Adenauers rechte Hand

22.09.2009
Hans Maria Globke zog als Staatsminister im Kanzleramt in der Regierung Adenauer im Hintergrund die Fäden. Er bestimmte die Personalpolitik und fand in Adenauer einen beschützenden Dienstherrn: trotz Globkes NS-Vergangenheit hielt er an ihm fest.
Seit Anfang der 50er Jahre, also seit der Zeit, in der er zur grauen Eminenz der Adenauer-Regierung wurde, ist Globke der Inbegriff für personelle Kontinuitäten der NS-Zeit in der Bonner Republik. Der SPD-Politiker Adolf Arndt hat früh auf den Skandal hingewiesen, dass der Mann, der maßgeblich an der juristischen Umsetzung der NS-Rassegesetze beteiligt war, an den Schalthebeln der Macht in Bonn saß.

Bevers beschreibt Globke als ehrgeizigen Beamten, dessen antikommunistische Gesinnung die geistige Grundlage bot für seine Karriere als Beamter im Dritten Reich. Wie aber war Globkes katholischer Glaube mit den Verbrechen vereinbar, die er mitbekam oder gar mit zu verantworten hatte? Dieser Frage geht Bevers nach - und stellt immer wieder fest, wie sehr Globke in der Lage war, Unbequemes auszublenden, während er ansonsten ein phänomenales Gedächtnis hatte. Die Widerstandsvita, die sich Globke nach 1945 zurechtlegte, hält Bevers für wenig glaubwürdig.

Für Adenauer war Globke eine Idealbesetzung im Kanzleramt: dessen katholisch-konservativ-antikommunistische Gesinnung passte perfekt zu seiner eigenen. Um Vorwürfe wegen seiner Rolle im Dritten Reich abwehren zu können, hatte sich Globke genügend "Persilscheine" besorgt. Vor allem aber hatte er detaillierte Kenntnisse über den Beamtenapparat des NS-Regimes. Diese wollte sich Adenauer nutzbar machen, um effizient regieren zu können. Das tat er ab 1948/49, als er auf Globke aufmerksam gemacht wurde, mit aller Entschlossenheit und ungeachtet aller Kritik.

Bevers belegt die unglaubliche Macht, die Globke im Adenauerstaat hatte. Er war wie die berühmte Spinne im Netz: Weit über die Regierungsebene hinaus hatte er maßgeblichen Einfluss auf personalpolitische Entscheidungen. Unter Adenauer führte an Globke kein Weg vorbei. Ob es um Stellenbesetzungen oder um Gelder ging: stets musste man Globke für sein Anliegen gewinnen.

Eindrucksvoll schildert Bevers, wie sehr Globke auch die CDU beherrschte. Er hielt Adenauer in allen Fragen des politischen Alltagshandelns den Rücken frei, war Adenauers engster Berater - und Adenauer konnte sich auf ihn hundertprozentig verlassen.

Bemerkenswert ist allerdings, wie Adenauer seinen treuen Diener auf Distanz hielt: obwohl er mit niemand anderem so intensiv alle politischen Fragen erörterte, ließ sich der Kanzler nie zu einer Duzfreundschaft hinreißen. Adenauer vermittelte das Gefühl, dass Globke ihm zu bedingungsloser Treue verdammt war: Er verteidigte Globke gegen alle Anfeindungen wegen seiner NS-Geschichte - aber es war klar, dass er ihn fallen gelassen hätte, wenn Globke aufmüpfig geworden wäre.

Das Buch von Bevers hat ein paar Längen - etwa wenn es um die Durchsetzung Bonns als Regierungssitz geht oder um den Aufbau von Gehlens Geheimdienst. Insgesamt aber ist es spannend zu lesen. Bevers wirft eine für die Frühgeschichte der Bundesrepublik entscheidende Frage auf: War Globke nötig, um die ungeheuer schwierigen Aufgaben der Adenauer-Ära zu bewältigen? Vor allem die Integration der vom Nationalsozialismus geprägten Bevölkerung und ihrer Eliten in die Demokratie?

Bevers zitiert Egon Bahr, der im Rückblick Verständnis dafür äußerte, dass Adenauer aller Kritik zum Trotz an Globke festhielt. War Globke ein notwendiges Übel beim Aufbau der Demokratie? Oder hat er mehr als nötig für braune Kontinuitäten gesorgt? So berechtigt die moralische Empörung über Globke als Strippenzieher der 50er Jahre sein mag - im Abstand eines halben Jahrhunderts harren diese Fragen einer ernsthaften wissenschaftlichen Auseinandersetzung.

Besprochen von Winfried Sträter


Jürgen Bevers: Der Mann hinter Adenauer. Hans Globkes Aufstieg vom NS-Juristen zur Grauen Eminenz der Bonner Republik
Ch. Links-Verlag 2009
240 Seiten, 19,90 Euro