Ägypten kommt nicht zur Ruhe

Von Peter Philipp |
Der ägyptische Militärrat will seine Unentbehrlichkeit demonstrieren: Krawalle wie in Port Said zeigen, dass niemand anders als das Militär in der Lage ist, die Dinge unter Kontrolle zu bringen. Der Weg ist nicht weit zum Feuerwehrmann, der selbst Feuer legt, um sich beim Löschen profilieren zu können, meint Peter Philipp.
Das ist der Stoff, aus dem Verschwörungstheorien gestrickt werden: Das Blutbad im Fußballstadion von Port Said sei nicht – wonach es den auf ersten Blick aussieht – Krawall zwischen fanatisierten Fußballanhängern, sondern der Versuch des "Regimes", sich für die ägyptische Revolution vor einem Jahr zu rächen und sicherzustellen, dass ihm nun nicht auch noch der letzte Rest an Macht entgleitet.

Solche Theorien verbreiten sich rasch im Land am Nil, sie nähren neue Unruhen, die allerorten ausbrechen und sie sorgen dafür, dass Ägypten nicht zur Ruhe kommt. Womit sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Denn trotz des Rücktritts von Husni Mubarak, trotz seines Prozesses und trotz der Parlamentswahlen: Das "Regime" ist mitnichten verschwunden. In der Polizei dienen heute immer noch die Leute, die Mubarak treu ergeben waren und sie sollen nun jene beschützen, die sie bisher als Feinde betrachteten.

Mehr aber: Die eigentliche Macht im Staat liegt in den Händen des "Obersten Militärrates" und der ist – nüchtern betrachtet – nichts anderes als ein Symbol der Kontinuität des "ancien régime". Seit der Vertreibung des Königs 1952 ist das Militär an der Macht. Jeder Präsident von Nasser bis Mubarak kam aus dem Militär und konnte sich auf das Militär verlassen, das sich dafür zu einer Art "Staat im Staat" entwickeln durfte.

Um diesen Sonderstatus zu bewahren, hielt der "Oberste Militärrat" unter der Führung von Feldmarschall Tantawi es letztes Jahr für opportun, den Rücktritt Mubaraks und die dann folgenden Demokratisierungsmaßnahmen zu akzeptieren. Gerade die letzten Monate aber haben immer deutlicher gezeigt, dass das Militär nicht daran interessiert ist, seine Machtposition aufzugeben und sich einer zivilen Regierung unterzuordnen. Noch dazu einer Regierung, deren Kurs von Islamisten bestimmt werden dürfte.

Der Militärrat versucht deswegen, seine Unentbehrlichkeit zu demonstrieren: Demonstrationen mit tätlichen Auseinandersetzungen, erst recht aber Krawalle wie in Port Said zeigen, dass niemand anders als das Militär in der Lage ist, die Dinge unter Kontrolle zu bringen.

So zumindest das Kalkül des Militärrates. Aber der Weg ist nicht weit zum Feuerwehrmann, der selbst Feuer legt, um sich beim Löschen profilieren zu können. Ob dieser Vergleich jetzt in Ägypten tatsächlich zutrifft, sei dahingestellt. Breite Kreise der Bevölkerung glauben dies aber und Argwohn und Ablehnung gegenüber dem Militärrat werden ebenso zunehmen wie dessen Maßnahmen zur Sicherung seiner Macht. Gefährliche Fußball-Rowdies hat es in Ägypten übrigens schon lange gegeben, unter den gegenwärtigen Umständen haben ihre Aktionen aber weitreichende und verheerende Folgen.
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