Abstrampeln für ein bisschen Glück
Seit Jahren schon gehören Texte deutsch schreibender Autoren, deren Muttersprache Ungarisch, Russisch, Japanisch, Türkisch oder Rumänisch ist, zum Interessantesten, was die Literatur hierzulande zu bieten hat. Große Aufmerksamkeit erregte vor drei Jahren der gebürtige, auf Deutsch schreibende Bulgare Dimitré Dinev. Sein Romandebüt "Engelszungen", ein Erfolg bei Kritik und Publikum, wurde mehrfach ausgezeichnet.
Jetzt hat der Siebenunddreißigjährige, der seit 1990 in Wien lebt, einen Band mit Erzählungen vorgelegt. Für die Titelgeschichte "Ein Licht über dem Kopf" erhielt er bereits wieder einen Preis: von Deutschlands größtem Taxiversicherer, der VDK. Was auf den ersten Blick skurril anmutet, wird beim Lesen der Geschichte glasklar. Das von Dinev beschriebene Licht über dem Kopf seines Protagonisten Svetlev Plamen ist das leuchtende Schild "Taxi".
Plamen, einst Holzhacker in Sibirien, dann Schlosser, verliert nach dem Ende des kommunistischen Systems in Bulgarien seine Arbeit. Er schlägt sich durch als Fahrer für ein Bestattungsunternehmen. Da sich immer weniger Hinterbliebene eine Limousine leisten können, macht er sich schließlich als Taxifahrer selbstständig. Darin findet er seine Bestimmung. Mit schwarz erworbener Konzession und manipuliertem Taxameter kommt er zu Wohlstand. Bis er eines Tages zusammengeschlagen und seines Wagens beraubt wird.
Kurz darauf beim Ikonenklau erwischt, landet er im Gefängnis, seine Frau lässt sich scheiden. Auf Hafturlaub besorgt sich Plamen einen falschen Pass, reist ganz legal aus Bulgarien aus, nach Österreich ein. Er heißt nun Pyros Putakis, ist angeblich Grieche und findet wieder Arbeit als Taxifahrer. Irgendwann erwischt ihn die österreichische Fremdenpolizei, das gelbe Licht über seinem Kopf erlischt erneut, ein blaues rotiert, er wird zum Revier gefahren. Und weil er nicht spricht, schlägt man ihn dort, solange bis er Lichter sieht, die er noch nie gesehen hat.
Plamen ist ein typischer Held Dimitré Dinevs. Ein Mensch aus dem Osten Europas, dessen Leben vom Existenzkampf geprägt und dessen Glück immer nur kurzweilig ist. Bulgaren, Russen, Rumänen, in den Westen geschwemmt von der Flutwelle, die der Zusammenbruch des Kommunismus ausgelöst hat.
"Wie ich lebe ist meine Heimat", heißt es in einem Gedicht der bulgarischen Autorin Zsofia Balla. Dinevs Helden leben schlecht. Sie haben alle keine Heimat, denn nirgendwo sind sie frei. Sie strampeln sich ab, aber können nicht selbst entscheiden, wie sie leben wollen. Gewalt ist für sie an der Tagesordnung, auch im Westen. Dorthin wollen sie, in der Annahme ihr Glück machen zu können. Die Enttäuschung folgt. Manche kehren ernüchtert zurück.
Dinevs Erzählungen sind aber keineswegs deprimierende Sozialreportagen, sondern eine furiose Mischung von slawischer Seele und deutschem Wortwitz. Die Figuren stemmen sich trotzig und temperamentvoll gegen ihre erdrückenden Lebensumstände. Sie verfügen über den lakonischen, bitteren Humor der Unterprivilegierten, über die beinahe irre Heiterkeit von Verlorenen.
Dinev erzählt in kurzen, trockenen Sätzen. Nutzt jede Möglichkeit zum Wortspiel, fabuliert und schafft so eine ganz eigene, poetische Prosa. Absurdes wirkt in seinen bunten Schilderungen vertraut. Das Schreckliche wie ein schlechter Witz Gottes. Selten findet man menschliches Scheitern so zärtlich beschrieben wie bei diesem Autor.
Dimitré Dinev: "Ein Licht über dem Kopf"
Deuticke Verlag, Wien 2005, 17,90 €
Plamen, einst Holzhacker in Sibirien, dann Schlosser, verliert nach dem Ende des kommunistischen Systems in Bulgarien seine Arbeit. Er schlägt sich durch als Fahrer für ein Bestattungsunternehmen. Da sich immer weniger Hinterbliebene eine Limousine leisten können, macht er sich schließlich als Taxifahrer selbstständig. Darin findet er seine Bestimmung. Mit schwarz erworbener Konzession und manipuliertem Taxameter kommt er zu Wohlstand. Bis er eines Tages zusammengeschlagen und seines Wagens beraubt wird.
Kurz darauf beim Ikonenklau erwischt, landet er im Gefängnis, seine Frau lässt sich scheiden. Auf Hafturlaub besorgt sich Plamen einen falschen Pass, reist ganz legal aus Bulgarien aus, nach Österreich ein. Er heißt nun Pyros Putakis, ist angeblich Grieche und findet wieder Arbeit als Taxifahrer. Irgendwann erwischt ihn die österreichische Fremdenpolizei, das gelbe Licht über seinem Kopf erlischt erneut, ein blaues rotiert, er wird zum Revier gefahren. Und weil er nicht spricht, schlägt man ihn dort, solange bis er Lichter sieht, die er noch nie gesehen hat.
Plamen ist ein typischer Held Dimitré Dinevs. Ein Mensch aus dem Osten Europas, dessen Leben vom Existenzkampf geprägt und dessen Glück immer nur kurzweilig ist. Bulgaren, Russen, Rumänen, in den Westen geschwemmt von der Flutwelle, die der Zusammenbruch des Kommunismus ausgelöst hat.
"Wie ich lebe ist meine Heimat", heißt es in einem Gedicht der bulgarischen Autorin Zsofia Balla. Dinevs Helden leben schlecht. Sie haben alle keine Heimat, denn nirgendwo sind sie frei. Sie strampeln sich ab, aber können nicht selbst entscheiden, wie sie leben wollen. Gewalt ist für sie an der Tagesordnung, auch im Westen. Dorthin wollen sie, in der Annahme ihr Glück machen zu können. Die Enttäuschung folgt. Manche kehren ernüchtert zurück.
Dinevs Erzählungen sind aber keineswegs deprimierende Sozialreportagen, sondern eine furiose Mischung von slawischer Seele und deutschem Wortwitz. Die Figuren stemmen sich trotzig und temperamentvoll gegen ihre erdrückenden Lebensumstände. Sie verfügen über den lakonischen, bitteren Humor der Unterprivilegierten, über die beinahe irre Heiterkeit von Verlorenen.
Dinev erzählt in kurzen, trockenen Sätzen. Nutzt jede Möglichkeit zum Wortspiel, fabuliert und schafft so eine ganz eigene, poetische Prosa. Absurdes wirkt in seinen bunten Schilderungen vertraut. Das Schreckliche wie ein schlechter Witz Gottes. Selten findet man menschliches Scheitern so zärtlich beschrieben wie bei diesem Autor.
Dimitré Dinev: "Ein Licht über dem Kopf"
Deuticke Verlag, Wien 2005, 17,90 €