Aktuelle Pop-Alben

Neues von damals

Die kanadische Sängerin Jill Barber
Um Themen wie Selbstermächtigung und Sexismus soll es auf dem neuen Album der kanadischen Sängerin Jill Barber gehen. © Fool'S Gold / Outside Music
Von Claudia Gerth · 22.06.2018
Indie-Rock wie aus den 90ern gibt es auf dem neuen Album von The Pauses: "Unbuilding". Mit 80er-Jahre-Sound melden sich The Twins nach 25 Jahren Pause zurück, auf "Living For the Future". Und auch Jil Barber setzt in "Metaphora" auf Retrocharme – allerdings eher vergebens.

The Pauses: "Unbuilding"

"Weck mich nicht auf, ich träume von den 90ern", müsste der Text in diesem Song weitergehen: Denn "Don't wake me up" von der Band The Pauses hat, so wie der Rest des dazugehörigen neuen Albums "Unbuilding", seine Referenzen klar in der Musik der 1990er Jahre.
Aus Orlando, Florida stammt das junge Trio, das erst zu leben beginnt, wenn die Sonne untergegangen ist. Dann kann man sich einfühlen in die kühle Atmosphäre anderer Städte, die vor knapp 30 Jahren Genres wie Grunge und Indie-Rock hervorbrachten. Doch statt eines einfachen Indie-Rock-Bestecks, wie es ihre Vorbilder Weezer hatten, fügt es Cello, Pauken und ein Theremin hinzu. The Pauses sind also nicht nur epigonal unterwegs.
Ich könnte jetzt sagen, dass "Unbuilding" kein bahnbrechendes Album ist. Doch der glasklare Gesang von Bassistin und Sängerin Tierney Tough und vor allem die Strukturen der Songs ließen mich aufhorchen. Ohne typischen Strophe-Refrain-Aufbau wechseln die Stücke oft ihr Tempo. Aus einer resigniert, entschleunigten Nummer wird plötzlich eine kraftvoll-trotzige. Toll. Und auch der Humor und Kulturskeptizismus von The Pauses sind mir sympathisch.

Jill Barber: "Metaphora"

Weniger sympathisch ist mir die kanadische Sängerin Jill Barber, die sich mit ihrem faulen Retrocharme immer schon nach Kalkül anhörte. Die 38-Jährige hopste gern zwischen Chanson, Soul, Jazz und Folkpop herum, um auf ihrem neuen Album "Metaphora" nun endgültig beim Pop anzukommen.
Es soll um Themen wie Selbstermächtigung, Sexismus und das Dasein als Mutter gehen. Um Depressionen. Darum, dass die Romantik den Bach runter geht und die Politik sich ändern muss. Doch durch die aalglatte Oberfläche der Songs stößt nichts davon durch.
Einmal mehr hat Jill Barber mit anderen zusammen die Songs geschrieben. Dieses Mal unter anderem mit dem Sänger der Indie-Rock-Band Mother Mother. Aber er und auch Produzent Gus van Go konnten das Album nicht vor den ach so heiteren Melodien retten. Für mich klingt es zu glatt. Es nimmt sich dabei auch viel zu ernst. Keine ironische Brechung, kein doppelter Boden – zu eindimensional.

The Twins: "Living For the Future"

Wie Ghosts of yesterday, also Geister aus der Vergangenheit erscheinen The Twins mit einem Comeback-Album nach 25 Jahren wieder auf der Bildfläche. "Living for the future" ist der amüsante Titel des neuen Albums und auf dem präsentiert das deutsche Synthie-Pop-Duo seinen altbekannten Sound. Es leben die 80er.
Hier ist die glatte-sterile Oberfläche der Songs selbstredend Programm. Kein Retro, sondern autentico, um es mal italienisch zu sagen. Denn gerade Italien hatte an ihren 80er-Hits einen Narren gefressen. Und als wären sie damals eingefroren worden, setzen Sven Dohrow und Ronny Schreinzer alias The Twins vollkommen unbeeindruckt von den musikalischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ihre Arbeit fort.
"Living for the Future" ist eine Platte für Nostalgiker. Für die, die Gary Numan, OMD und die Pet Shop Boys immer noch mögen. Nebelmaschine an, Gin Tonic ins Glas und Hüfte schwingen!
Mehr zum Thema