Aktion "Deutschland betet gemeinsam"

Die Krise als Chance für extreme Gläubige

07:14 Minuten
Das Foto zeigt eine gläubige Frau mit Mundschutz im Gebet. Im Vordergrund brennen Kerzen.
Gläubige in der Coronakrise: An einem Gebet kann nichts falsch sein, doch die Aktion "Deutschland betet gemeinsam" sei eine gewaltige Anmaßung, meint Philipp Greifenstein. © picture alliance / NurPhoto / Artur Widak
Philipp Greifenstein im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 08.04.2020
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Eine Initiative will viele Menschen dazu bringen, heute zur gleichen Zeit 90 Minuten für Deutschland zu beten. Der Journalist und Kirchenkenner Philipp Greifenstein sieht das kritisch - und verweist auf den ideologischen Hintergrund der Initiatoren.
"Diese Aktion trifft einen Nerv!": So wirbt "Deutschland betet gemeinsam" in einer Mitteilung für sich selbst. Hunderttausende sollen sich demnach heute um 17 Uhr zu einem "90-Minuten-Gebet" versammeln. Die Initiative spricht von der "größten Gebetsaktion, die Deutschland je gesehen hat".

Söder und Maffay beten mit

Auf www.deutschlandbetetgemeinsam.de und auf Bibel TV wird das Live-Gebet übertragen, es kommt aus dem Gebetshaus Augsburg, momentan sind auf der Webseite allerdings erst etwas über 30.000 "aktive Mitbeter" registriert.
Die Schirmherrschaft über die Aktion hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder übernommen, weitere Prominente werben dafür, darunter der Sänger Peter Maffay, Fußballtrainer Heiko Herrlich und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner.
Philipp Greifenstein, Gründer eines Magazins für Kirche, Politik und Kultur mit dem Namen "Die Eule", sieht die Aktion kritisch. Natürlich sei an einem gemeinsamen Gebet "nichts Falsches", sagt er. Die Initiatoren stammten allerdings aus der evangelikalen und charismatischen Szene.

Gegen Homosexualität und den Islam

Die Größe dieser Szene werde auf rund 1,9 Millionen Gläubige in Deutschland geschätzt, berichtet Greifenstein. Ihre politischen Anliegen seien die Betonung der traditionellen Familie, die Ablehnung von Abtreibung und Homosexualität sowie Islamkritik.
Bestimmte Gruppen innerhalb der Szene pflegten zudem Endzeitfantasien. In solchen Denkweisen gebe es dann offene Flanken zu Verschwörungstheorien und magischem Religionsverständnis. Viele Menschen hätten sich der Aktion vermutlich angeschlossen, ohne genau zu überprüfen, welche Gedankenwelt hinter der Einladung und der Formulierung des Gebets liege, sagt Greifenstein.
Die Landeskirchen reagieren jedenfalls reserviert – sie hielten sich größenteils bedeckt, hat Philipp Greifenstein beobachtet. Insofern sei "Deutschland betet gemeinsam" auch eine "gewaltige Anmaßung".
(ahe)
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