AfD in Sachsen

Etabliert und zunehmend radikaler

10.03.2018, Sachsen, Görlitz: Jörg Urban, Landesvorsitzender der AfD in Sachsen, spricht bei der Kundgebung der AfD Görlitz zur Zukunft der Arbeitsplätze in der Lausitz. Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Jörg Urban, Landesvorsitzender der AfD Sachsen © dpa-Zentralbild / onika Skolimowska
Von Bastian Brandau · 13.03.2018
2014 war die AfD erstmals in einen deutschen Landtag eingezogen - unter Führung von Frauke Petry in Sachsen. Ähnlich wie Petry damals zeigt der aktuelle Fraktions- und Landeschef Jörg Urban sich ausgesprochen häufig auf Pegida-Veranstaltungen. Bedenken hat er dabei keine.
"Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete…"
Seit dem Abgang von Frauke Petry ist Jörg Urban neuer Fraktionsvorsitzender der AfD im sächsischen Landtag.
"Herr Ministerpräsident, denken Sie wirklich, dass die Menschen in Sachsen Ihnen das glauben, was Sie uns hier eben vorgestellt haben?"
Im Januar antwortete Urban, ehemaliger Geschäftsführer einer Umweltorganisation und einst bei der Piratenpartei, auf die Regierungserklärung des neugewählten Ministerpräsidenten Michael Kretschmer von der CDU.
"Sie, lieber Herr Kretschmer, als neuer, vom CDU-Zentralkomitee bestimmter Ministerpräsident, Sie lassen sich hier von der Zwölf-Prozent-Partei SPD Ihre Redeanteile vorschreiben. Sie haben Ihren Wahlkreis bei der Bundestagswahl an unsere Bürgerpartei AfD verloren."

Die AfD kann vor Kraft kaum laufen - theoretisch

Es ist paradox: Nach ihrem Wahlerfolg bei den Bundestagswahlen, als sie stärkste Partei in Sachsen wurde, kann die AfD hier vor Kraft kaum laufen. Einerseits. Durch den Austritt von Frauke Petry und vier weiteren Abgeordneten hat die AfD allerdings nur noch einen Abgeordneten mehr als die Grünen, die kleinste Fraktion im Landtag. Andererseits.
Das hat Konsequenzen für die parlamentarische Arbeit, nicht nur für den Fraktionsvorsitzenden Urban: "Die Belastung für die neun Abgeordneten ist natürlich höher. Wir sind jetzt eine sehr kleine Fraktion und müssen die gesamte Themenbreite beackern, das heißt, die Abgeordneten müssen mehr Themen bearbeiten, die müssen im Plenum zu mehr Anträgen sprechen und Gesetzesinitiativen."
Im Plenum dieser Woche etwa zum Thema Breitbandausbau. Hier hat die Regierung zwar eine Hundert-Prozent-Förderung beschlossen, die aber geht der AfD nicht schnell genug. Ein weiterer Antrag behandelt den Wolf in der Lausitz. Und natürlich sind die Flüchtlinge auch bei der AfD Sachsen immer wieder Thema. Bei der letzten Plenarsitzung hatte die Fraktion gefordert, junge Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive von deutschen Schülern getrennt und in ihrer Muttersprache zu unterrichten. Ein Vorstoß gegen das Gleichheitsgebot der Verfassung, aber für Oppositionspolitiker Urban ein legitimer Versuch, Aufmerksamkeit zu generieren:
"Logisch, wir als Opposition haben die Aufgabe, auf bestehende Probleme hinzuweisen und Lösungsvorschläge zu machen. Und wir wären eine schlechte Opposition, wenn wir das nicht so machen würden, dass man es auch wahrnimmt."

CDU spricht von "sachlicher Zusammenarbeit"

Von einer "sachlichen Zusammenarbeit" auf der formalen Ebene spricht der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Stephan Meyer. Er mache da keinen Unterschied zwischen den Parteien im Landtag. Er beobachte allerdings derzeit eine Radikalisierung der AfD. Die finde aber vor allem außerhalb des Parlaments statt:
"Ich merke es durchaus bei Reden, die die AfD bei Demonstrationen oder bei Parteitagen hält, da ist eine andere Sprache zugegen als im Plenum, wo man doch versucht, moderater aufzutreten."
Die Auftritte von Politikern bei Veranstaltungen der AfD in Sachsen haben mehrfach bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Björn Höckes im NPD-Jargon gehaltene Rede zur Erinnerungskultur in einem Dresdner Brauhaus Anfang 2017, bei der auch der sächsische AfD-Politiker Jens Maier lobende Worte für die NPD fand. Zuletzt musste Landeschef André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt zurücktreten nach seinen rassistischen Worten über Türken beim politischen Aschermittwoch in Sachsen. Beklatscht und bejubelt auch von der sächsischen AfD und ihrem Vorsitzenden Jörg Urban:
"Von Anfang an vertreten wir fast dieselben Standpunkte. Pegida und AfD sind dieselbe Bewegung. Pegida."
Urban selbst hat bei der islamfeindlichen Pegida gesprochen, vergangene Woche, gleich nach dem Aufhebungsbeschluss des Kooperationsverbots. Die Bedenken der Bundesvorsitzenden seiner Partei gegenüber dem vielfach verurteilten Pegida-Chef und Volksverhetzer Lutz Bachmann teilt Urban nicht:
"Man muss das trennen. Also ich sage mal so, wenn das jemandem schwerfällt, das auseinanderzuhalten, dann soll er es nicht tun. Also ich kann das für mich sehr gut auseinanderhalten, wenn ich auf der Bühne stehe bei Pegida, dann spreche ich für die AfD. Und wenn da jemand anderes auf der Bühne steht, dann spricht er für etwas anderes. Für mich ist Pegida so was wie Speaker’s Corner."

Die AfD tritt als etablierte Partei auf

Auf scharfe Kritik stößt dieses Verhalten unter anderem bei der Linksfraktion im sächsischen Landtag. Ihr Vorsitzender Rico Gebhard sagt:
"Es strahlt eigentlich aus, dass sie nicht verstehen, dass sie sich zum Sprachrohr einer rassistischen Vereinigung wie Pegida machen, die ja immer sagen, wir wollen mit bestimmten Gruppen von Menschen im Freistaat Sachsen nichts zu tun haben. Und wenn ein verantwortlicher Politiker, der Urban ja nun mal ist, weil er Fraktionsvorsitzender ist, sagt: 'Ich rede da nur, mir ist es eigentlich egal, wer mir die Bühne bietet', dann zeigt das eigentlich nur, dass er nicht versteht, dass er sich damit zum Erfüllungsgehilfen von Bachmann und Konsorten macht, die schon im Bundestags-Wahlkampf mit AfD-Politikern des rechten Flügels zusammenarbeiteten.
Ein Wahlkampf, in dem die AfD in Sachsen vor allem in ländlichen Gebieten mit großer Selbstverständlichkeit als etablierte Partei aufgetreten war. Bedenken wegen rassistischer und extrem rechter Äußerungen schwanden schon da bei Anhängern und Sympathisanten. Derzeit radikalisiert sich der Diskurs bei Parteiveranstaltungen und in den Social-Network-Accounts der sächsischen AfD. Deren Ziel für die nächste Landtagswahl formuliert Landeschef Jörg Urban klar: Stärkste Partei mit mehr als 30 Prozent.
"Und dann werden wir nach der Wahl sehen, ob es eventuell möglich ist, eine Regierung zu bilden mit der AfD."
Einziger politisch denkbarer Partner: Die sächsische CDU, die seit 1990 den Ministerpräsidenten stellt. Amtsinhaber Michael Kretschmer hat eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen. In seinem konservativen Landesverband gibt es aber auch andere Meinungen. Gewählt wird im Spätsommer 2019.
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