Abschluss in Regensburg

Von den Armen bekehren lassen

Ordensschwestern gehen am 31. Mai 2014 während des Katholikentags in Regensburg auf der Steinernen Brücke.
Ordensschwestern gehen am 31. Mai 2014 während des Katholikentags in Regensburg auf der Steinernen Brücke. © picture alliance / dpa / Armin Weigel
Von Philipp Gessler · 01.06.2014
Nein, der Katholikentag in Regensburg war kein schlechter. Doch überleben kann der Kirchentag in Zukunft nur, wenn er sich neu erfindet und stärker den Dialog mit den säkularen Milieus sucht.
Braucht die deutsche Gesellschaft noch Kirchentage evangelischer oder katholischer Façon? Sind sie noch Brutstätten oder Katalysatoren neuer Gedanken, die die deutsche Demokratie voran bringen? Sie waren es mal, erinnert sei an die friedensbewegten Evangelischen Kirchentage Anfang der 80er-Jahre.
Aber wie ist das im Jahr 2014: Werden auf Katholiken- und Kirchentagen noch überraschende, wichtige Debatten angestoßen, neue Mehrheiten zur Reform der Bundesrepublik geschmiedet? Stärken sie den Zusammenhalt in einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft? Lohnt sich, platt gesagt, der ganze Aufwand und das ganze Geld? Alles nur Blabla?
Die Antworten auf diese Fragen fallen schwer, denn die Ergebnisse von Kirchen- und Katholikentage sind nicht zu messen; sie bewegen sich im Rahmen kollektiver Gefühle, es geht um Stimmungen und Eindrücke. Mag sein, dass die Zeit für solche Großveranstaltungen vorbei geht, dass sich die wichtigen Debatten heute eher in anderen Foren der Zivilgesellschaft oder vielleicht im Internet austoben.
Gute, angenehme Veranstaltungen
Wohlgemerkt: Kirchen- und Katholikentage sind gute, angenehme Veranstaltungen: Hier trifft sich ein engagierter Teil der Zivilgesellschaft, pathetisch gesagt: die Mitte der Gesellschaft, mit der Staat zu machen ist. Katholiken- und Kirchentage sind wie Tankstellen für viele Menschen, die nach diesen Veranstaltungen voller Anregungen, guter Erinnerungen und neuer Kontakte motiviert wieder in ihren Alltag zurückkehren.Es gibt ein Bedürfnis nach diesen christlichen und übrigens sehr deutschen Großveranstaltungen, sonst würden sie nicht nach wie vor Zehntausende jedes Jahr anlocken.
Aber so wie die Fliehkräfte in der Gesellschaft stärker werden, nehmen sie auch innerhalb der Volkskirchen zu. Die Milieus schließen sich immer mehr ab, genügen sich immer mehr selbst, so scheint es. So genannte Lebensschützer aus der bayerischen, marien-frommen Provinz und kritische Katholiken aus den urbanen Zentren stehen sich oft nur noch fremd gegenüber.
Und das gilt für den Kontakt nach außen umso mehr: Können beispielsweise eine junge Atheistin aus Leipzig, deren Eltern und Großeltern sich schon völlig ohne Kirche durchs Leben geschlagen haben, und ein in Würde ergrauter Dorfpfarrer aus Schwaben überhaupt noch sinnvoll miteinander reden, und das auch noch über die letzten Dinge? Und hat wirklich ein streng konservativer Bischof wie der Regensburger Oberhirte Rudolf Voderholzer noch viel zu tun mit einem offenen, reformfreudigen Mann wie Papst Franziskus?
Kein schlechter Katholikentag
Nein, es war kein schlechter Katholikentag in Regensburg – es gab so etwas wie den Franziskus-Effekt an der Donau, es gibt Zeichen des Aufbruchs in der katholischen Kirche der Bundesrepublik.
Der stark verbürgerlichte Katholikentag aber muss sich, will er überleben, wieder neu erfinden. Er muss, ganz im Sinne von Papst Franziskus und der Befreiungstheologie, sich von den Armen und den Menschen am Rande der Gesellschaft bekehren lassen. Und er muss stärker den - zugegeben mühsamen - Dialog mit den säkularen Milieus in Deutschland suchen. Nur so hat er eine Zukunft.
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