Ahmadiyya-Gemeinde in Berlin

Neujahrsempfang nach dem Terrorschock

Der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland, Amir Abdullah Uwe Wagishauser, spricht während des Neujahrsempfangs in der Khadija Moschee in Berlin.
Der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland, Amir Abdullah Uwe Wagishauser © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Von Kemal Hür  · 22.01.2015
Eigentlich sollte es der übliche Neujahrsempfang in lockerer Atmosphäre werden. Doch nach den Anschlägen von Paris standen bei der Veranstaltung in der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in Berlin-Heinersdorf statt Festreden Diskussionen über Terror im Vordergrund.
Dort, wo sonst Männer beten, sind auf dem Teppich Stühle aufgereiht. Im Gebetsraum der Khadija-Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde lauschen 150 Menschen einer kurzen Rezitation aus dem Koran. Links und rechts informieren Bildtafeln über den Islam. Unter den Gästen befinden sich Nachbarn, Politiker der verschiedenen Parteien, der Christen, Buddhisten und Juden.
Vertreter anderer muslimischer Verbände sind der Einladung der Ahmadiyya-Gemeinde nicht gefolgt. Der Bundesvorsitzende Amir Abdullah Uwe Wagishauser nimmt es gelassen.
"Wir können damit leben. Ich meine, es verändert sich da langsam etwas."
Annäherungen zwischen Reformern und Orthodoxen
Die Ahmadiyya versteht sich als Reformgemeinde und wird vom orthodoxen Islam abgelehnt. Aber es gibt erste Annäherungen: In Hessen organisieren die Ahmadiyya und der größte muslimische Verband DITIB den islamischen Religionsunterricht gemeinsam.
Ahmadiyya-Vertreter haben nach dem Pariser Attentat an der Mahnwache der Islamverbände am Brandenburger Tor teilgenommen. Dieses Attentat veränderte auch die Tagesordnung beim Neujahrsempfang. Statt Festreden steht der Terror im Zentrum. Die Ahmadiyya-Lehre interpretiert die zu Gewalt aufrufenden Suren im Koran im historischen Kontext. Diese Stellen beziehen sich auf die Kriegssituation zu Zeiten von Mohammed, also im 7. Jahrhundert, sagt Wagishauser.
"Das Problem ist, dass Gruppen wie Boko Haram solche Stellen missbrauchen, einfach eine selektive Wahrnehmung machen. Aber ich glaube, manchmal könnte man das auch viel einfacher erklären, dass diese Gruppen – denen geht es um Macht! Denen geht es um politischen Einfluss. Und da wird die Religion einfach missbraucht, ganz bewusst."
Über das Thema Gewalt soll ein offener theologischer Diskurs innerhalb des Islam geführt werden, sagt Wagishauser. Das werde an den neuen Zentren für Islamische Theologie wie in Münster und Osnabrück bereits getan und sei der richtige Weg. Man könne auch über Karikaturen diskutieren. Gewalt aber sei nie eine Antwort, auch wenn religiöse Gefühle verletzt werden.
"Man muss eine bestimmte Zeitschrift nicht kaufen"
Der Landesrabbiner der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein, Walter Rothschild, hat darauf eine einfache Empfehlung:
"Man muss eine bestimmte Zeitschrift nicht kaufen. Man muss eine bestimmte Website nicht anschauen. Für mich als Engländer - und auch für Juden – ist Humor sehr, sehr wichtig. Es gibt Grenzen, aber die sind viel, viel weiter weg als für die meisten Menschen. In meiner Erfahrung viele von den Muslimen, aber auch viele fundamentalistische Christen, die sind beleidigt viel zu früh."
Ahmadiyya-Vertreter, wie auch viele andere Muslime, sehen sich in einem Dilemma: Sie fühlen sich als Muslime und Minderheit gekränkt. Und sie würden für die terroristischen Taten von Islamisten mitverantwortlich gemacht, sagen sie.
Auf dem Neujahrsempfang gibt es aber Solidaritätsbekundungen politischer Parteien genauso wie der Kirchen. Ruth Misselwitz, Pfarrerin einer benachbarten Kirche, arbeitet mit der Ahmadiyya-Moschee seit ihrem Bau vor acht Jahren in Projekten zusammen.
"Für mich war das heute schon wichtig, auch ein Zeichen zu setzen, dass wir uns nicht auseinander dividieren lassen, dass wir unterscheiden zwischen Islamisten und wirklich gläubigen Muslimen."
Diese Unterscheidung sei in Berlin-Heinersdorf gut gelungen, sagen Gemeinde-Mitglieder. Vor acht Jahren hatte es massive Widerstände gegen den Bau der Moschee gegeben. Heute spielten Kinder aus der Nachbarschaft und der Gemeinde gemeinsam auf dem Spielplatz, den die Ahmadiyya neben der Moschee gebaut habe.
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