Initiative Abortion Buddy

Eine Abtreibung kann sehr einsam sein

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Illustration einer Hand mit einem Ultraschallbild und vielen Tablettenstreifen.
Information zu einem Schwangerschaftsabbruch zu erhalten, ist nicht einfach. Auch, wenn das Werbeverbot diesbezüglich aufgehoben wurde. © Getty Images / iStockphoto / Ekaterina Biryukova
Von Julika Kott · 10.01.2023
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Ganz alleine sollte niemand zur Abtreibung gehen, meint Hannah. Sie hat deswegen Abortion Buddy bei Instagram ins Leben gerufen: Dort informiert sie über das Thema und sie begleitet Frauen individuell – wenn nötig, auch bis in die Praxis zum Eingriff.
„Mein erster Impuls war: Ich will aber nicht schwanger sein, ich möchte das nicht.“ Mit diesem Gedanken ist Hannah nicht alleine. Jährlich entscheiden sich 100.000 Menschen in Deutschland für einen Schwangerschaftsabbruch, so das Statistische Bundesamt. Das sind über 270 Abbrüche am Tag. Sie sind medizinisch sicher, und doch ist es ein holpriger Weg bis dahin.
Hannah kritisiert vor allem, dass es so schwer ist, an niedrigschwellige Informationen zu kommen. „Es gibt keine Quelle, bei der ich sagen würde, hier habe ich alles, was ich brauche, und hier habe ich das Gefühl, das sachlich, sortiert und vor allem in leichter Sprache, also barrierefrei, zu bekommen“, erzählt sie. Um das zu ändern hat Hannah auf Instagram die Initiative Abortion Buddy gegründet. Buddy bedeutet im Englischen so etwas wie Kumpel oder Freund.

Individuelle Begleitung bei der Abtreibung

Ein Abbruch kann sehr einsam sein. Viele halten ihn vor Freundinnen, Familie oder Partner geheim und haben niemanden, mit dem sie über ihre Gefühle sprechen können. Mit ihrer Initiative bietet Hannah deshalb eine individuelle Begleitung an. Die kann ganz unterschiedlich sein: zuhören, beruhigen, die verschiedenen Schritte erklären oder sogar persönlich zu einem Termin begleiten.

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„Es hat damit begonnen, dass ich ein Foto von mir auf meinem privaten Account gepostet habe, wo ich gesagt habe: Ich komme mit“, sagt sie. Dieser Satz sei ihr im Kopf geblieben. „Weil mir das von meinen Freundinnen angeboten wurde. Bei mir ist jemand mitgekommen, und ich nicht möchte, dass irgendjemand das alleine machen muss.“ Auf dem Instagram-Kanal „Abortion Buddy“ stellen sich inzwischen zwölf weitere ehrenamtliche Buddys vor, mit einem Foto und einem kurzen, persönlichen Text.

Mehr Informationen und Aufklärung notwendig

Auf ihrem Kanal macht Hannah auch Aufklärung rund um das Thema Abtreibung: wen anrufen, was sagen und wie mit seinen Gefühlen umgehen. Aber auch Aufmunterndes wie Musik- oder Filmtipps. Mit über 1.000 Followerinnen nach knapp sechs Monaten, scheint der Bedarf danach da zu sein.
Uta Engelhardt, die Landesgeschäftsführerin von Pro Familia Niedersachsen, begrüßt die Initiative sehr. Ihre Landesstelle plant eine Zusammenarbeit mit „Abortion Buddy“. Sie findet es gut, wenn Informationen zur Methode und zum allgemeinen Prozedere eines Abbruches auch über soziale Medien veröffentlicht werden. Denn: „Je breiter die Informationen gestreut werden, desto besser können Frauen informiert sein.“ Sie betont: Solche Angebote können keine professionelle Beratung ersetzen. Aber sie können sie ergänzen, insbesondere für Fragen des Alltags. Denn eine Eins-zu-eins-Betreuung durch den gesamten Prozess könne Pro Familia nicht leisten, so Uta Engelhardt.

Abtreibung in Deutschland rechtswidrig

Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nach wie vor rechtswidrig. Gesetzlich sind sie im Paragraph 218 Strafgesetzbuch festgelegt. Unter bestimmten Bedingungen ist ein Abbruch jedoch straffrei: Erst ein Termin bei Pro Familia für die verpflichtende Beratung, dann der erste Termin bei einer Gynäkologin, um die Schwangerschaft festzustellen, dann noch der Termin bei der Krankenkasse, um eine Kostenübernahme zu beantragen, und das alles vor Ende der zwölften Woche.
Damit ist jedoch immer noch kein Abbruch eingeleitet worden. Das war auch für Hannah die größte Hürde: die vielen Termine, die anfallen. „Ich bin durch Berlin gerannt, während es mir körperlich nicht gut ging, mir übel war und ich mich so ein bisschen eklig in meinem Körper gefühlt habe. Ich glaube, das kam aus einem Gefühl von: Ich will nicht mehr schwanger sein.“

Recht auf Abtreibung ist stark umstritten

Für Hannah ist die aktuelle Informationslücke dem langen Informationsverbot geschuldet. Nach über 70 Jahren wurde das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraf 219a im Juni des letzten Jahres abgeschafft. Seitdem müssen Ärztinnen und Ärzte keine Klage mehr befürchten, wenn sie auf ihrer Webseite schreiben, welche Methode sie anwenden. Theoretisch können sich Patientinnen seitdem besser über ihren Abbruch und die möglichen Risiken informieren.

In Deutschland ist das Recht auf Abtreibung stark umstritten. Nur etwa die Hälfte der Bevölkerung stimmt einer selbstbestimmten Abtreibung zu. Das zeigt eine europäische Studie aus dem Jahr 2016. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist eine bedingungslose Legalisierung nicht geplant. Pro Familia dagegen setzt sich für eine Entkriminalisierung ein. „Solange der Schwangerschaftsabbruch kriminalisiert wird, bekommen sie keine freie Informationsmöglichkeit“, betont Landesgeschäftsführerin Uta Engelhardt. „Die Informationen, wo sie Abbrüche machen können, welche Ärzte das durchführen in den jeweiligen Städten, Landkreisen, Kommunen, das bekommen sie ja nur bei den anerkannten Konfliktberatungsstellen.“

Immer weniger Abtreibungspraxen

Tatsächlich ist die Versorgung in Deutschland sogar rückläufig. Immer weniger Praxen und Krankenhäuser machen Abtreibungen. Dadurch müssen Patientinnen noch länger auf einen Termin warten und längere Entfernungen zurücklegen. ­­­ Das verschärft die bereits angespannte Lage und ist sehr belastend für Betroffene.
Auch in diesen Momenten können sie sich an Abortion Buddy wenden, meint Hannah. Doch sie ist sich der Grenzen ihrer Initiative sehr bewusst und bleibt bei der Begleitung vorsichtig. „Soll ich abbrechen, soll ich nicht abbrechen? Oder: Soll ich es meinen Eltern erzählen? Das kann ich nicht entscheiden. Das muss jeder persönlich entscheiden“, sagt sie. „Ich kann nur immer wieder drauf verweisen, was anderen passiert ist, wie es anderen damit gegangen ist, und bei medizinischen Themen ganz klar sagen: Das muss dein Bauchgefühl entscheiden, auch in Absprache mit einer Ärztin.“
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