Aha-Erlebnis am Cello

Von Franziska Schiller |
Sie liefern große Gefühle, vielleicht sogar unvergessliche Glücksmomente - und zahlen einen hohen Preis dafür. Denn wenn der Körper versagt, kann das für Musiker den schnellen Abschied aus dem Beruf bedeuten. Der Therapeut Don Weed hilft ihnen, wieder locker und frei zu werden.
Don Weed: "Wer ist dran …?"

In der Mitte des "Alten Saales" in der Freien Waldorfschule Darmstadt steht Don Weed; um ihn herum 30 Seminarteilnehmer. Der untersetzte Amerikaner wartet, bis sich einer zu ihm aufs Podium traut:

Ayelet Karni: "Ich würde gerne spielen. Ich hole mein Instrument."

Don Weed: " Da ist sie. Hurra!"

Schließlich kommt Ayelet Karni nach vorne. Die Israelin aus Haifa hat beim Spielen oft Schmerzen. Das war für sie der Grund, schon während des Studiums in Basel mit der Alexander-Technik zu beginnen. Und seit sie Don Weed mit seiner "Interaktiven Unterrichtsmethode" kennengelernt hat, kommt sie zu seinen Workshops nach Darmstadt. Die eigenen hinderlichen Denk- oder Bewegungsmuster zu erkennen und dann umzulernen: Darum geht es.

Die junge Frau wirkt angestrengt, als sie ihre schwere Barock-Oboe anhebt. Während sie spielt, beginnt Kursleiter Don Weed, ihre angespannten Arme und den Schulterbereich mit seinen Händen zu lockern. Schließlich drückt er ihr sanft das Kinn nach unten gegen den Hals.

- "So kann ich glaube ich nicht spielen."
- "Doch, ich bin sicher du kannst es!"
- "Aber ich kann nicht schlucken!"
- "Oh, du hast Recht! Es gibt nichts Besseres, als mitten in der Melodie ausgiebig zu schlucken!"

Es ist Don Weeds unverwüstlicher Humor, der das Eis bricht und zum Konzept seiner "Interaktiven Unterrichtsmethode" gehört. In breitem amerikanischen Englisch erklärt er, dass "FUN" - wie er sagt - die beste Form von Lernen sei: nämlich der "Spaß" daran, etwas Neues zu erfahren. Und es funktioniert, die Spannung weicht. Mit präzisen Handgriffen verhindert Weed, Lehrer und Schauspieler mit Chiropraktiker-Ausbildung, genau die Bewegungen, die bei der jungen Musikerin Verspannungen auslösen. Unbeirrt drückt er ihr Kinn in Richtung Hals und bittet sie, nochmals zu spielen.

Don Weed: "Wir sind hier beide ganz allein. Wenn es nicht funktioniert, weiß es ja keiner."

Ayelet Karni spielt.
Einer der 30 Leute, die gerade aufmerksam zuhören, ist Stefan Welsch. Ein sportlicher Typ mit rahmenloser Brille. Er ist professioneller Cellist und Lehrer am renommierten Landesmusikgymnasium in Montabaur, Rheinland-Pfalz. Seit mehreren Jahren koordiniert er Don Weeds Alexander-Technik-Workshops in Deutschland.

Stefan Welsch: "Das war ein ziemliches Aha-Erlebnis, vor 21 Jahren. Die zweite Stunde habe ich an meinem Instrument gehabt. Am Cello. Und nach der Stunde hat jemand zu mir gesagt, der Unterschied der rausgekommen ist, wäre der Unterschied zwischen einem Studenten und einem Professor. Das Gehalt eines Professors hat mir gefallen, sage ich immer im Spaß, aber da war etwas, was mich hellhörig gemacht hat. Zumal Don Weed damals gesagt hat: Es war es nicht so, dass er mir irgendeinen Input gegeben hat - was ich vorher nicht selber gemacht habe. Sondern er hat mich dazu geführt, Sachen, die mich bremsen, nicht mehr zu machen."

Beim Mittagessen steht Frederick M. Alexander im Mittelpunkt, der Begründer der Alexander-Technik. Unter den Schülern der Alexander-Technik ist übrigens auch Israels erster Premier Ben Gurion gewesen.

Don Weed: "Was Mister Alexander von anderen Leuten unterscheidet, ist Beharrlichkeit! Oft sieht man die vielen Schwierigkeiten und kapituliert, Alexander machte weiter, wo viele längst aufgegeben hätten. Mein Lieblingszitat von ihm ist in seinem dritten Buch. Er schreibt, dass eine seiner neuen Ideen wieder nicht funktioniert hat, und er sagt: 'Da gibt es nur eines: Durchhalten!' "

Ausgehend von Alexander-Technik hat Don Weed seine Interaktive Unterrichtsmethode - kurz ITM - entwickelt. Die ITM vermittelt Alexander-Technik in offener Form - mit Vorträgen, Diskussionsrunden und Einzel-Sitzungen vor Publikum: Wie im Lernlabor soll das funktionieren. Gemeinsames Lernen von- und miteinander ist das Motto.

Don Weed: "Gibt es Fragen? Wer hat Fragen?"

Warum ist in der Alexander-Technik die die Beziehung zwischen Kopf und Körper so zentral, so wichtig? Stefan komm doch mal nach vorne. Ich will euch mal zeigen, wie das aussieht, wenn wir die Halsmuskeln anspannen.

Um den schwarzen Flügel im Alten Saal haben sich nun alle für die nächste Session versammelt. Auf dem Podium: Pilar Carvajal aus dem spanischen Galizien. Die zierliche Bratschistin mit dem Kurzhaarschnitt berichtet, wie ihr die Alexander-Technik auch bei einem Tabuthema unter Musikern geholfen hat. Ihr Problem war: Lampenfieber.

Pilar Carvajal: " Ich hatte das Gefühl, das Instrument ist einfach sehr schwer und es ist einfach ein Mangel an Können und das wird ich wohl nicht mehr hinkriegen, das war die Idee, die ich damals in meinem Studium hatte so ein großer Berg vor mir. Und da wurde es mir klar, es gibt sehr vieles, was eigentlich gar nichts mit diesen musikalischen Fähigkeiten oder mit den rein technischen Schwierigkeiten zu tun hat, sondern mit den Ideen, die ich beim Spielen habe. Und die mich bremsen oder es mir wirklich unmöglich machen, meine Fähigkeiten zu entfalten."

Fünf Tage dauern die Sommerworkshops mit Don Weed in Darmstadt. 450 Euro zahlen die Teilnehmer.