Adeliger Sonderverkauf

Von Jochen Stöckmann · 04.10.2005
Die Welfen verscherbeln in dieser Woche auf einer Mammutauktion ihr Tafelsilber. Unter den rund 20.000 Einzelobjekten aus dem Besitz der Fürsten von Hannover befinden sich auch einige historisch wertvolle Gegenstände, deshalb sollen einige auf die Liste nationaler Kulturgüter gesetzt werden, um so den Verkauf außer Landes zu verhindern.
Mindestens 12 Millionen Euro soll die Mammut-Auktion auf der Marienburg einbringen. Geld, das die Welfenprinzen und ihr Kunstberater Douglas benötigen, um das neogotische Stammschloss bei Hannover zum "Neuschwanstein des Nordens" herauszuputzen. Glaubt man den beiden knapp zwanzigjährigen Söhnen des Welfenchefs Ernst August, dann bleibt die Marienburg ein Hort kultur- und landesgeschichtlicher Schätze: Es kommt, so betonen die beiden aus den USA angereisten Blaublüter, nur unter den Hammer, was ohnehin in dunklen Kellergewölben verstaubte.

Fachleute sehen es anders: Für immerhin eine halbe Million Euro haben niedersächsische Kulturstiftungen jetzt 47 Objekte vorab angekauft. Eisenharnisch und silberne Kaminuhr, das Ölporträt eines Welfenherzogs oder ein Modell des Schöpfwerks, das der Universalgelehrte Leibniz für die Barockgärten in Herrenhausen konstruieren ließ, brauchen die Museen, um ihre Sammlungen zu ergänzen.

Es geht zumindest in Teilen um öffentliches Kulturgut – nicht um mehr oder weniger erlesenen Hausrat. Allerdings auch nicht um einen "Welfenschatz", wie marktschreierisch in den Gazetten behauptet wird. Eine hannoversche Zeitung meldete nach dem Besichtigungsmarathon gar, ein Lucas Cranach-Triptychon werde für 30.000 Euro angeboten. Da hätte der allzu eilige Reporter wahrlich ein Schnäppchen entdeckt. Tatsächlich aber geht es um eine "Anbetung der Hirten" nach Cranach – und so steht es auch im kiloschweren Katalog von Sotheby’s.

Die wirklich wichtigen Kunstkleinode dagegen fehlen, und das hat seinen Grund: Den "Welfenschatz" nämlich haben die einstigen Herren von Hannover bereits Anfang der Zwanziger verscherbelt, als die Weimarer Republik mit der Demokratie ernst machen und die Fürsten enteignen wollte. Seither kann das Cleveland Museum in Chicago stolz und werbewirksam auf seine hochkarätige Mittelalter-Sammlung "aus dem Besitz der Welfen" verweisen – und den kulturbeflissenen Deutschen blieb immerhin der Spott von Erich Mühsams Gedicht "Der Welfenschatz":

"Ernst August mit zerfransten Nerven
langt nach den letzten Notreserven,
denn schon greift die Verzweiflung Platz:
Amerikan'sche Edeltäter,
nehmt hin das Erbe meiner Väter;
ich schmeiß' ihn fort — den Welfenschatz!

Um solchen Wert wär's ewig schade.
Wir kennen ja den Schatz nicht grade,
doch hörten wir von ihm bereits.
Hofräte wimmern, Exzellenzen:
Nie darf dies Gut aus Deutschlands Grenzen! —
Derweil ruht's längst schon in der Schweiz."

Nicht in der Schweiz, sondern in Amsterdamer Lagerhallen ruhte diesmal, was für den Verkauf vorgesehen war. Zumindest beim Kulturgut hat Import-Export hochadelige Tradition und zählt – ebenso wie der Rückgriff auf ausländische Strohmänner – zum Instrumentarium der Besitzstandswahrung: Denn nur was lange genug im Dunkeln gehalten wird, kann nicht in jenes nationale Verzeichnis wertvoller Kulturgüter eingetragen werden, das den lukrativen Verkauf ins Ausland unterbindet.

Und während alle Welt auf die Marienburg schaute, sprach wieder einmal der große Unbekannte vor, diesmal beim Auktionshaus Reiss in Königstein. Dort sollte im Windschatten der Mammutauktion eine auf sieben Millionen Euro geschätzte Bücher-Kollektion unter den Hammer kommen – jene legendäre Gartenbibliothek Herrenhausen, die vor 15 Jahren spurlos aus dem Besitz der Welfen verschwunden war!

Diese Transaktion allerdings ist vorerst gestoppt, das zuständige hessische Ministerium hat die Eintragung in die Liste nationaler Kulturgüter beantragt.