Ai Weiwei: "1000 Jahre Freud und Leid"

Autobiografische Aufarbeitung der Familiengeschichte

06:23 Minuten
Ai Weiwei steht zwischen zwei Bäumen und blickt skeptisch in die Ferne.
Ai Weiwei hat sich in seiner Autobiografie viel mit dem eigenen Vater beschäftigt. © imago / Zuma Wire / Teresa Nunes
Ruth Kirchner im Gespräch mit Andrea Gerk · 01.11.2021
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Der chinesische Künstler Ai Weiwei hat seine Autobiografie veröffentlicht. Zeitgeschichte und persönliche Geschichte seien hier auf sehr spannende Art verknüpft, sagt die langjährige China-Korrespondentin Ruth Kirchner.
Auch wenn die chinesischen Behörden und Medien heutzutage versuchen, ihn totzuschweigen – Ai Weiwei ist der bekannteste zeitgenössische Chinesische Künstler. Vor zehn Jahren saß er in seiner Ex-Heimat in Haft, weil er sich immer wieder für Meinungsfreiheit und Menschenrechte eingesetzt hatte. Über die Zeit der politischen Verfolgung, aber auch über seine Kindheit unter Mao Zedong und über seinen Vater hat er in seiner Autobiografie geschrieben.

Ärmliche Kindheit in der Verbannung

Der Buchtitel ist ein Zitat aus einem Gedicht seines Vaters, sagt die ehemalige China-Korrespondentin Ruth Kirchner. Die Idee zum Buch sei Ai Weiwei 2001 während seiner Inhaftierung in China gekommen. "Da hat er sehr viel über seine dramatische Familiengeschichte nachgedacht und sich dann entschieden, seinem Vater Ai Qing mit einem Buch ein Vermächtnis zu schaffen und auch seinem eigenen Sohn die Geschichte der Familie aufzuschreiben."
Ai Qing sei in China ein sehr berühmter Dichter gewesen, der anfangs die Kommunistische Partei unter Mao unterstützt habe, dann aber in Ungnade gefallen, gedemütigt und in die Provinz Xinjiang verbannt worden sei. Xinjang liegt im äußersten Nordwesten der Volksrepublik China. Hier sei der Sohn Ai Weiwei dann aufgewachsen.
"Ai Qing musste da Latrinen putzen, und die Familie hat in sehr ärmlichen Verhältnissen gelebt, in einer Art Erdhöhle. Das hat Ai Weiwei sehr geprägt." Zeitgeschichte und persönliche Geschichte seien in seinem faktenreichen Buch mit vielen historischen Details ganz eng verknüpft, sagt Kirchner.

Wie der Vater, so der Sohn

Das ist sehr spannend zu lesen, weil es etwas ist, was im heutigen China nicht erinnert werden darf: die leidvollen Erfahrungen, der brutale Umgang der Kommunistischen Partei mit Leuten, die nicht auf Linie geblieben sind." Das Buch sei eine Art Aufarbeitung der Familiengeschichte sowie der Geschichte der Kunst und der Künstler unter Mao Zedong.
Im zweiten Teil der Autobiografie gehe es dann um Ai Weiweis künstlerischen Werdegang und seine Auseinandersetzungen mit den chinesischen Behörden, "wo sich dann die Geschichte fast ein bisschen wiederholt. So wie der Vater verfolgt worden ist, so wird jetzt der Sohn viele Jahrzehnte später auch verfolgt, weil er sich eben nicht anpassen will."

Ai Weiwei: "1000 Jahre Freud und Leid. Erinnerungen"
Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz, Elke Link
Penguin Random House 2021
416 Seiten, 38 Euro

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