Ahmadinedschad zum Zweiten

Von Annette Riedel |
Der neue Präsident Irans ist der alte Präsident Irans: Mahmud Ahmadinedschad – den Protesten seiner Konkurrenten um das Amt und der Zivilgesellschaft zum Trotz. War also alles umsonst?
Haben die Demonstrationen auf den Straßen Teherans und in anderen Städten des Landes lediglich zu der furchtbaren Konsequenz geführt, dass sie Dutzende Demonstranten ihr Leben und viele andere ihre Freiheit gekostet haben?

Nein, es war nicht alles umsonst. Auch wenn die Revolution (erst einmal) ausgeblieben ist – die Protestierenden haben den Machthabern das Fürchten gelehrt. Die Geschichte des Landes zeigt, dass das Volk sehr wohl Regime stürzen, Gesetze zu Fall bringen kann. Viele von denjenigen, die vor 30 Jahren den Sturz des Schahs erzwungen haben und vor allem die Kinder der Revolutionäre von damals, sind jetzt gegen den fundamental-traditionalistischen Teil der Führungselite der islamischen Republik aufgestanden, der gegen Wandel ist.

Und Wandel zu mehr Rechten und mehr Freiheiten wollen Millionen Iraner. Heute nicht weniger als vor Beginn der Proteste. Im Gegenteil. Die Zweifel an der Legitimität der Wahlen in Iran selbst und die andauernden Proteste haben den neuen alten Präsidenten zu Beginn seiner zweiten Amtszeit geschwächt – auch im eigenen Lager.

Ein schwacher Ahmadinedschad könnte ein noch unberechenbarerer Ahmadinedschad sein. Vielleicht wird er zugunsten des eigenen Machterhalts mittelfristig versuchen, mit moderaten Zugeständnissen den anhaltenden Druck im „Dampfkochtopf Zivilgesellschaft“ zu begrenzen, um eine explosive Druckentladung, die dann doch noch zu einer Revolution werden könnte, zu verhindern. Im ungünstigeren Fall wird er nicht etwa den Druck zu regulieren versuchen sondern sozusagen den Deckel verstärken – mit allen Instrumenten der Repression.

So klug es war, dass die internationale Gemeinschaft sich weitgehend aus der Diskussion um die Betrugsvorwürfe herausgehalten hat, so wichtig ist es, dass der Rest der Welt nicht nachlässt, die Stimme dann sehr hörbar zu erheben, wenn die Menschen in Iran an der Wahrnehmung demokratischer Rechte gehindert werden – noch dazu mit Gewalt oder juristisch äußerst fragwürdigen Mitteln und Prozessen.

Man darf die Menschen, die in Iran auf die Straße gehen, nicht allein lassen und enttäuschen und zu diplomatischem ‚business as usual’ übergehen.

Insofern haben die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident wie ihre Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern richtig gehandelt, wenn sie Ahmadinedschad nicht zu seiner Wiederwahl beglückwünscht und damit ein diplomatisches Zeichen gesetzt haben. Streiten kann man darüber, ob es vor diesem Hintergrund mehr nutzt oder mehr schadet, dass auch Diplomaten aus EU-Ländern an der Vereidigungszeremonie teilgenommen haben.

Aber bis auf Weiteres heißt der Präsident Irans nun mal Mahmud Ahmadinedschad. Und wer mit Iran über die Atomfrage und über regionale Spannungsherde – Irak, Pakistan, Afghanistan – reden will, reden muss, kommt an dem Mann und seinem Machtapparat letztlich nicht vorbei. Zumal die umfassende zivile Nutzung der Kernenergie für alle Iraner eine Frage des nationalen Prestiges ist. Nicht nur für die Regierenden. Vollkommen unumstritten auch, dass Iran eine wichtige Regionalmacht ist.

Also: Gratulieren muss man nicht, reden schon.