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Einwanderer-Enkel will die Zuwanderung verschärfen

Aslan Basibüyük ist Enkel eine türkischen Einwanderers und AfD-Mitglied.
Aslan Basibüyük ist Enkel eine türkischen Einwanderers und AfD-Mitglied. © picture alliance / dpa
Von Anke Petermann · 15.06.2015
Aslan Basibüyük ist AfD-Politiker und gehört zum Lager von Bernd Lucke. Der Kreischef will ein strengeres Einwanderungssystem nach kanadischem Vorbild. Sein Opa aus Anatolien hätte es damit schwer gehabt, nach Deutschland zu kommen.
Statt großer Saalveranstaltung: Treffen im kleinen Kreis. Statt Vier-Sterne-Hotel in Mainz ein Campinglokal mit Selbstbedienung außerhalb. Nach Farbbeutel-Würfen in Freiburg muss die AfD den Vortrag von Bernd Lucke in Mainz abblasen. Der Parteichef muntert seine Anhänger auf:
"Machen wir einfach das Beste draus."
Ein Dutzend Männer steckt die Köpfe zusammen: junge Selbständige, mittelalte Professoren und Pensionäre. Keine schimpfenden Wutbürger, keine Pegida-Leute. Führungskräfte und Basis der AfD Rheinland-Pfalz. Vormals FDP, SPD oder Nichtwähler. Der zierliche Parteichef Lucke mittendrin.
Für welche Partei sollen sie in den Wahlkampf zur Landtagswahl 2016 ziehen? Für eine rechtspopulistische etwa? Fremdenfeindlichkeit und Rechtsruck - ohne die Anwesenden. Das ist vor allem dem dunkelhaarigen Enddreißiger außen am Tisch wichtig: Aslan Basibüyük, AfD-Kreischef Rhein-Lahn und Beisitzer im Landesvorstand, seit 2013 zweimal wiedergewählt. Ein Garant für Stabilität in der jungen AfD, die viel Fluktuation beim Personal erlebt. Sein Opa kam Ende der sechziger Jahre als ungelernter "Gastarbeiter“ aus Ostanatolien nach Deutschland. Linke verspotten AfD-Mitglieder wie Basibüyük als "türkische Nazis“.
"Ich bin weder ein türkischer noch ein deutscher Nazi. Ich bin deutscher Staatsbürger. Ich lebe in dem Land, wo ich geboren bin. Und setze mich für das Land ein, was ich liebe. Nicht mehr und nicht weniger. Und wenn die AfD fremdenfeindlich wäre, wäre ich der erste, der draußen wäre. Aber man erlebt auch, dass die Leute sagen "endlich mal eine Partei, die die Punkte anspricht, die die Altparteien nicht mehr erwähnen“. Und ich finde nicht, dass man dann in die rechte Ecke gehört, im Gegenteil."

Basibüyüks Großvater sollte nur für zwei Jahre bleiben. Und selbst nachdem er in Deutschland eine Familie gründet hatte, bekam er nicht die Chance, Teil der Gesellschaft zu werden. So sieht es Basibüyük im Gespräch mit seinen Parteifreunden Nissen und Lucke:
"Ja, das hieß ja damals auch Gastarbeiter."
"Genau, war ja nur begrenzt, für ne bestimmte Zeit. Hätte man sich damals schon um die Integration gekümmert, hätten wir heute die Probleme nicht."

"Das war ein Jahr vor den 68-ern. Da hat man sich um so was überhaupt nicht gekümmert."
"Ja, genau, aber diese Parteien wollen jetzt die Zukunft gestalten, dann weiß man, dass die das weiter an die Wand fahren."
"Die Migranten erwarten, dass die Deutschen patriotisch sind"
Die AfDler nicken. Arbeitsmigration nach kanadischem Modell soll es richten: Migranten würden strikt nach Qualifikation und Nutzen für den deutschen Arbeitsmarkt ausgewählt. Das fordert Lucke seit Parteigründung, und das hat den vormaligen Sozialdemokraten Basibüyük bewogen, 2013 in die AfD einzutreten. Der Enkel eines Einwanderers, der die Regeln für Zuwanderung verschärfen will? Basibüyük, Personalleiter im Metallbaubetrieb seines Bruders, erkennt darin keinen Widerspruch:
"Also, die Migranten sind eigentlich noch radikaler: Sehr viele Migranten, die hier geboren sind, ein Teil der Gesellschaft sind, die können nicht verstehen, dass die Deutschen zugucken, wie man den Deutschen in Deutschland auf der Nase rumtanzt. Die Migranten erwarten viel mehr, dass die Deutschen patriotisch sind, mit Sinn und Verstand an die Sache gehen und sagen: es kann doch nicht sein, dass die Menschen aus dem Ausland kommen, unkontrolliert, das wollen die Migranten auch nicht."

Weil sie keine Konkurrenz dulden, weil sie ihre Chance schon hatten? Basibüyük schüttelt den Kopf. Die angeblich unkontrollierte Einwanderung verursache Parallelgesellschaften. Er weiß, wovon er redet, Stichwort Zwangsverheiratung. Da kann Parteichef Lucke noch was lernen.
Das wusste ich auch noch nicht, dass Jungs verheiratet werden, ich dachte immer, es werden die Mädchen verheiratet.
"Ich sollte ja auch: Anfang der Neunziger hieß es, jetzt heiratest du deine Cousine. Ich hab gesagt, ihr spinnt. Ich hab‘ mich gewehrt. Die haben alle gedacht, ich spinne. Ich hab gesagt, nein! Ich war schon früher der Rebell. Ich hab gesagt: Ich such‘ mir die selbst aus. Und wie es ein paar Jahre später eine Deutsche war, haben die erst recht gesagt, der ist nicht von uns. Ich habe mich durchgesetzt."
In Online-Foren der AfD bekommt er Unterstützung von Migranten. "Setz dich für uns ein!“, gäben die ihm mit. Basibüyük will beim Parteitag Anfang Juli für den Bundesvorstand kandidieren. Sein Opa wäre wohl chancenlos gewesen nach den strengen Zuwanderungsvorstellungen des Enkels und der AfD. Aber:
"Er sagt immer, ich wäre sein Lieblingsenkel, von daher kann ich nicht so viel falsch gemacht haben, und er hat 65!"
"Das ist ja ein ganzer Kreisverband!"
65 Migranten-Enkel für die AfD? Trotz Spaltpilz, und Putschgerüchten, Antifa-Protest und gehäuften Hotelabsagen – da kommt beim Lucke-Flügel an diesem lauen Juni-Abend am Rheinufer doch noch Heiterkeit auf.
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