Afghanistan

Im Stich gelassen

08:29 Minuten
Schule in Afghanistan: Ein Mädchen und ein Junge lesen gemeinsam aus einem Heft.
Schule in Afghanistan: Dass Mädchen in dem Land Zugang zu Bildung haben, könnte bald vorbei sein. © picture alliance / imagebroker / Florian Bachmeier
Laila Noor im Gespräch mit Dieter Kassel · 10.08.2021
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Schritt für Schritt erobern die Taliban Afghanistan, seit die internationalen Truppen abgezogen werden. Laila Noor hat in dem Land Schulen gegründet - und fürchtet nun, dass die religiösen Eiferer alles zunichtemachen.
Seit dem Beginn des Abzugs der internationalen Truppen Anfang Mai haben die Taliban in Afghanistan große Gebietsgewinne verzeichnet. Sie erobern derzeit eine Provinzhauptstadt nach der nächsten. Nichtsdestotrotz hält Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan immer noch für richtig. Und auch die USA halten derzeit an ihren Abzugsplänen fest. Das Weiße Haus und das Pentagon betonen immer wieder, dass der Kampfeinsatz der US-Truppen in Afghanistan wie geplant in rund drei Wochen enden wird.
Es scheint, als seien die Taliban kaum zu stoppen. Werden sie am Ende alles zunichte machen, was in den letzten Jahren in dem Land aufgebaut wurde? Das fürchtet Laila Noor, Mitbegründerin und Vorsitzende der Independent Afghan Women Association IAWA. Es sei schmerzhaft und traurig, dass die internationale Gemeinschaft Afghanistan in Stich gelassen habe, sagt sie: "Jeder wusste, was uns erwartet."
Noor hat mit ihrer Organisation eigenen Angaben zufolge in den letzten 20 Jahren rund 18.000 Jungen und Mädchen Zugang zu Bildung verschafft. Zehn Schulen wurden aufgebaut, an Orten in der Provinz, um die sich sonst niemand kümmert. Tausende Schüler seien von den Schulen auf die Universitäten gegangen, sagt Noor, und einige sogar dann als Lehrer wieder zurückgekehrt.

Anschlag auf eine Mädchenschule

Nun steht das alles auf dem Spiel. Durch den Anschlag auf eine Mädchenschule mit vielen Toten hätten inzwischen viele Eltern Angst, ihre Kinder zum Unterricht zu schicken. "Bis jetzt können wir von Glück reden, dass unsere Schulen noch nicht angegriffen worden sind", sagt Noor. "Aber die Angst ist sehr groß, und wir sind unglaublich unruhig, weil wir nicht wissen, ob es so bleibt."
Bei einem Attentat auf eine Mädchenschule in der Hauptstadt Kabul waren mehr als 50 Menschen ums Leben gekommen und über 100 weitere verletzt worden. Nach Angaben des Innenministeriums explodierte eine Autobombe, als die Schülerinnen gerade das Schulgebäude verließen. Danach detonierten noch zwei weitere Sprengsätze. Die Taliban hatten die Verantwortung für den Anschlag zurückgewiesen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind im ersten Halbjahr 2021 in dem Konflikt 1.659 Zivilisten getötet und 3.524 Menschen verletzt worden. Friedensgespräche blieben bislang ohne Ergebnis.
(ahe/dpa/epd)
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