Ästhetik der Zeitlosigkeit

Von Adolf Stock · 30.11.2006
Obwohl das Dessauer Bauhaus-Gebäude mittlerweile 80 Jahre alt ist, strahlt es noch immer die Ästhetik einer zeitlosen Moderne aus. Walter Gropius und seine Kollegen revolutionierten mit ihren Ideen die Architektur, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.
Ein Haus feiert sich selbst. Das Dessauer Bauhaus-Gebäude wird 80 Jahre alt und ist doch so jung geblieben, dass es einem die Sprache verschlägt.

1919 gründet der Architekt Walter Gropius das Staatliches Bauhaus in Weimar. Die Künstler und Architekten sollten gemeinsam an einer Zukunfts-Kathedrale bauen. Doch mit dem expressiven Schwung war es schon bald vorbei. Nach den thüringischen Landtagswahlen 1924 wurden die Subventionen radikal zusammengestrichen. Das Bauhaus musste Weimar verlassen und zog in die Industriestadt Dessau, wo die Gemeinde die Finanzierung der Hochschule übernahm. Mit dem Umzug änderte sich auch das Programm. Gropius verkündete nun die Zusammenarbeit mit der Industrie und machte aus der expressionistisch gefärbten Bauhütte ein Zentrum für Industriedesign und avantgardistische Architektur.

Für Dessau entwarf Walter Gropius ein neues Schulgebäude. Es wurde ein völlig neuartiger Bau, ein verschachtelter Kubus mit flachem Dach. Annemarie Jaeggi, Leiterin des Berliner Bauhaus Archivs.

"Gropius und die Architekten des Neuen Bauens wollten ja weg von diesem starren alten System, vorne hui und hinten pfui, um es etwas übertrieben auszudrücken, so dass die Fassade immer was hergibt, und ein Gebäude sollte im Grunde genommen mehr eine Skulptur sein, und man musste sie vollständig umschreiten und umkreisen, um sie wahrzunehmen."

Die einzelnen Funktionen – der Wohnbereich, die Schulungsräume, die Werkstatt und die Verwaltung – wurden architektonisch klar unterschieden, und eine großzügige Glasfassade verwischte den Gegensatz von Innen und Außen.

1928 verlässt Walter Gropius das Bauhaus und geht nach Berlin. Sein Nachfolger wird der Schweizer Architekt Hannes Meyer, doch die Stadt Dessau ist mit der Politisierung nicht einverstanden und ernennt den Architekten Mies van der Rohe zum dritten und letzten Bauhaus-Direktor, der nun das Schwergewicht auf die Architekturausbildung legt. Doch die politische Abstinenz nützt dem Bauhaus nichts mehr. Im November 1933 beendete Mies die Bauhaus-Ära, um der Schließung durch die Nationalsozialisten zuvorzukommen. Damals gingen viele Bauhäusler ins Exil, und jeder einzelne trug die Bauhaus-Idee hinaus in die weite Welt. Annemarie Jaeggi:

"Es ist ja dann auch wieder zurückgekommen von Amerika nach Europa und insbesondere nach Deutschland. Und da gab es nach 1945 ja eine virulente Diskussion darüber, ob man da jetzt eigentlich weitermachen solle, oder ob das nicht der Zeitpunkt für etwas ganz Anderes, für was Neues sei. Das ist also alles andere als reibungslos abgelaufen."

Nach 1945 verhinderte die DDR-Regierung die Wiederbelebung der Bauhaus-Idee. 1952 sprach Walter Ulbricht von einer "volksfeindlichen Erscheinung". Erst ab Mitte der 70er Jahre wurde in Dessau über das Bauhaus neu nachgedacht und das im Krieg beschädigte Gebäude wieder rekonstruiert. Frisch renoviert sind die Schrammen einer bewegten Vergangenheit weitgehend getilgt. Die Ästhetik der Zeitlosigkeit feiert ein rauschendes Fest, und wir dürfen eine Architektur bestaunen, die als International Style die Welt erobert hat.
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