Aus den Feuilletons

Wer ersetzt Dr. Sommer?

Das Titelbild der Jugendzeitschrift "Bravo" (Ausgabe vom 21.04.1983) zeigt die Sängerin Nena.
Das Titelbild der Jugendzeitschrift "Bravo" (Ausgabe vom 21.04.1983) zeigt die Sängerin Nena. © dpa / picture alliance / Bravo
Von Paul Stänner · 15.04.2014
Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit dem neuen "Spider-Man"-Film, mit der Zukunft von Dr. Sommer bei der "Bravo", mit Whistleblower Edward Snowden und mit dem Fernseh-Dreistünder "Die Männer der Emden".
Spiderman schwebt über allem: Der neueste Streifen aus der Spinnen-Serie ist in die Kinos gekommen und die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist ganz hin und weg. Offenbar wurde Spider-Man verjüngt - "er ist ja eher ein Spider-Boy als ein Spider-Man" schreibt die SZ - und deshalb spielen einige Pubertäts-Probleme für die Handlung des Films eine wichtige Rolle.
Was die Autorin der aktuellen Zeit freuen dürfte, musste sie doch feststellen, dass die Teenys im Film abgeschafft wurden und Jugendliche heute gleich als junge Erwachsene auftreten müssen. Zum Glück können wir feststellen, dass Spider-Boy auch diese Bosheit der Mächtigen mannhaft korrigiert hat.
Schwer zu fassen wie Spider-Man ist auch Super-Informant Edward Snowden. Die SZ titelt: "Snowden vermied alle Spuren im Netz" - geht das überhaupt? Nun gut, man würde denken: Wenn es ihm gelungen ist, alle Spuren zu vermeiden, dann geht es ja wohl, und was soll dann die Frage? Das weiß die SZ auch nicht, aber am Ende des überflüssigen Artikels stellt sie fest, dass es heute nicht mehr funktionieren würde, weil der Skandal zu groß und Snowden zu bekannt ist. Ja, der Gedanke, dass man als Prominenter schwer untertauchen kann, ist uns auch schon gekommen. Aber wie war es denn nun wirklich: Spuren im Netz - oder keine Spuren?
Die Tageszeitung TAZ mokiert sich über andere Verformungen im deutschen Pressewesen: Da wird die Zeitschrift "Bravo" dafür kritisiert, dass sie nach 16 Jahren Dauereinsatz eine Kollegin raus schmeißt, die als Dr. Sommer Pubertierende - also: Spider-Boys- in ihren Nöten beraten hat. Das wird jetzt von Volontären erledigt, woraufhin die TAZ ätzt, dass es ja wohl wirklich keinen Unterschied mache - Zitat: "ob eine Sozialpädagogin sich mit den Teens auseinandersetzt oder jemand, der auf dem Weg, 'was mit Medien' zu machen, bei Bravo Station macht." Kaum ist die "Bravo" abgewatscht, geht die Autorin auf den "Stern" zu, wo eine offenbar 28-jährige Nachwuchskraft im Nachruf auf Peaches Geldof texte: "Peaches Mutter Paula ging vor, diese Woche ging Peaches nach."
Begeistert sammelt die TAZ noch weitere Stilblüten und fragt sich, wie man dem stern noch helfen könne. Wie es scheint, ist es nicht nur im Film so, dass überanstrengte Jugendliche immer gleich den erfahrenen Erwachsenen geben müssen, statt erst einmal auszureifen.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE hat sich den Fernseh-Dreistünder "Die Männer der Emden" angesehen, einen Film über die abenteuerliche Rückkehr deutscher Seeleute im Ersten Weltkrieg, die - nachdem ihr Schiff versenkt worden war - um den halben Erdball in die Heimat flüchteten. Ein bisschen scheint der wilhelminische Grundton abgefärbt zu haben, wenn die FAZ schreibt, der Hauptdarsteller gebe einen "prächtig verwegenen Kaleu Hellmuth von Mücke ab" - aber dann ist Schluss mit der Begeisterung. Wichtige historische Daten hat der Film ausgelassen.
Stattdessen wurden schwülstige Liebesgeschichten eingerührt, um zu Ostern Schmonzes in die Wohnzimmer zu bringen. Die FAZ urteilt: "Eine Prise Robinsonade, eine Prise Kriegsfilm mit singenden Matrosen, viel Kolonialkitsch und noch mehr altes Abenteuerkino." Und die SÜDDEUTSCHE mosert: "Eine Quoten-Heronie, ein bisschen Seewolf, ein wenig Lawrence von Arabien und jede Menge Rosamunde Pilcher: Der Krieg ist hier ... ein buntes Jungs-Abenteuer."
Man fragt sich: Hat es das Fernsehen wirklich nötig, vaterländische Gefühle mit Kitsch und Süßkram zu synthetisieren? Vielleicht schon - denn gerade in diesem Regal tobt ein Krieg: Die Zeit hat die Meldung entdeckt, dass ein Kölner Gericht gegen die Klage der Goldbärenfirma Haribo der Firma Lindt erlaubt hat, Schokoladenteddys zu verkaufen – Zitat: "Laut Gerichtsbeschluss dürfen wesensfremde Schweizer Schokobären direkt neben deutschstämmigen Goldgummibären Aufstellung nehmen und gleichberechtigt um die Gunst der Käufer werben". Damit, so argwöhnt die satirische Zeit, versuche der "süßliche Schweizer Imperialismus" den "originaldeutschen Gummibären-Genpool zu vergiften".
Spider-Boy oder -Man: Rette uns, wenn Du kannst!