Ach, wie war das schön

Von Dieter Jepsen-Föge · 10.07.2006
Ach, wie war das schön, die Millionen umfassende Fröhlichkeit. Die Welt bestätigt uns heute, was wir selber empfinden: Ja, wir können es doch. Wir können nicht nur gut organisieren, wir können auch Feste feiern und als gute Gastgeber dafür sorgen, dass sich auch Fremde zu Gast bei Freunden fühlen. Der liebe Gott hat es gut mit uns Deutschen gemeint. "Ich habe selten ein natürlicheres Verhältnis eines Volkes zu seinem Land gesehen." Dies sagte die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch.
Auch kritische und sensible Beobachter konnten die schwarz-rot-goldene Begeisterung nicht als neuen Nationalismus missverstehen. Wir haben in den vergangenen vier Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, alles richtig zu machen. Es war gut, dass wir als Austragungsland der Weltmeisterschaft zeigen konnten, wie gute Gastgeber mit einer Niederlage umgehen und sich mit den Siegern freuen können.

Wohl erst im Rückblick wird sich die Bedeutung dieses Sommers ermessen lassen. Dieses Ereignis hat unserem im Inneren noch immer zerrissenen Land gut getan. Nur wer selbstbewusst und stolz auf eigene Leistungen ist, kann auch fair und freundlich zu anderen sein und deren Leistungen würdigen.

Patriotismus, wenn er sich denn wirklich entwickelt, zeichnet sich ja durch ein Bekenntnis zum eigenen Land und der Offenheit und Achtung gegenüber den anderen aus. Die Party ist nun zu Ende. Gut so. Denn nichts ist so schwer zu ertragen wie eine Reihe von guten Tagen. Aber die positive Stimmung könnte anhalten. Die positive Stimmung, die nicht die Augen vor den Problemen verschließt, die aber darin zu lösende Aufgaben sieht. Nach dem Motto: Es wäre doch gelacht, wenn wir es nicht schaffen würden.

Was in und mit diesem Land geschehen ist, lässt sich vor allem an den Erwartungen vor Beginn der Spiele ermessen. Nicht nur, dass wir Klinsmanns Elf schon abgeschrieben hatten, im Wortsinn abgeschrieben, bevor überhaupt der erste FIFA-WM 2006-Ball getreten wurde. Wie oft wurde das Motto "Zu Gast bei Freunden" süffisant mit prügelnden Rechtsradikalen kontrastiert. No-Go-Areas war das Wort des Frühsommers. Stoßgebete vor dem Anpfiff: "Hoffentlich passiert nichts, keine Hooligan-Attacken, keine fremdenfeindliche Gewalt, keine Terroranschläge."

Die Sorgen waren nicht unbegründet. Vielleicht waren diese Fußballwochen außerhalb der Stadien so friedlich, weil sich so viele so gut darauf vorbereitet hatten. Und die Furcht vor fremdenfeindlichen Ausschreitungen besteht weiter. Aber die Erfahrung im Umgang mit Millionen Fremden kann doch helfen, durch täglichen freundschaftlichen Umgang Ängste und Vorurteile abzubauen. Wer die vergangenen vier Wochen im wachen Zustand erlebt hat, wird etwas für schwierigere Zeiten mitgenommen haben. Nur wer im Rausch gedämmert hat, wird mit Katerstimmung erwachen. Das Leben geht weiter, trösten sich heute viele Menschen gegenseitig. Das allein wäre ja schon eine positive Aussage. Vielleicht geht es ja sogar gut weiter. Es muss nicht immer Kaviar sein, es muss auch nicht immer Party sein.