noch als Schreck in den Gliedern, anders ist die Anerkennung al-Sisis kaum zu erklären. Wieder lockt die Aussicht auf Stabilität und Sicherheit. Wieder werden beide Augen zugedrückt, wenn es um Massenverhaftungen, Folter und Todesurteile geht.
Kein absolutes Mindestmaß an werteorientierter Standhaftigkeit
Ja, Angela Merkel hat Differenzen auch öffentlich angesprochen. Doch mehr als das absolute Mindestmaß an werteorientierter Standhaftigkeit war das nicht. Ägypten wird gebraucht und al-Sisi weiß es. Wer auf Zugeständnisse gehofft hatte, wurde enttäuscht. Im Gegenteil. Er forderte Respekt für sein Land, für die aktuellen Entwicklung, selbst für die Todesurteile, die er offensiv ansprach, all das mit der Vorgabe: Wir werden keine Zustände zulassen, wie westlich der Staatsgrenze in Libyen.
Ein roter Teppich für Männer wie Fattah Abdel al-Sisi, das ist hierzulande immer Ergebnis von Realpolitik. Kein Regierungschef kann dabei gewinnen. Im heutigen Fall bleibt ein besonders schlechter Beigeschmack, da Angela Merkel den Besuch ursprünglich erst nach der Durchführung freier Wahlen empfangen wollte. Doch ein Termin ist nicht noch immer nicht absehbar, Berlin glaubte dann, nicht länger warten zu können und sprach die Einladung aus. Noch gibt es kein öffentliches Indiz dafür, dass sich diese Geste politisch auszahlt.