"Afrika wird nicht durch Entwicklungshilfe gerettet"
Die Grünen-Politikerin Uschi Eid hat die Große Koalition aufgefordert, sich wirtschaftlich stärker in Afrika zu engagieren. Die Bundesregierung hätte schon länger beginnen können, Wirtschaftsreformen zu unterstützen, sagte Eid zur Afrika-Reise von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Jörg Degenhardt: Kein Mitleid bringe sie dem Kontinent entgegen, sondern eine sehr große Aufgeschlossenheit. Und das Bewusstsein, dass man Afrika helfen kann, dass man es aber auch fordern muss, so die Bundeskanzlerin heute in der Wochenzeitung "Die Zeit".
Erste Station ihrer ersten großen Afrikareise ist Äthiopien, in den nächsten Tagen kommen dann noch Südafrika und Liberia hinzu. Begleitet wird Frau Merkel von einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation, vom Manager der deutschen Fußballnationalmannschaft Oliver Bierhoff - schließlich führt die Route ja auch in das nächste WM-Gastgeberland - und von Uschi Eid.
Die grüne Bundestagsabgeordnete war bis 2005 parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungshilfeministerium, außerdem die G8-Afrika-Beauftragte des ehemaligen Bundeskanzlers. Einen guten Morgen nach Addis Abeba.
Uschi Eid: Ja, guten Morgen.
Degenhardt: Das Letzte, was wir hier vom afrikanischen Kontinent gehört haben, was für Schlagzeilen gesorgt hat, waren die gewaltigen Überschwemmungen von Westafrika bis nach Kenia und Uganda. Ist Afrika bei allen Fortschritten immer noch und zuerst ein Sorgenfall?
Eid: Ich glaube, das ist auch eine Frage, wie man auf diesen Kontinent schaut, mit welcher Wahrnehmung man diesen Kontinent beurteilt. Ich glaube, dass man sehr schnell geneigt ist, Dinge, die hier passieren, immer gleich als Katastrophe zu bezeichnen.
Wir porträtieren diesen Kontinent immer nur unter dem Gesichtspunkt, dass hier das Chaos herrscht, dass hier Bürgerkrieg herrscht, dass hier Pandemien wie AIDS die Menschheit dahinrafft. Das stimmt zwar alles in gewisser Weise, aber es gibt auch eine andere Seite Afrikas, ein Afrika, was versucht, sich zu modernisieren, zu reformieren, es gibt hier eine neue politische Dynamik.
Und ich glaube, wir müssen das endlich zur Kenntnis nehmen. Und ich bin froh, dass es in den letzten zehn Jahren doch einige in Europa und auch einige G8-Staaten gab, die diese neue Dynamik zur Kenntnis genommen haben, und natürlich auch gesagt haben, jetzt ist es wirklich Zeit, mit Afrika zu kooperieren.
Degenhardt: Wenn man sich ein wenig näher mit der Materie beschäftigt, dann fällt auf, dass sich beispielsweise China schon sehr stark, insbesondere in den letzten Jahren, in Afrika engagiert hat und engagiert. Ist dies bereits zu Lasten etwa der Europäer, speziell auch der Deutschen, geschehen?
Eid: Ich glaube, das ist ein völlig anderer Ansatz. Also, was wir in den letzten Jahren - ich sage mal, so bis vor fünf, sieben Jahren - gemacht haben, war Afrika immer nur als Entwicklungshilfeempfänger-Kontinent zu sehen.
Aber die Afrikaner selber haben sich ja verändert. Es gab ganz grundlegende Veränderungen in der politischen Haltung, in der Geisteshaltung, sie haben eine neue Friedens- und Sicherheitsarchitektur aufgebaut, sie wollen also selber Friedensmissionen entsenden, um Frieden zu schaffen, es gibt Reformstaaten. Und ich glaube, die Afrikaner zwingen uns auch, nun endlich auch zu akzeptieren, dass Afrika ein Wirtschaftspartner sein könnte.
Das haben die Chinesen viel früher erkannt, gehen natürlich auch rigoroser um, fragen nicht nach Menschenrechten. Aber ich glaube, wenn wir Europäer Afrika auch als Potenzial gesehen hätten, hätten wir schon viel früher auch wirtschaftlich kooperieren können. Und ich bin froh, dass die Bundeskanzlerin diese Wirtschaftsdelegation mitgenommen hat, obwohl deutsche Unternehmer immer noch sehr zögerlich sind, in Afrika zu investieren.
Degenhardt: Verstehe ich Sie richtig, Frau Eid, dass die Deutschen vielleicht ein wenig spät Flagge in Afrika zeigen? Immerhin - auch diese Kanzlerin regiert schon zwei Jahre, und jetzt erst diese große Afrikareise.
Eid: Sehe ich so, aber natürlich hat Afrika auch sehr langsam begonnen, Reformen durchzuführen. Hier gibt es eine überbordende Bürokratie, Rechtsstaatlichkeit ist nicht immer gegeben, auch Vertragssicherheit, Eigentumsrechte sind nicht immer gesichert. Trotzdem meine ich, dass wir schon länger hätten damit beginnen können, Wirtschaftsreformen zu unterstützen, auch Unternehmen hier in Afrika zu unterstützen, damit ihre Produkte konkurrenzfähig werden, Rahmenbedingungen mit schaffen zu helfen, dass eben auch ausländische Investoren hierher kommen.
Denn, wissen Sie, Hilfe ist manchmal nötig, aber Hilfe rettet nicht den Kontinent, sondern hier müssen Arbeitsplätze geschaffen werden, es muss ein Mittelstand geschaffen werden, damit Menschen Arbeit haben, damit der Staat Steuern einnehmen kann. Und dann auch selber die eigenen Ressourcen nutzen kann um zu investieren, um soziale Dienstleistungen auch hier in den eigenen Staaten zu etablieren, damit die Menschen ein besseres Leben haben. Der Kontinent kann nicht durch Entwicklungshilfe gerettet werden.
Degenhardt: Nicht nur Sie, Frau Eid, sitzen bei Frau Merkel im Flieger, sondern - ich habe es eingangs gesagt - auch viele hochkarätige Wirtschaftsmanager. Wo sehen Sie denn für die deutsche Wirtschaft besonders günstige Chancen in Afrika?
Eid: Ich glaube, im Moment, bei dieser Reise, wird die Wirtschaftsthematik hauptsächlich in Südafrika eine Rolle spielen, denn hier in Äthiopien ... Natürlich gibt es auch hier die Möglichkeit, wir wissen, Äthiopien hat einen sehr guten Kaffee, also, die Frage, muss man Kaffee, den Rohkaffee, nach Europa exportieren und dann dort rösten oder kann nicht hier eine verarbeitende Industrie aufgebaut werden, also, ich glaube, hier gibt es Potenzial.
Aber im Moment ist natürlich Südafrika der Wirtschaftsmotor des südlichen Afrikas, und da werden sich die Wirtschaftsunternehmer, die hier dabei sind, werden sich auf dieses Land konzentrieren. Aber die Frage ist natürlich auch, ob man in Liberia - ein Land, was sich in einer Nachkriegsphase befindet, was sich entwickeln möchte -, ob es nicht da auch Ansätze gibt.
Problem ist natürlich auch, dass wir in der Bundesrepublik keine Industrie haben, die im Rohstoffsektor tätig ist, und viele afrikanische Staaten haben eben hauptsächlich Rohstoffe anzubieten. Aber, wie gesagt, verarbeitende Industrie muss hier aufgebaut werden, und ich glaube, da können die deutschen Unternehmen auch was bieten.
Degenhardt: Gerade Äthiopien, das Land, in dem Sie sich jetzt gerade aufhalten, dies ist ja ein Land - ich sage es mal so - zwischen Aufschwung und Diktatur. Werden denn auf dieser Reise neben diesen Wirtschaftsfragen auch Menschenrechtsverletzungen anzusprechen sein, wie auch Fälle von Korruption, die es ja nach wie vor auch gerade in Afrika ganz stark gibt?
Eid: Die Bundeskanzlerin wird ja zuallererst dann auch heute Mittag bei der Afrikanischen Union eine Rede halten und damit natürlich auch Gesamtafrika Respekt zollen. Hier werden die Themen angesprochen, die Frage, wie geht man um mit Dafur - ich hoffe auch, dass die Kanzlerin hier noch mal zusagt, dass wir die Dafur-Friedensmission unterstützen.
Es geht um die Stärkung der Afrikanischen Unionsmission in Somalia, damit hier die Konflikte eingehegt werden. Natürlich die Frage der Reformen, Korruption muss bekämpft werden und ich finde, wir müssen die Staaten, die ernsthafte Schritte machen, Korruption zu bekämpfen, in ihren Bemühungen unterstützen. Wir müssen Staaten helfen, zum Beispiel Katasterämter einzurichten, damit Eigentumsrechte auch verbrieft werden langfristig. Denn ich glaube, das Eigentumsrecht ist an sich der springende Punkt, damit sich in afrikanischen Staaten auch was entwickeln kann.
Menschenrechte hier in Äthiopien, Frage der Meinungsfreiheit - ich meine, es ist gut, dass jetzt die Oppositionellen amnestiert worden sind, das ist hier eine sehr kritische Phase, in der sich Äthiopien befindet, aber das war ein gutes Zeichen. Ich denke da auch, dass die Kanzlerin die äthiopische Regierung auch daraufhin anspricht, auch anmahnt, dass hier der Prozess weitergeht und das Parlament auch in seiner Bedeutung seine Rolle hier übernehmen kann in der Zukunft.
Erste Station ihrer ersten großen Afrikareise ist Äthiopien, in den nächsten Tagen kommen dann noch Südafrika und Liberia hinzu. Begleitet wird Frau Merkel von einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation, vom Manager der deutschen Fußballnationalmannschaft Oliver Bierhoff - schließlich führt die Route ja auch in das nächste WM-Gastgeberland - und von Uschi Eid.
Die grüne Bundestagsabgeordnete war bis 2005 parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungshilfeministerium, außerdem die G8-Afrika-Beauftragte des ehemaligen Bundeskanzlers. Einen guten Morgen nach Addis Abeba.
Uschi Eid: Ja, guten Morgen.
Degenhardt: Das Letzte, was wir hier vom afrikanischen Kontinent gehört haben, was für Schlagzeilen gesorgt hat, waren die gewaltigen Überschwemmungen von Westafrika bis nach Kenia und Uganda. Ist Afrika bei allen Fortschritten immer noch und zuerst ein Sorgenfall?
Eid: Ich glaube, das ist auch eine Frage, wie man auf diesen Kontinent schaut, mit welcher Wahrnehmung man diesen Kontinent beurteilt. Ich glaube, dass man sehr schnell geneigt ist, Dinge, die hier passieren, immer gleich als Katastrophe zu bezeichnen.
Wir porträtieren diesen Kontinent immer nur unter dem Gesichtspunkt, dass hier das Chaos herrscht, dass hier Bürgerkrieg herrscht, dass hier Pandemien wie AIDS die Menschheit dahinrafft. Das stimmt zwar alles in gewisser Weise, aber es gibt auch eine andere Seite Afrikas, ein Afrika, was versucht, sich zu modernisieren, zu reformieren, es gibt hier eine neue politische Dynamik.
Und ich glaube, wir müssen das endlich zur Kenntnis nehmen. Und ich bin froh, dass es in den letzten zehn Jahren doch einige in Europa und auch einige G8-Staaten gab, die diese neue Dynamik zur Kenntnis genommen haben, und natürlich auch gesagt haben, jetzt ist es wirklich Zeit, mit Afrika zu kooperieren.
Degenhardt: Wenn man sich ein wenig näher mit der Materie beschäftigt, dann fällt auf, dass sich beispielsweise China schon sehr stark, insbesondere in den letzten Jahren, in Afrika engagiert hat und engagiert. Ist dies bereits zu Lasten etwa der Europäer, speziell auch der Deutschen, geschehen?
Eid: Ich glaube, das ist ein völlig anderer Ansatz. Also, was wir in den letzten Jahren - ich sage mal, so bis vor fünf, sieben Jahren - gemacht haben, war Afrika immer nur als Entwicklungshilfeempfänger-Kontinent zu sehen.
Aber die Afrikaner selber haben sich ja verändert. Es gab ganz grundlegende Veränderungen in der politischen Haltung, in der Geisteshaltung, sie haben eine neue Friedens- und Sicherheitsarchitektur aufgebaut, sie wollen also selber Friedensmissionen entsenden, um Frieden zu schaffen, es gibt Reformstaaten. Und ich glaube, die Afrikaner zwingen uns auch, nun endlich auch zu akzeptieren, dass Afrika ein Wirtschaftspartner sein könnte.
Das haben die Chinesen viel früher erkannt, gehen natürlich auch rigoroser um, fragen nicht nach Menschenrechten. Aber ich glaube, wenn wir Europäer Afrika auch als Potenzial gesehen hätten, hätten wir schon viel früher auch wirtschaftlich kooperieren können. Und ich bin froh, dass die Bundeskanzlerin diese Wirtschaftsdelegation mitgenommen hat, obwohl deutsche Unternehmer immer noch sehr zögerlich sind, in Afrika zu investieren.
Degenhardt: Verstehe ich Sie richtig, Frau Eid, dass die Deutschen vielleicht ein wenig spät Flagge in Afrika zeigen? Immerhin - auch diese Kanzlerin regiert schon zwei Jahre, und jetzt erst diese große Afrikareise.
Eid: Sehe ich so, aber natürlich hat Afrika auch sehr langsam begonnen, Reformen durchzuführen. Hier gibt es eine überbordende Bürokratie, Rechtsstaatlichkeit ist nicht immer gegeben, auch Vertragssicherheit, Eigentumsrechte sind nicht immer gesichert. Trotzdem meine ich, dass wir schon länger hätten damit beginnen können, Wirtschaftsreformen zu unterstützen, auch Unternehmen hier in Afrika zu unterstützen, damit ihre Produkte konkurrenzfähig werden, Rahmenbedingungen mit schaffen zu helfen, dass eben auch ausländische Investoren hierher kommen.
Denn, wissen Sie, Hilfe ist manchmal nötig, aber Hilfe rettet nicht den Kontinent, sondern hier müssen Arbeitsplätze geschaffen werden, es muss ein Mittelstand geschaffen werden, damit Menschen Arbeit haben, damit der Staat Steuern einnehmen kann. Und dann auch selber die eigenen Ressourcen nutzen kann um zu investieren, um soziale Dienstleistungen auch hier in den eigenen Staaten zu etablieren, damit die Menschen ein besseres Leben haben. Der Kontinent kann nicht durch Entwicklungshilfe gerettet werden.
Degenhardt: Nicht nur Sie, Frau Eid, sitzen bei Frau Merkel im Flieger, sondern - ich habe es eingangs gesagt - auch viele hochkarätige Wirtschaftsmanager. Wo sehen Sie denn für die deutsche Wirtschaft besonders günstige Chancen in Afrika?
Eid: Ich glaube, im Moment, bei dieser Reise, wird die Wirtschaftsthematik hauptsächlich in Südafrika eine Rolle spielen, denn hier in Äthiopien ... Natürlich gibt es auch hier die Möglichkeit, wir wissen, Äthiopien hat einen sehr guten Kaffee, also, die Frage, muss man Kaffee, den Rohkaffee, nach Europa exportieren und dann dort rösten oder kann nicht hier eine verarbeitende Industrie aufgebaut werden, also, ich glaube, hier gibt es Potenzial.
Aber im Moment ist natürlich Südafrika der Wirtschaftsmotor des südlichen Afrikas, und da werden sich die Wirtschaftsunternehmer, die hier dabei sind, werden sich auf dieses Land konzentrieren. Aber die Frage ist natürlich auch, ob man in Liberia - ein Land, was sich in einer Nachkriegsphase befindet, was sich entwickeln möchte -, ob es nicht da auch Ansätze gibt.
Problem ist natürlich auch, dass wir in der Bundesrepublik keine Industrie haben, die im Rohstoffsektor tätig ist, und viele afrikanische Staaten haben eben hauptsächlich Rohstoffe anzubieten. Aber, wie gesagt, verarbeitende Industrie muss hier aufgebaut werden, und ich glaube, da können die deutschen Unternehmen auch was bieten.
Degenhardt: Gerade Äthiopien, das Land, in dem Sie sich jetzt gerade aufhalten, dies ist ja ein Land - ich sage es mal so - zwischen Aufschwung und Diktatur. Werden denn auf dieser Reise neben diesen Wirtschaftsfragen auch Menschenrechtsverletzungen anzusprechen sein, wie auch Fälle von Korruption, die es ja nach wie vor auch gerade in Afrika ganz stark gibt?
Eid: Die Bundeskanzlerin wird ja zuallererst dann auch heute Mittag bei der Afrikanischen Union eine Rede halten und damit natürlich auch Gesamtafrika Respekt zollen. Hier werden die Themen angesprochen, die Frage, wie geht man um mit Dafur - ich hoffe auch, dass die Kanzlerin hier noch mal zusagt, dass wir die Dafur-Friedensmission unterstützen.
Es geht um die Stärkung der Afrikanischen Unionsmission in Somalia, damit hier die Konflikte eingehegt werden. Natürlich die Frage der Reformen, Korruption muss bekämpft werden und ich finde, wir müssen die Staaten, die ernsthafte Schritte machen, Korruption zu bekämpfen, in ihren Bemühungen unterstützen. Wir müssen Staaten helfen, zum Beispiel Katasterämter einzurichten, damit Eigentumsrechte auch verbrieft werden langfristig. Denn ich glaube, das Eigentumsrecht ist an sich der springende Punkt, damit sich in afrikanischen Staaten auch was entwickeln kann.
Menschenrechte hier in Äthiopien, Frage der Meinungsfreiheit - ich meine, es ist gut, dass jetzt die Oppositionellen amnestiert worden sind, das ist hier eine sehr kritische Phase, in der sich Äthiopien befindet, aber das war ein gutes Zeichen. Ich denke da auch, dass die Kanzlerin die äthiopische Regierung auch daraufhin anspricht, auch anmahnt, dass hier der Prozess weitergeht und das Parlament auch in seiner Bedeutung seine Rolle hier übernehmen kann in der Zukunft.