Abzug von US-Truppen

Keine Krisenstimmung in Spangdahlem

10:53 Minuten
Die US-Air Base Spangdahlem in Rheinland-Pfalz. Ein Schild weist auf den US-Militärflughafen hin.
Das 52. US-Jagdgeschwader soll von Spangdahlem nach Nordost-Italien verlegt werden. © dpa/Harald Tittel
Von Anke Petermann · 06.08.2020
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Mit der Drohung, die US-Truppen abzuziehen, haben sich die Menschen in der Eifel arrangiert. Es ist nicht das erste Mal. Und so rechnen sie zwar mit wirtschaftlichen Einschränkungen, doch Krisenstimmung herrscht deswegen in Spangdahlem nicht.
In der Eifel-Kreisstadt Bitburg Menschen zu finden, die der Abzug der US-Kampfjets direkt betrifft, ist nicht schwer.
Sie sorgt sich, verrät diese Passantin in der Fußgängerzone, denn: "Mein Mann hat mit den Amerikanern zu tun, weil seine Firma mit den Amerikanern zusammenarbeitet. Er ist ein Lagermeister, und er arbeitet mit den Amerikanern bei Gillen & Garcon."
Lagermeister bei Gillen & Garcon, einer alteingesessenen Umzugsfirma in Bitburg. Ihr "all-round trouble-free package", das auf englischsprachigen Internetseiten angepriesene Rundum-sorglos-Paket, könnte demnächst besonders gefragt sein. Denn mit den zwanzig F-16-Jagdbombern sollen Piloten, Flugzeugtechniker und Zivilbeschäftigte vom benachbarten US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem nach Nordost-Italien umziehen. Sind die erstmal weg, bleibt wenig zu tun, argwöhnt die Frau des Lagermeisters.

Wirtschaftliche Einschränkungen

"Ich finde, die Amerikaner haben schon längere Zeit nicht mehr diese bedeutende Funktion, die sie mal im Kalten Krieg hatten", sagt ein Passant, der durch Bitburgs Fußgängerzone flaniert. "Den Kalten Krieg haben wir nicht mehr, warum sind überhaupt noch so viele US-Truppen in Deutschland stationiert. Ich habe natürlich auch keinen Nachteil, weil ich kein Haus vermiete. Ich denke, auf wirtschaftlicher Ebene gibt's da schon zukünftig Einschränkungen."
Andererseits meint er: "Viele Aufträge, die die Amerikaner auf dem Flugplatzgelände haben, werden eh sehr oft intern selber erledigt. Und ob dazu immer Fremdfirmen aus unserer Region die Möglichkeit haben, das lass' ich auch mal dahingestellt. Also, es wird bestimmt ein wirtschaftlicher Verlust sein, aber wir haben ja auch keine Franzosen, Briten, Russen oder sonstiges mehr hier, und da kräht auch kein Hahn mehr danach."
Nur ein paar hundert Meter weiter die Verwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm. Landrat Joachim Streit, Spitzenkandidat der Freien Wähler für die Landtagswahl 2021, umreißt die wirtschaftliche Bedeutung des US-Stützpunktes in Zahlen: "Die Amerikaner geben jedes Jahr 100 Millionen Euro aus, in Mieten Dienstleistungen, aber auch Bauleistungen. Also, Konsum und Investition hängen auch an der Airbase Spangdahlem." "Auch", unterstreicht der Landrat. Das soll heißen: Komplett abhängig von den US-Truppen ist der Eifelkreis nicht.

Neuansiedlungen sollen Arbeitsplätze sichern

Konversion, die Umwandlung militärischer in zivile Infrastruktur, ist seit 25 Jahren Streits Hauptgeschäft: Zunächst als Bürgermeister, später als Landrat trieb und treibt er die Neuansiedlung von Industrie, Handel und Gastgewerbe auf dem Ex-Militärflugplatz der Kreisstadt Bitburg mit voran.
"Damals, als 1994 die Amerikaner sagten, wir ziehen ab, dachten wir alle, hier gehen die Lichter aus", erinnert sich Streit. "Es wurden sämtliche Erschließungen für Wohnbau- und Gewerbegebiete gestoppt und genau das Gegenteil trat ein: In den neunziger Jahren war der Abzug der Amerikaner das Beste, was der Stadt und dem Kreis passieren konnte. Die Flächen wurden aufgesaugt vom hiesigen Gewerbe, Deutschland boomte insgesamt. Und wir merkten, die Nachfrage ist so groß."
Der Bund gab die ehemaligen Militärflächen zu Niedrigstpreisen her und zahlte gemeinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz die Erschließung. So konnten sich kleine und mittlere Firmen aus der Region günstig vergrößern. Auch Investoren von außen sicherten sich Grundstücksschnäppchen. Die Rechnung ging auf für den Steuerzahler.

Enorme Kosten für die Amerikaner

Doch heute herrscht statt Boom Corona-bedingte Flaute. Und Spangdahlem ist keine Kreisstadt, sondern ein Eifeldorf mit 800 Einwohnern. Deshalb begrüßt Joachim Streit, dass der dortige Militärflugplatz erhalten bleibt, wie der Kommandant der Airbase präzisierte.
"Das, was bei uns alles investiert wurde, das sind in den letzten 15 Jahren weit über eine Milliarde Euro, auch die Verlagerung von Rhein-Main Frankfurt nach Ramstein und Spangdahlem hat ja enorme Kosten mit sich gebracht für die Amerikaner."
Ein Hinweisschild weist auf das Haupttor des US-Militärflughafens.
Vor einigen Jahren wurde die Air Base ausgebaut für Flieger, die dann doch nicht kamen. In der Eifel hat man sich an der Hin und Her gewöhnt.© picture alliance / dpa / Harald Tittel
"Also, die Wegführung ist etwas kompliziert", sagt Günther Schneider. Der pensionierte Nebenerwerbsbauer wohnt nur 600 Meter vom US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem entfernt. Schneider kennt die Schleichwege am Zaun lang, hat früher selbst in der Wartung am Stützpunkt gearbeitet. Wo investiert wurde, das weiß er, deutet aus dem Autofenster.
"Das ist der neueste Teil des Flugplatzes. Hier wurde geklotzt und nicht gekleckert, mit Einkaufs- und Sportzentrum. Die neue Highschool mit den ganzen Sportfeldern drum rum, Football-Platz, Tennisfelder, schauen Sie sich mal nur diese Flutlicht-Anlage an."

Enteignung für den Ausbau der Air Base

Beeindruckend viele hohe Leuchten machen vermutlich die Nacht zum Tag. Dass US-Militärs erst investieren und einen Standort dann schrumpfen – für Anrainer nichts Neues: Nach dem Ausbau von Spangdahlem 2005 wurde schon die A-10-Fliegerstaffel abgezogen.
2015 kehrten die gegen Panzer einsetzbaren Kampfflugzeuge für ein halbes Jahr zurück – seit Beginn des Ukraine-Konflikts agiert die US-Luftwaffe zunehmend flexibel, beschleunigt die Rotation von Soldaten und Maschinen. Zusagen und Absagen folgen einander auf dem Fuß.
Rentner Schneider, der für den Ausbau Anfang der 2000er Jahre enteignet wurde, weiß das genau. Er zeigt auf bemooste, abrissreife Beton-Bunker. "Die Senkrechtstarter, die jetzt in England stationiert sind, sollten in dieses Gebiet kommen."
Doch die Verlegung Tausender von Soldaten plus Kampfjets aus dem britischen Mildenhall nach Ramstein und Spangdahlem wurde im Frühjahr gestoppt. Fertiggestellt dagegen: eine komplett neue Reihenhaussiedlung in Pastellfarben. Alte Housing-Gebäude wurden dafür abgerissen, Spielplätze vom einsehbaren Zaun-Rand der Siedlung nach innen verlegt.
Warum sich die Amerikaner zunehmend einigeln, erklärt Günther Schneider später auf seinem Binsfelder Hof. 2005 verlor Schneider Äcker, die sein Vater ihm vermacht hatte. Ruhig, bedächtig, ohne Schaum vor Mund setzt er sich heute beim Bund für Umweltschutz und Naturschutz (BUND) gegen Fluglärm sowie die Verschmutzung von Boden, Wasser und Luft ein.
Als Informationsquelle nutzt der Aktivist unter anderem eine US-Militär-Zeitung, die 'Stars and Stripes'. Darin werde aufgefordert, "dass sich die Amerikaner nicht an der deutschen Wirtschaft beteiligen, die Familien sollen nicht in deutschen Geschäften kaufen, sondern sie hätten alles selbst auf dem Flugplatz."

Amerikaner ziehen sich aus Eifeldörfern zurück

Seit den Anschlägen von 2001 ziehen sich die US-Soldaten zunehmend aus den Eifeldörfern zurück. Dass es, wie von Landes- und Kommunalpolitikern behauptet, immer noch 2000 Mietverhältnisse in der Region gibt, bezweifelt Schneider. Ihren Sold gäben Militär-Familien zunehmend auf den US-Stützpunkten aus, der deutsche Handel werde künftig kaum noch profitieren, glaubt er.
Über den Abzug der zwanzig Bomber kann sich der Ex-Zivilbeschäftigte dennoch nicht freuen. "Da schlagen auch zwei Herzen in meiner Brust. Einmal denke ich über die Arbeitsplätze nach, weil viele meiner Freunde und Bekannten auch dort arbeiten. Es handelt sich immerhin um sechs-, siebenhundert Arbeitsplätze, wenn man den Zahlen so glauben darf. Aber was die Lebensqualität für die Anwohner angeht, hoffe ich, dass es wesentlich besser wird."
Ein Transportflugzeug von Typ C-5 Galaxy startet vom US-Militärflughafen.
Die Transportflugzeuge bleiben in Spangdahlem. Nur das Jagdgeschwader wird abgezogen.© picture alliance / dpa / Harald Tittel
Die dröhnenden An- und Abflüge der Kampfjets fallen weg, der ohrenbetäubende Überschallknall auch. Der Ausstoß von Kerosin und krebserregenden Beimischungen verringert sich, wenn nur noch die riesigen Transportmaschinen bleiben.
Das Problem mit den Perfluorierten Tensiden PFT in Böden, Bächen, Seen und im Grundwasser bleibt jedoch. Schneider blickt von seinem Nutzgarten mit Gewächshaus zum Stützpunkt-Gelände. Dort wurden die giftigen Chemikalien eingesetzt. Wer die US-Luftwaffe als Wohlstandförderer lobt, verdrängt die Umweltlasten und deren Kosten, das ärgert ihn.

Treibstoff und Löschschaum im Boden

"Wo heute der Terminal steht, war eine Übungsfläche, dort war ein Baggerloch in der Erde, dort war ein aus Blechplatten geschweißtes Flugzeug drin, da wurde alle zwei Tage eine große Menge Kerosin ausgeschüttet, das wurde entflammt mit einer riesigen schwarzen Wolke, die hier über die Orte gezogen ist. Dann kam die Feuerwehr mit ihren Fahrzeugen und Löschkanonen und hat Löschschaum drauf gesprüht, und die Natur hat ihr Übriges getan, die Löschschäume und Treibstoffe dort in der Gegend zu verteilen."
Ein Mann steht vor einem Tank mit der Aufschrift
In Binsfeld nahe der Base: Günther Schneider, Ex-Nebenerwerbslandwirt, Rentner, Umweltaktivist, kämpft gegen gesundheitsschädliches Flugbenzin und die giftigen Hinterlassenschaften des US-Luftwaffenstützpunkts Spangdahlem (im Hintergrund)© Deutschlandradio / Anke Petermann
Teile des Grundwassersees in der Trier-Bitburger Mulde sind kontaminiert, zwei Trinkwasserbrunnen schon außer Betrieb. Angeln in den Fischteichen um den Stützpunkt - verboten. Dass der verunreinigte Boden auf der Base saniert oder zumindest nach unten abgedichtet wird, wäre der Selbstversorger-Familie Schneider wichtig, damit die gesundheitsschädlichen Chemikalien die Region nicht weiter vergiften.

Der Bund ist gefragt

"Worum es mir persönlich ginge, wäre eine Sanierung zumindest an der Oberfläche, damit die Menschen – wir leben ja hier auf dem Land, hier haben viele Leute noch Gärten, dass die Lebensmittel nicht verseucht sind, dass wir wieder angeln können."
Die örtliche Bierbrauerei wirbt mit "reinstem Tiefenwasser". Darum zu kämpfen, dürfte Daueraufgabe der Bitburger Region bleiben, noch nachdem der letzte US-Soldat die Base verlassen hat. Die Amerikaner werden nicht zahlen, glaubt Günther Schneider. "Da ist der Bund gefragt."
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