AfD-Abspaltung

Die Blauen treffen sich in Iserlohn

Frauke Petrys neue Bewegung die Blaue Wende hat ihre bundesweit erste Ratsfraktion in Iserlohn
Frauke Petrys neue Bewegung die "Blaue Wende" hat ihre bundesweit erste Ratsfraktion in Iserlohn © Deutschlandradio / Moritz Küpper
Von Moritz Küpper |
Frauke Petrys neue Bewegung die "Blaue Wende" hat ihre bundesweit erste Ratsfraktion in Iserlohn. Ein kleiner Kreis mit bundespolitischer Strahlkraft, denn es sind bekannte AfD-Gesichter, die sich als "Blaue Fraktion" versammeln.
Ein Montagabend im Dezember im Rathaus Iserlohn. Im ersten Stock, Raum 1.08, Sitzung der Blauen Fraktion.
Alexander Langguth, der Fraktionschef, sitzt vor Kopf, führt durch Sitzung. Am Tisch – auf dem Salzstangen im Glas und Gebäck auf zwei Servietten angeboten werden – sitzen die weiteren zwei Ratsmitglieder sowie sechs Bürgervertreter. Insgesamt sind acht Männer und eine Frau dabei. Frank Neppe, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, meldet sich zu Wort:
"Hier ist was für die Presse."
"Was denn?"
"Es hieß ja, dort wurde nichts gefunden – eigentlich. Und hier steht jetzt drin, dass im Bereich des Kindergartens britische Wurfgranaten gefunden worden sind. Also, hatten wir vollkommen recht, dass wir gegen diesen Kindergarten waren."
Munitionsfunde im Iserlohner Wald, dort wo ein Kindergarten eröffnet werden sollte, das hat die Fraktion durch eine Anfrage herausgefunden. Ansonsten geht es in den nächsten knapp zwei Stunden vor allem um Berichte aus dem Betriebsausschuss Seniorenzentrum, um den Jugendhilfeausschuss, die Sicherheit auf einzelnen öffentlichen Plätzen.
"Also, die Treppe wäre jetzt gar kein Problemfall mehr, die hätten sich jetzt woanders hin verlagert, ist alles sauber."
"Ich weiß, wo die jetzt sind. Die sind jetzt im Mühlentor, da wo ..."
"Ja."
"Da wo das Haus abgerissen ist, wo diese Freifläche ist ..."
Treffen mit bundesweiter Strahlkraft
Kommunalpolitik im Märkischen Kreis im Sauerland – doch das kleine Treffen in Raum 1.08 hat bundespolitische Strahlkraft, wie auch Fraktionschef Langguth betont:
"Also, wir haben hier in Iserlohn jetzt, wenn wir auf Iserlohn ansprechen möchten erstmal, haben wir die komplette Ratsfraktion der ehemaligen AfD-Fraktion, ist also aus der Partei ausgetreten und mit in die neue Partei eingetreten. Von daher ist das jetzt hier in Iserlohn als Pilotprojekt sicherlich erstmal der Startpunkt. Und wir sind jetzt aktuell in Gesprächen auch mit anderen Fraktionen, mit Einzel-Abgeordneten, mit anderen Mandatsträgern, länderübergreifend allerdings natürlich, und schauen wir mal, wie wir das Ganze jetzt weiterentwickeln können."
Das Ganze ist eine politische Kraft, die kurz nach der Bundestagswahl das Licht der Welt erblickte: Frauke Petry, einst AfD-Vorsitzende, erklärte unmittelbar nach ihrem Einzug in den Bundestag ihren Austritt aus der AfD – und die Gründung der Blauen Partei. Ihr folgten außer ihrem Ehemann Marcus Pretzell und einem weiteren der AfD-Bundestagsabgeordneten aus NRW eben auch Langguth und Neppe, die auch Landtagsmandate haben. Zusammen mit dem Iserlohner Ratsmitglied Nummer drei kann die neue Partei nun also schon eine komplette Ratsfraktion vorweisen.
"Wir sind - Ratsfraktion – die bundesweit erste."
Frauke Petry (l), Bundesvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD) und ihr Mann, Marcus Pretzell, Spitzenkandidat der Partei in Nordrhein-Westfalen, unterhalten sich am 15.05.2017 zu Beginn einer Pressekonferenz in Berlin zu den Ergebnissen und Auswirkungen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (NRW).
Frauke Petry und Marcus Pretzell sind aus der AfD ausgetreten © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Doch: Blaue Partei, Blaue Fraktion, Blaue Wende?, wie es auf den Flyer auf dem Tisch in Raum 1.08 heißt:
"Es gibt einmal die blaue Partei. Die blaue Partei ist parteirechtlich vorgeschrieben, dass wir die Organisationsstruktur liefern können, oder das Forum, wo die Politik gemacht wird, ist die Blaue Wende, und das ist eben auch der Hintergedanke bei der ganzen Umstrukturierung gewesen, dass wir gesagt haben: Wir wollen Politik wieder dahin bringen, wo die Menschen leben - und das ist eben nicht mehr in Parteien …"
Umgang mit der AfD ist "grenzwertig"
Klingt gut. Anderweitig ist dagegen eher von einer Art Firewall die Rede, mit der Petry, Pretzell, aber auch Langguth verhindern wollen, dass die Partei von rechts unterwandert wird – so wie sie es eben bei der AfD wahrgenommen haben. Die Mandate – egal ob Bund, Landtag oder Rat – nehmen sie natürlich mit.
"Es gibt viele in der AfD, die sich betrogen fühlen, und auch völlig zu Recht. Also, ich möchte das auch nicht von der Hand weisen, dass das Gefühl, dass wir da jetzt das Boot verlassen haben, vorherrscht, das kann ich sogar nachvollziehen, das ist auch völlig menschlich, auch völlig normal. Die Frage ist immer, inwieweit man damit umgehen kann, dass Menschen zu anderen Erkenntnissen kommen als man selber, und da fände ich einfach den Umgang, den viele in der AfD mit einem haben - der ist grenzwertig."
Per Facebook, E-Mail, SMS, aber auch persönlich habe Langguth Anfeindungen erhalten. Auch auf dem AfD-Landesparteitag vor einigen Wochen in Kalkar war von den Blauen die Rede – und ein Delegierter schimpfte:
"Und dann kommen Leute wie Marcus Pretzell und seine Frau und nehmen uns die Mandate. Das ist nicht eine Schande nur, das ist Verrat."
Langguths Nachfolger an der Spitze der AfD im Märkischen Kreis reagiert nicht auf Anfragen. Langguth selbst sieht es – naturgemäß – anders. Er und seine Mitstreiter hätten sich inhaltlich weiterentwickelt. Zumal:
"Für uns persönlich hat sich geändert, dass wir mit den Menschen, mit denen man halt täglich zu tun hat, endlich wieder über Politik reden können, losgelöst von den Problemen, die die AfD und ihre Entwicklung eben leider mit sich gebracht haben. Wir haben uns inhaltlich überhaupt nicht verändert."
Es gibt Zuwachs für die Blaue Wende
Was auch Umfragen unter den weiteren sechs Fraktionen im Iserlohner Rathaus zeigen – man begegne sich weiterhin "freundlich, höflich, etc.", heißt es da wörtlich. Und: Es gibt auch Zuwachs. Nicole Hille, eine Bürgervertreterin in Iserlohn, ist neu zur Blauen Wende gestoßen. Einst auf CDU-Linie, fühlte sie sich dort nicht mehr vertreten, der AfD wäre sie aber nie beigetreten.
"Einmal, weil sich zu dem Zeitpunkt schon andeutete, dass sich dieser rechte Flügel bildet, aber auch die Anfeindungen, die man sich wirklich anhören muss, denen hätte ich nicht standhalten können. Ich weiß nicht, wie das jetzt werden wird, aber ich möchte es halt probieren. Nicht immer nur meckern, sondern auch mal versuchen, auch etwas zu bewegen."
Langguth ist sicher, dass Hille nicht der letzte Neuzugang der neuen Bewegung sein wird – auch nicht aus dem AfD-Lager.
Mehr zum Thema