Adeliges Gemüse tyrannisiert Familie

Die Geschichte um den aufschneiderischen Gurkenkönig Kumi Ori, der Familie Hogelmann an den Rand der Verzweiflung bringt, ist Christine Nöstlingers erfolgreichste Geschichte. Nun liegt der Kinderbuchklassiker auch als Hörbuch vor.
Stellen Sie sich vor: Am Ostersonntag sitzt da plötzlich mitten auf dem Küchentisch ein Gurkenkürbis-farbenes Wesen. Es trägt eine Krone auf dem Kopf und spricht:

"Wir heißt König Kumi Ori, das Zweite. Aus das Geschlecht des Trapelliden."

Unter den verblüfften Blicken aller sechs Hogelmanns klettert der Kumi Ori auf den väterlichen Fernsehsessel und richtet das Wort an das Familienoberhaupt:

"Sind er sehr erstaunlich? Sollt wir erzählen, was wir ist. Und ... was wir hier willen?"

In seiner vornehm zerknitterten Sprache berichtet der König nun, dass er von seinen Untertanen, den Kellerlingen unter dem Haus der Familie Hogelmann, vertrieben wurde. Und hiermit um Asyl bittet.
Der Papa – von Beruf Versicherungssachbearbeiter – glaubt einem König gerne jedes Wort, selbst wenn’s einer ist, der sich anfasst wie roher Hefeteig. Die drei Kinder, die Mutter und der Opa finden das anmaßende Benehmen des Gurkingers unmöglich. Es gibt Streit.

"Ich unterstütze sehr arme Könige in Not, weil ich ein mitleidiger Mensch mit Herz bin, schrie der Vater.
Die Mama hat gebrüllt: Du und ein mitleidiger Mensch mit Herz. Hä Hä Hä. Da kann ich ja nur lachen ...
Aber es hat nicht lustig geklungen."

...erzählt Wolfgang, der mittlere Sohn der Familie Hogelmann. Und wie nun alles auf ein ganz großes Zerwürfnis zuläuft, weil der Durchlauchtigste Gurkenschädel, der Kumi Ori, den Vater beschwatzt, seine untreuen Untertanen zu ersäufen; wie sie Pläne schmieden und der Gurkenkönig dem Vater einen Direktorsposten in der Versicherung anbietet. Er hätte da so seine Verbindungen. Das ist zwar eine Lüge. Die Kinder kriegen das schnell heraus. Aber die große Frage ist, ob der Papa wieder normal wird oder tatsächlich zum Gurkinger überläuft.

Christine Nöstlinger hat in ihrer Rede zur Verleihung des Astrid-Lindgren-Preises gesagt: "Kinder wollen in einer Geschichte auch ein Stück ihrer eigenen Traurigkeit wieder finden. Und dazu eine gehörige Portion Trost, um mit dieser Traurigkeit zurechtzukommen." Das unterscheidet die Nöstlinger von allen Heilewelt-Kinderbüchern, die es vor ihr gab und allen didaktisch-kritischen Problemgeschichten, die dann, bis Harry Potter kam, den Kinderbuchmarkt dominierten. Und wie macht sie das – ehrlich sagen, worum es in so einem Kinderleben geht und dann aber auch Geborgenheit und Trost spenden?

Sie schafft das mit ihrer unverwechselbaren Sprache. Die ist warm, gefühlvoll tastend und spontan. Denn:"Sprache kann bewirken, dass man sich luftballonfrei fühlt.", meint die Nöstlinger aus Erfahrung und Überzeugung.

Sogar wenn es um den ganz großen Vaterkonflikt geht. Im Gurkenkönig versucht Wolfgang seinen kleinen Bruder Nick, den einzigen aus der Familie Hogelmann, der bis fast zum Schluss noch zum Vater hält, gegen diesen in Stellung zu bringen. Besinnt sich aber dann anders:

" Alle kann man nicht mögen. Die Gemeinen darf man überhaupt nicht mögen. Aber sicher war ich mir da nicht."

Es ist dieser Ton, der nie Recht haben will, der etwas Suchendes, Ehrliches und Frisches hat und den nur Christine Nöstlinger trifft. Sie meint, es ginge eben nicht vordringlich darum, kritische Themen anzupacken, sondern wie man darüber spricht: Über Mitesser, verstockte zankende Eltern, Konsumtrottelkinder und einen Opa mit Schlaganfall. All das kommt in der Gurkenkönig-Geschichte vor und kein Kind wird sich deshalb ängstigen.

Auch dank des Schauspielers Stefan Kaminski, eines 32-jährigen Vorlesewunders, der jeder Figur – ob Gurkenkönig oder Schullehrer und sogar den Kellerschranzen - eine einzigartige Stimme gibt. Es ist ein großer Spaß ihm zuzuhören, auch für Leute, die schon deutlich älter sind als zehn.

Rezensiert von Brigitte Neumann

Christine Nöstlinger: Wir pfeifen auf den Gurkenkönig
Gelesen von Stefan Kaminski
Musik von Jan-Peter Pflug
Beltz und Gelberg Verlag
2 CDs; 16,90 Euro