Akustik der Elbphilharmonie

Erst hochgelobt, dann verrissen

Das Foto zeigt die Elbphilharmonie abends.
Die Elbphilharmonie war wahnsinnig teuer - nun wird auch der perfekte Klang erwartet. © imago / Chromorange
Tom Schulz im Gespräch mit Vladimir Balzer · 22.01.2019
"Wir hören nichts!", "Hier trete ich nie wieder auf!": Nachdem der Hype um die Akustik der Elbphilharmonie anfangs groß war, hagelt es nun Kritik. "Elphi"-Sprecher Tom Schulz hält dagegen: Die Akustik sei bis auf ein paar Plätze fast perfekt.
Vladimir Balzer: Klingt sie etwa nicht gut, die Elbphilharmonie? Im ständig ausgebuchten 800-Millionen-Bau, dem Kulturwahrzeichen Hamburgs, gibt es andauernden Streit um die Akustik. Startenor Jonas Kaufmann, vor einigen Tagen hat er dort Mahlers "Lied von der Erde" mitgesungen, da gab es tumultartige Szenen. Zuschauer riefen "Wir hören nichts!" und gingen tatsächlich. Daraufhin er: "Hier trete ich nie wieder auf."
Aber nicht nur er. Viele Sänger beschweren sich, man sei nicht gut zu hören, gerade auf den Plätzen hinter ihnen. Heute Abend noch mal Mahlers "Lied von der Erde", diesmal aber mit Andreas Schager und den Münchner Philharmonikern. Und Tom Schulz ist Sprecher der Elbphilharmonie, hat heute Abend für uns verschiedene Plätze im Saal ausprobiert. Dasselbe Programm wie bei Kaufmann vor ein paar Tagen. Schönen guten Abend, Herr Schulz!
Tom Schulz: Guten Abend, Herr Balzer!

Nirgendwo schlecht gehört

Balzer: Haben Sie irgendwo schlecht gehört?
Schulz: Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe den ersten Teil des Konzerts, das war die Vierte von Mahler, mit Genia Kühmeier, der Sopranistin, hab ich noch frontal vor der Bühne sitzend gehört. Und dann habe ich mich einfach mal auf die Plätze hinter der Bühne begeben, wo man tatsächlich offenbar Schwierigkeiten hatte, Jonas Kaufmann zu hören.
Das war aber jetzt in diesem Konzert eine ganz andere Konfiguration. Es war ein anderes Orchester, es waren die Münchner Philharmoniker, es war Valery Gergijev, der ganz wunderbar mit Sängern umgehen kann und auch mit einem Orchester, das Sänger begleitet. Und wir hatten eben Andreas Schager, den Sie schon genannt haben, als Tenor, und Tanja Ariane Baumgartner, Mezzosopranistin, die quasi die Altpartie gesungen hat.
Und die Sänger standen nicht vorn bei Gergijew, so wie das Jonas Kaufmann getan hat beim Herrn Rieder im Symphonieorchester Basel, sondern sie standen sehr weit hinten, ungefähr da, wo diese Rundung von der Bühne in der Elbphilharmonie ist. Das heißt, sie waren deutlich näher an dem rückwärtigen Teil, von wo aus man die Sänger nicht sehen kann, aber man sie ganz wunderbar hören kann.
Balzer: Na gut, das war jetzt heute Abend die Situation. Aber Jonas Kaufmann war ja auch nicht der erste Sänger oder der Erste sozusagen, der dort gesungen hat. Auch Chöre und so weiter haben sich ja immer mal wieder über die Akustik beschwert. Wie will man jetzt in der Elbphilharmonie eigentlich damit umgehen? Man kann ja nicht jedes Mal sozusagen die Sänger und dann die Chöre so positionieren, dass es funktioniert.
Schulz: Die Chöre – ich habe von Chören noch keine Beschwerden gehört. Dasselbe gilt auch für konzertante Oper zum Beispiel. Das einzig wirklich kritische Repertoire, wenn man so will, sind die Orchesterlieder, wo einfach wirklich sehr viel Orchesterinstrumentarium gegen eine vereinzelte menschliche Stimme gesetzt ist.
Das gibt es gar nicht so furchtbar viel, das ist wirklich eine spätromantische Spezialität. Das gibt es bei Berlioz, das gibt es bei Mahler, und dann gibt es Liederabende, die mit Klavierbegleitung sind. Die sind auch nicht unkritisch, das ist sicherlich richtig.
Der Startenor Jonas Kaufmann
Will nicht mehr in der Elbphilharmonie auftreten: Startenor Jonas Kaufmann (Archivbild) © picture alliance / dpa / Robin Townsend
Aber sowie Sie Chor haben, sowie Sie konzertante Oper haben, wo sich die Sänger ein bisschen bewegen auf der Bühne, spielt das eine ganz untergeordnete Rolle. Dann drehen sich die Sänger, sie drehen sich immer in eine andere Richtung. Das ist sicherlich für Sänger eine große Herausforderung, wie es für jeden Redner auch eine Herausforderung ist, wenn Sie wissen, da sind in meinem Rücken so und so viele Menschen, die kann ich jetzt nicht sehen. Ich kann die nicht adressieren, wie die Sänger das immer nennen. Und trotzdem hören die mich, oder ich möchte natürlich gern, dass die mich hören. Und eine Möglichkeit ist eben, wirklich dann die Sänger stärker nach hinten zu nehmen.

"Man hört dann vielleicht einen Oberton weniger"

Balzer: Aber die Akustik sollte doch 100-prozentig perfekt sein, oder? Also auch bei so einem teuren Bau, bei so einem Konzertsaal, der von dem berühmten Akustiker Yasuhisa Toyota entworfen worden ist, da muss doch einfach Perfektion herrschen, oder?
Schulz: Perfektion – ich würde das auch sogar noch fast behaupten, dass die Perfektion beinahe da ist. Das Problem ist einfach, man kann natürlich – gegen die Physik kann auch der allergenialste Akustiker nichts sozusagen, man kann nicht die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft setzen, gerade bei der menschlichen Stimme, die ja doch ein sehr gerichtetes Instrument ist, viel stärker noch als ein Blasinstrument, wo Sie sofort überall im Saal hören können. Das ist da.
Und das Interessante ist ja, wenn Sie ein bisschen weiter hoch gehen im Saal, hören Sie den Gesang auch wieder noch besser und noch pointierter, wenn Sie hinter der Bühne sitzen. Es ist einfach nur, es gibt so ein paar Plätze, die relativ dicht am Bühnenrand sind, und da habe ich halt heute auch gesessen, wo man dann vielleicht irgendwie einen Oberton weniger hört, als wenn der Gesang direkt nach vorn abstrahlt.
Balzer: Tom Schulz, Sprecher der Elbphilharmonie, über die Debatte, die jetzt ausgebrochen ist über eventuell oder vermeintlich mangelnde akustische Qualitäten des Hauptsaals in der Elbphilharmonie. Herzlichen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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