Ältester Paternoster der Welt

"Wir standen plötzlich vor mannshohen Zahnrädern"

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Blick aus der Kabine des Hamburger Paternosters: Unten im Schacht ist der Maschinenraum mit mehreren Zahnrädern zu sehen.
Blick ins Räderwerk: Kunsthistoriker Robin Augenstein steht in einer Kabine des Paternosters im Hamburger Flüggerhaus. © picture alliance / dpa / Marcus Brandt
Robin Augenstein im Gespräch mit Nicole Dittmer · 16.05.2022
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Der wohl älteste Paternoster der Welt soll bald wieder fahren. Über 40 Jahre war der 1908 erbaute Fahrstuhl hinter einer Zwischenwand im Hamburger Flüggerhaus versteckt. Dann wurde die Anlage von dem Kunsthistoriker Robin Augenstein wiederentdeckt.
Robin Augenstein gerät ins Schwärmen, wenn er von seinem Fund berichtet. Eigentlich hatte der Kunsthistoriker nur ein paar Informationen zur Geschichte des Flüggerhauses in Hamburg für eine Vortragsreihe sammeln wollen. Dabei erfuhr er, dass in dem Gebäude ursprünglich ein Paternoster auf und ab gefahren war.

Entdeckung im Maschinenraum

Bei einem Besuch vor Ort fand er heraus, dass die Anlage immer noch existiert. "Es war ein fantastischer Moment, als ich mit dem damaligen Mieter des Gebäudes in den Keller gestiegen bin, wir standen dann plötzlich vor mannshohen Zahnrädern", erzählt Augenstein.
Ein junger Mann in weinrotem Hemd und heller Hose steht in einem engen Raum hinter wuchtigen Maschinengehäusen.
Kraftpaket im Keller: Robin Augenstein besichtigt den Maschinenraum.© picture alliance / dpa / Marcus Brandt
Auch sämtliche Kabinen des Fahrstuhls hatten die Zeit überdauert. Mehr als 40 Jahre waren sie durch eine Holzverschalung verborgen worden. Augenstein gelang es, Unterstützer für die Instandsetzung des Paternosters zu gewinnen.
Bis dieser wieder Fahrt aufnimmt, wird es aber wohl noch eine Weile dauern. Im nächsten oder übernächsten Jahr soll er wieder fahren: zur Wiedereröffnung des Gebäudes, das ebenfalls saniert wird.

Freie Sicht nach oben

Die Besonderheit der Hamburger Anlage seien die offenen Kabinen, erklärt Augenstein: Während der Fahrt kann man Ketten und Zahnrädern bei der Arbeit zusehen. Außerdem haben die einzelnen Kabinen kein Dach, so dass der Blick in den Schacht nach oben frei ist.
Blick aus der offenen Kabine in den Fahrstuhlschacht: Oben ist der Boden der nächsthöheren Kabine zu sehen.
Luft nach oben: Über den Kabinen des Paternosters gähnt der nackte Schacht.© picture alliance / dpa / Marcus Brandt
In unserer Zeit der Sensorflächen und leise summenden Aufzüge mute der Paternoster wie ein "archaisches Fortbewegungsmittel" an, sagt Augenstein. Die langsame Aufwärtsbewegung lade dazu ein, "besonders schöne Sichtachsen im Treppenhaus" zu entdecken.

Weiterfahrt nach über 40 Jahren

Bis vor Kurzen habe der 1911 erbaute Paternoster im Haus der Industrie in Wien als ältester der Welt gegolten, erklärt der Kunsthistoriker. Diesen Titel könne die Anlage in dem 1908 erbauten Flüggerhaus nun wohl für sich beanspruchen.
(fka)
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