Air Berlin-Mitarbeiter

In der Warteschleife

Mitarbeiter der Fluggesellschaft Air Berlin stehen am 27.10.2017 auf dem Vorfeld des Flughafen Berlin-Tegel nach der Landung der letzten Maschine der Airline auf einer Fluggasttreppe.
Mitarbeiter von Air Berlin nach der Landung der letzten Maschine auf dem Vorfeld des Flughafen Berlin-Tegel: Auch das Ehepaar Menslin war dabei © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Von Dieter Nürnberger · 09.11.2017
Die Pleite von Air Berlin hat Mitarbeiter zurückgelassen, die nun alle Angst um ihre wirtschaftliche Existenz haben. Besonders schwierig ist es absurderweise für jene, die bisher nicht gekündigt wurden. Das deutsche Arbeitsrecht macht es möglich.
Vor knapp zwei Wochen landete der letzte Air-Berlin-Flieger auf dem Flughafen Tegel - und natürlich war auch das Ehepaar Menslin mit dabei. Für die beiden langjährigen Mitarbeiter ein bitterer Abend.
"Wir waren auf dem Vorfeld - live miterlebt. Und ich hatte die große Ehre bei unserem letzten Flieger die Türen zu schließen, tja."

Über 20 Jahre im Qualitätsmanagement

Über zwanzig lange Jahre arbeitete Markus Menslin im Qualitätsmanagement der Bodenabfertigung von Air Berlin. Seine Ehefrau Romy, auch eine Kollegin, Flugbegleiterin, fast 16 Jahre lang. Doch nach der Einstellung des Flugbetriebs ist nun natürlich alles anders.
Eine unsichere Übergangsphase - vor allem für die ehemalige Flugbegleiterin. Denn sie gehört zu jenen Mitarbeitern, die erst einmal nur eine widerrufliche Freistellung bekommen haben, keine Kündigung. Arbeitsrechtlich eine Art Warteposition. Rein formell besteht das Arbeitsverhältnis fort, das Beschäftigungsverhältnis ist jedoch beendet:

Nicht arbeitslos, aber der Arbeitgeber zahlt nicht

"Ich bin im Endeffekt noch nicht arbeitslos. Freigestellt - mit einer möglichen Option, dass der Arbeitgeber einen zurückholt, was aber nicht passieren wird. Aufgrund der weiteren Ereignisse, wie der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etc. Und der Arbeitgeber wird nichts zahlen zum Monatsende November."
So wie der 38jährigen ergeht es derzeit Hunderten von Air Berlin-Mitarbeitern. Viele sind über soziale Netzwerke weiterhin in Kontakt. Und die wenigsten wissen, wie sie mit dem Status der widerruflichen Freistellung umgehen sollen. Klärungsbedarf:
"Verschiedene Anwälte raten zu unterschiedlichen Dingen. Man muss halt selber für sich eine Entscheidung treffen. Und wenn man darüber geschlafen hat, dann hat man am nächsten Tag wieder Bauchschmerzen. Und denkt Mist."
Die Sache ist kompliziert, sagt auch Christoph Möller, Leiter der Arbeitsagentur Berlin Nord. Denn aufgrund der widerruflichen Freistellungen haben sich wohl bislang auch deutlich weniger Air Berliner arbeitslos gemeldet als erwartet.

Widerrufliche Freistellungen sind selten

"Widerrufliche Freistellungen erleben wir sehr selten, und insbesondere auch in Insolvenzverfahren. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, warum ein Unternehmen das macht. Mein Eindruck von Air Berlin ist, dass der Grund für eine widerrufliche Freistellung der ist, dass intern die Gespräche mit den Personalvertretungen noch gar nicht abgeschlossen sind. Über Sozialplanmaßnahmen und dergleichen. Und das würde eine unwiderrufliche Freistellung, eine Kündigung, dann erst ermöglichen."
Auch das Unternehmen Air Berlin verweist auf noch laufende Verhandlungen mit den Personalvertretungen, erst dann könne eine Kündigung erfolgen. Wahrscheinlich aber noch im November.
Für Romy Menslin bedeutet jedoch jeder Tag unter dem Status der widerruflichen Freistellung kein Geld - kein Lohn, kein Arbeitslosengeld und es werden auch keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Weshalb sie sich in dieser Woche nun doch arbeitslos gemeldet hat. Die meisten Arbeitsrechtler halten diesen Schritt für richtig. Die Flugbegleiterin hofft, dass ihr dadurch aber keine weiteren Nachteile entstehen, etwa bei späteren Abfindungsfragen.

Auch Arbeitsrechtler wissen nicht genau weiter

Bei Markus Menslin ist die Situation anders. Auch er ist nicht gekündigt worden, wird aber im Gegensatz zu seiner Frau weiterbeschäftigt, zumindest noch bis Ende Januar. Der 51jährige soll nun am Telefon bei der in Abwicklung befindlichen Air Berlin sitzen. Als Mitarbeiter in der sogenannten Gläubiger-Hotline:
"Das heißt, ich kriege dann die ganzen Anrufer aufs Telefon - von den Gläubigern, die noch hoffen Geld von Air Berlin zu bekommen - von Fluggästen, Lieferanten etc. Die verweise ich dann auf die Insolvenz-Homepage von Air Berlin. Ob das ein erfüllender Job ist, weiß ich noch nicht genau. Ich kann mir vorstellen, dass die Leute nicht besonders gut gelaunt sind."
Auf dem Küchentisch von Familie Menslin liegen derzeit viele Unterlagen. Und natürlich schauen sich die beiden auch längst Stellenanzeigen an. Markus Menslin entdeckt einiges, was vielleicht passen könnte, aber:

Köln, Stuttgart oder Hamburg - und was wird aus der Tochter?

"Ja, Köln, Stuttgart und Hamburg. Das sind die Stationen, wo ich mich als Bodenmitarbeiter bewerben könnte. Auf Probezeit, ein halbes Jahr. Und dann ziehe für ein halbes Jahr beispielsweise schon mal nach Köln. Meine Familie? Meine Frau - arbeitslos, sitzt zu Hause mit den Kindern. Meine Tochter ist auch nicht in dem Alter, wo man die Kleine allein lassen könnte, sie ist in der ersten Klasse, 6 Jahre alt. Also: Irgendwie alles nicht befriedigend."
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