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Von Michael Frantzen |
Als Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck Moskau besuchte, folgte ihm im Schlepptau ein Unternehmer-Tross. Viele aus Brandenburg und Berlin, die meisten gebürtige Ostdeutsche. Ein Novum. Normalerweise kommen Ost-Unternehmer immer noch aus dem Westen. Doch im Russland-Geschäft ist das anders, denn da zahlen sich persönliche und geschäftliche Kontakte zum einstigen "großen Bruder" aus.
Beispiel Eins

Transresch Antriebssysteme aus Berlin-Hellersdorf.

Ansprechpartner

Joachim Kupetz, Technischer Leiter.

Besondere Kennzeichen

Ost-Biographie, ehemaliger DDR-Außenhändler; Studium im RGW-Raum.

Erster Eindruck

Etwas mürrisch; gibt nur ungern Auskunft; verströmt immer noch den herben Charme der DDR.

Geschäftsstrategie

Setzt voll auf den russischen Markt.

Kupetz: "Die Russen sagen immer: Meine Partner wechsele ich nicht wie das Hemd. Wer sich bei mir Vertrauen erworben hat, mit dem mach ich auch weiter Geschäfte. "

Joachim Kupetz also. Wenn man so will, ist der bullige Mann mit dem Kugelbauch ein Überlebender. Über zwanzig Jahre arbeitete Kupetz beim VEB Elektroprojekt und Anlagenbau - dem "Siemens der DDR." Ein Giga-Unternehmen: 50.000 Angestellte, davon allein 6000 im Stammwerk in Ost-Berlin. Und heute? Arbeiten gerade noch einmal 600 Leute für das Nachfolge-Unternehmen Transresch und dessen Mutter Elpro.

Kupetz ist immer noch dabei; hat den Übergang von der Plan- und zur Marktwirtschaft genauso überstanden wie die Privatisierung und den zweifelhaften Investor aus dem Westen, der sich erst verspekulierte und dann aus dem Staub machte.

Dass es das Traditions-Unternehmen aus Berlin-Hellersdorf überhaupt noch gibt, liegt an Russland. Sagt Kupetz. Daran, dass Transresch dem russischen Markt die Stange hielt, als es dort Mitte der 90er steil bergab ging. Und sie das Moskauer Büro nicht dicht machten.

Kupetz: "Dann hat sich bewährt, dass wir also alte Kontakte hatten. Mit denen haben wir halt Jahrzehnte zusammengearbeitet. Und da muss ich sagen, haben diese alten Partner uns sehr geholfen, im gemeinsamen Interesse an andere neue Aufträge ranzukommen. "

Beispiel zwei

Rewico Logistik aus dem Brandenburgischen Rangsdorf.

Ansprechpartner

Uwe Leuschner, Geschäftsführer.

Besondere Kennzeichen

Ost-Biographie; ehemaliger DDR-Außenhändler, Studium im RGW-Raum.

Erster Eindruck

Offener Typ; auskunftsfreudig; würde sich gut in jeder Image-Kampagne für erfolgreiche mittelständische Unternehmer aus Brandenburg machen.

Geschäftsstrategie

Setzt voll auf den russischen Markt.

Kostprobe

Leuschner: " Wir haben ganz natürlicherseits viele, viele Mitarbeiter gewonnen, die Erfahrungen im RGW-Raum der Vergangenheit hatten. Und das hat sich als ein sehr großer Vorteil erwiesen. "

Uwe Leuschner also. Der alerte Logistiker, der fließend Russisch, Tschechisch und Englisch spricht, ist einer der mittelständischen Unternehmer, von denen Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck sagt, er als Brandenburger sei ein bisschen stolz auf sie. Rewico expandiert: In Deutschland, besonders aber in Osteuropa und Russland. Schon seit September 1998 betreibt das Unternehmen in Moskau ein Logistikzentrum mit 400 Angestellten.

Uwe Leuschner kann sich noch gut an die Zeit damals erinnern: Der Börsencrash der russischen Wirtschaft lag gerade einen Monat zurück, Aufträge brachen weg, dazu Hyperinflation. Schlechte Start-Bedingungen. Doch Rewico blieb. Nicht zuletzt, weil Leuschner den russischen Markt noch von früher kannte.

Leuschner: " Sonst wären wir bestimmt nicht mehr dort gewesen. Sonst wären wir zurückgegangen. Das Verständnis für die Situation, auch der Situation, in der sich die russischen Menschen befunden haben - das war die Grundvoraussetzung überhaupt für unseren Optimismus. "

Beispiel drei

Mark Arinstein Werkzeugmaschinen GmbH aus dem Brandenburgischen Dahlwitz-Hoppegarten

Ansprechpartner

Mark Arinstein, Firmengründer.

Besondere Kennzeichen

Ost-Biographie; ehemaliger DDR-Außenhändler; Studium im RGW-Raum.

Erster Eindruck

Höflich und zuvorkommend; nennt sich selbst einen Workaholic.

Geschäftsstrategie

Setzt voll auf den russischen Markt.

Kostprobe

Arinstein: " Dieses Jahr haben wir drei neue Kollegen eingestellt. Also: Bedarf haben wir. "
Mark Arinstein also. Ende der 80er kam der russlanddeutsche Diplom-Ingenieur aus der UdSSR in die DDR, um ein Joint-Venture aufzubauen: Russische Rohstoffe gegen Waren aus der DDR: Schuhe, Kleidung, was sich sonst noch verkaufte. Ging ein, zwei Jahre gut - bis zur Wende. Arinstein sattelte um - und gründete mit einem Eigenkapital von hundert D-Mark ein Maschinen- und Anlagenunternehmen, Schwerpunkt: Russland- und Osteuropa.

Das war vor fünfzehn Jahren. Heute macht Mark Arinstein sieben Millionen Euro Umsatz im Jahr, unterhält das Unternehmen allein in Russland vier Niederlassungen, betreibt es in Arinsteins Geburtsstadt Jekatarinenburg ein Technologie-Zentrum. Am Stadtrand von Moskau wird gerade ein zweites gebaut. Brandenburg und Russland - für den 43-Jährigen ist das eine unschlagbare Kombination.

Arinstein: "Hier gibt es erfahrene Arbeitskräfte, Infrastruktur und und und. Und in Russland können sie zurzeit noch mehr Wachstum realisieren. Das heißt, wir wollen jetzt die Vorteile, die wir in Deutschland haben, nutzen und auch die Vorteile, die in Russland zurzeit gibt, auch in Anspruch nehmen. "

Drei Unternehmer - eine Gemeinsamkeit: Geschäftsleute aus dem Osten haben in Russland gute Karten. Das zeigte sich auch beim Moskau-Besuch von Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck im Juli diesen Jahres. Mit in seinem Schlepptau: Ein Tross Brandenburger und Berliner Unternehmer, darunter auch Leuschner und Arinstein, insgesamt mehr Ossis als Wessis. Ungewöhnlich sei das - gerade in Unternehmerkreisen, meint der Koordinator der Visite, der Vorsitzende der Zukunftsagentur Brandenburg, Detlef Stonk. Für Stonk, den West-Import, ist Russland einer der Zukunftsmärkte - auch wenn es beim Brandenburger Außenhandel bislang nur auf Rang neun rangiert. Was zählt, ist das Wachstumspotential. Und das kann sich sehen lassen: Steigerungsrate seit 2000 bei den Exporten: Mehr als dreißig Prozent, bei den Importen sind es immerhin noch rund 15 Prozent. Und: Mehr und mehr Brandenburger Firmen machen Geschäfte mit Russland: Zurzeit sind es 140.

Dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Brandenburg enger werden, glaubt Stonk, habe nicht nur mit der Qualität von Waren und Dienstleistungen "made in Brandenburg" zu tun. Viele russische Wirtschaftsbosse hätten auch noch aus kommunistischen Zeiten einen Bezug zum Land.

Stonk: " Das sind Personen, die eben noch aus früheren DDR-Außenhandelskontakten bekannt sind. Das sind natürlich die ehemaligen Staatsbetriebe, die großen Kombinate, die aber jetzt in eine Rechtsformen umgewandelt werden, neue Eigentümer bekommen haben, aber zum Teil eben noch mit den überkommenen Personal arbeiten. Auch in den Führungsbereichen. "

"Überkommenes Personal" - den Begriff mag Joachim Kupetz gar nicht, genauso wenig wie Schlagzeilen wie: "Alte DDR-Kontakte überaus hilfreich!" Stand so in der Berliner Zeitung. Gefällt ihm nicht. Kupetz guckt noch mürrischer als sonst. Ist ihm zu tendenziös. Klingt zu sehr nach irgendwelchen Mauscheleien; nach alten Seilschaften, nach:

Kupetz: " Die alten Staatsfunktionäre der DDR nutzen ihre Beziehungen und kurbeln die Russlandgeschäfte an. Ich denke mal, so was gibt’s auch. Und dass Leute auf beiden Seiten, die auf gewissen Ebenen ja auch zusammengearbeitet haben - die haben sich auch mit Wirtschaft beschäftigt, nicht immer nur mit Sicherheitsfragen. Dann sag ich mal, gefällt es mir nicht ganz, wenn da so nen bisschen die Delegationsreise unter so nem zweiten Titel steht. Aber nen Großteil der Leute sind Wirtschaftsleute! Ich! Seit 1972 betreibe ich das Geschäft Anlagenbau in der ehemaligen Sowjetunion, Ukraine. "

Auch Uwe Leuschner hat im ehemaligen Ostblock studiert: Prag, fünf Jahre lang Außenhandels-Studium. Danach hat der End-Vierziger Werkzeuge aus der DDR in die Sowjetunion und andere RGW-Staaten verkauft. Seine DDR-Biographie ist für den Mann, der nach der Wende Seminare an amerikanischen Universitäten belegte, um erst einmal das Einmal Eins des Kapitalismus zu lernen, wie er halb ironisch meint - für Leuschner ist seine ostdeutsche Biographie nichts Weltbewegendes: Ja, er war FDJ-Funktionär; ja, der von ihm ausgewählte Leiter des Moskauer Ablegers war Pilot bei der Nationalen Volksarmee der DDR; ja, natürlich hätten sich persönliche und geschäftliche Kontakte zum einstigen "großen Bruder" ausgezahlt. So what?! Zu denken, das allein reiche aus, um auf dem russischen Markt zu bestehen: Lächerlich! Erinnert ihn an diese Topmanager aus Frankfurt und München, die letztens neben ihm im Flieger nach Moskau saßen und großspurig über ihre Russlanderfahrungen palaverten.

Leuschner: " Die standen dann unten vor der Passkontrolle in Tscherremetjeva und da schlackerten die Knie. Und hätte man sie draußen nicht abgeholt, hätten sie keine Chance gehabt, sich erfolgreich auch nur einen Meter in Moskau zu bewältigen. Ich weiß nicht, ob das ne Rolle der Herkunft ist. Es ist ne Rolle der Lebensphilosophie. Das heißt, offen zu sein für andere Kulturen, offen zu sein für die Probleme die in anderen Ländern herrschen und danach zu suchen, Lösungen zu finden. Und sich nicht hinzustellen, um schlau Weisheiten von sich zu geben, die Scheinrezepte präsentieren. "

Kupetz: " Bisschen klingt schon noch so mit: Wir waren doch mal die große Weltmacht. Also, das haben einige immer noch nen bisschen drin. Wir sind doch wer! Und wenn dann jemand kommt und ihnen auf, sag ich mal, dem Gebiet der Elektrotechnik versucht, erst Mal das Ohmsche Gesetz zu erklären: Na, dann reagieren se auch sauer. "

Meint Joachim Kupetz. Nur um hinzufügen, diese "Sensibilität" könne man natürlich am ehesten von Leuten erwarten, die noch die Sowjetunion kannten. Wirtschaftsleute wohlgemerkt, keine Polit-Leute. Kupetz fixiert sein Gegenüber: Damit das auch klar ist. Ist es.

Transresch jedenfalls wirbt gezielt um Fachleute mit Ost-Biographie: Studium in der ehemaligen Sowjetunion, am besten Maschinenbau oder Automatisierung, mit perfekten Russisch-Kenntnissen - so lautet die Idealkombination.

Über mangelndes Interesse kann er wirklich nicht klagen: Mark Arinstein. Ständig neue Anfragen. In diesem Jahr wird sein Unternehmen voraussichtlich um zehn Prozent wachsen. Wegen des boomenden russischen Marktes. In ein paar Tagen fliegt er wieder nach Moskau, ein russischer Waggonwagen-Hersteller hat Interesse an seinen Maschinen.

Arinstein: " Ich schätze, dass nächste zehn Jahre wird für uns gute Jahre. Wo wir noch weiter machen können. Weil viele Fabriken in Russland ... bei ungefähr siebzig Prozent die Maschinenstand schon dreißig, beziehungsweise vierzig Jahre alt. Das heißt, da gibt es ein sehr großes Modernisierungspotential. "

Zuversichtlich ist auch Detlef Stonk von der Zukunftsagentur Brandenburg, dass Unternehmen wie Arinstein und Rewico weiter vom Boom in Russland profitieren. Stonk hat das auch bitter nötig. Wirtschaftliche Erfolgsmeldungen sind in Brandenburg in der letzten Zeit rar geworden.

Russland also! Seit Mitte der Neunziger leistet sich Brandenburg ein Wirtschaftsbüro in Moskau, ist der Vertreter Brandenburgs an der Moskwa - ein ehemaliger Mitarbeiter des DDR-Innenministeriums - der einzige Repräsentant eines deutschen Bundeslandes, der quasi diplomatischen Status in Moskau genießt. Und: Stonk setzt darauf, dass sich Wirtschafts-Besuche wie die von Ministerpräsident Platzeck auf lange Sicht auszahlen.

Stonk: " Dafür ist es ein großer Vorteil, dass ostdeutsche Politiker, die in diesem Feld erfahren sind, die Sprachkenntnisse haben, aber auch Kenntnisse der früheren Gesellschafts-Strukturen und auch persönliche Kontakte von früher genutzt werden können. Also: Alt vermischt sich mit neu und dadurch entsteht eine neue Qualität. "

Eine neue Qualität beim Russland-Geschäft will auch Joachim Kupetz entdeckt haben. Als Jelzin noch das Sagen hatte, gab es kaum Planungssicherheit. Unter Putin ist das anders.

Kupetz: " Unsere Aufträge werden umfangreicher und größer. Es ist mehr Ordnung und Sicherheit da. Und ein wenig hat die Freiheit gelitten. Aber: Ich denke mal, bei der Masse, die ich kenne, die sagen: Na ja, gut, es ist nicht immer schön, aber die Vorteile überwiegen schon die Nachteile. "

Politik - das ist nichts für Joachim Kupetz. Hält er sich lieber raus. Letzter mürrischer Blick: Verstanden?! Verstanden. Egal ob zu DDR-Zeiten oder jetzt unter Putin - was zählt, ist, ob der Rubel rollt. Und in Russland rollt er.