"Yoga und Musik" in Dresden
"Moving Medidation" nennt Anastasia Shevchenko ihre Choreografie. Während sie Yogaposen einnimmt, spielt ihr Mann Ohad Ben-Ari im Dresdner Kulturpalast am Flügel. © Elad Itzkin
Ein achtsamer Weg zur Musik
06:39 Minuten

„Yoga und Musik“ heißt ein Konzertformat im Dresdner Kulturpalast. Anastasia Shevchenko leitet die Übungen an, ihr Mann Ohad Ben-Ari spielt am Klavier. Diese achtsame Weise Musik zu hören, gibt dem Publikum die Möglichkeit, sich selbst zu spüren.
Im Schneidersitz thront Anastasia Shevchenko auf der Bühne. Von hier aus erklärt die zierliche Yogalehrerin fünf Übungen zur Achtsamkeit. „Heute gehen wir auf eine Bewusstseinsreise, begleitet von Musik.“
Wir sitzen auf den normalen Sesseln im Parkett. Das ist nicht ganz so bequem, vor allem die Armlehnen stören ein bisschen bei den Mudras, also den Handgesten, die wir ausführen sollen.
Trotzdem ist die Atmosphäre hoch konzentriert: „Ihr Atem ist immer da“, leitet Anastasia Shevchenko an. Alle Anwesenden machen bereitwillig mit, egal ob junger Yogi oder Seniorin im Strickpullover. Danach geht es los mit der ersten musikalischen Meditation.
Komponieren und Meditieren
„Zu sich selbst finden“ heißt der erste Satz aus den „Five Meditations“ – ein Werk von Ohad Ben-Ari. Er ist Pianist, Komponist und praktiziert seit vielen Jahren selbst Yoga und Meditation. In diesem Klavierwerk hat er beide Welten verbunden.
„Das war erst mal eher so wie fünf Improvisationen mit bestimmtem Charakter“, sagt Ohad Ben-Ari. Zuerst denke er darüber nach, was zur Meditation gut passen könnte. „Dann nehme ich auch mal die Stücke auf und höre ich mir das an und versuche, dabei zu meditieren, zu sitzen“, berichtet er von seiner kreativen Arbeit.
Dabei stelle er dann fest, was gut funktioniert und was nicht: „Dann muss ich das umkomponieren oder anpassen oder neu komponieren oder weglassen, wenn es gar nicht passt. Das ist schon ein Prozess.“
Das Ergebnis klingt anders, als ich erwartet hätte. Unter Meditationsmusik stelle ich mir Gongs oder Panflöten vor. Ohad Ben-Aris Stücke sind viel klarer und gleichzeitig sehr abwechslungsreich. Sie unterstützen den Fokus, auch, weil er sie hervorragend spielt. Einem professionellen Pianisten live zuzuhören ist definitiv etwas anderes als die Klangflächen aus der Dose.
Sich auf die Klaviertöne einlassen
Am Anfang versuche ich noch, alles richtig zu machen. Aber dann lasse ich mich ganz auf die Klaviertöne ein. Der Mitmachteil steht am Ende des Konzertes. Davor tritt Anastasia Shevchenko mit einer Yoga-Performance auf, zu Musik von Erik Satie, Claude Debussy oder Johann Sebastian Bach.
Konzentriert bewegt sich die Yogalehrerin zur Musik, sie beugt und streckt sich, macht komplizierte Drehungen und lässt eine Übung in die nächste fließen. Die Bewegungen strahlen Ruhe aus und wirken doch kraftvoll, passend zu Bachs Musik. Diese Art der Choreografie nennt sie „Moving Meditation“, also Meditation in Bewegung.
„Mir fällt es manchmal schwer, einfach zu sitzen, zum Meditieren und in Stille mich zu finden“, sagt Anastasia Shevchenko. Es kämen dann ganz viele verschiedene Gefühle, es sei sehr schwierig für sie. „Aber wenn ich zusammen mit klassischer Musik geübt habe, dann konnte ich mich gut konzentrieren und ich konnte diesen Weg zurück zu mir selbst finden. Und dann fühlte ich mich nicht so überwältigt von allem, was jetzt gerade in der Welt passiert.“
In ukrainische Flagge eingehüllt
Anastasia Shevchenko lebt seit vielen Jahren in Berlin, geboren ist sie aber in der Ukraine, wo ihre Eltern und Brüder bis heute wohnen.
Im Dresdner Kulturpalast kommt sie eingehüllt in eine Ukraine-Flagge auf die Bühne. Sie und ihr Mann, Ohad Ben-Ari, wollen ein Zeichen setzen, ohne große Reden zu schwingen. „Ich will einfach mit der Flagge da sein, für einen Moment, sodass die Leute das sehen und wahrnehmen“, erklärt sie. „Das fand ich genug.“
Schließlich sei die Veranstaltung ein Konzert und sie und ihr Mann wollten nicht, dass das politische Thema zu dominant werde. „Aber: Bewusstsein, das bedeutet, dass man alles wahrnimmt.“

Anastasia Shevchenko und Ohad Ben-Ari setzen ohne große Reden ein Zeichen gegen den Krieg.© Elad Itzkin
Im Hintergrund hört man die Tochter des Paares singen: „Yoga praktizieren oder Meditation heißt nicht ‚escapism‘“, ergänzt Ohad Ben-Ari die Anmerkung seiner Frau. „Es heißt das Gegenteil: Hier zu sein, das wahrzunehmen, was jetzt ist. Und das gehört leider zu jetzt.“
Lange Stille vor dem Applaus
Es ist eine besondere Atmosphäre, in der das Konzert stattfindet. Am Ende herrscht lange Stille. Auch nach dem Applaus bleiben viele Menschen noch ein bisschen sitzen.
Auf diese achtsame Weise Musik zu hören, sich selbst zu spüren, hat gutgetan.
Und dieser Vormittag hat den rund 150 Menschen im Publikum eine wichtige Sache gezeigt: Dass man bei sich bleiben kann, ohne die Welt da draußen zu vergessen.