Absage nach Gastbeitrag

WDR entscheidet sich gegen Zusammenarbeit mit El-Hassan

Ulrike Herrmann im Gespräch mit Jana Münkel  · 03.11.2021
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Der WDR hätte im Umgang mit der Journalistin Nemi El-Hassan großzügiger sein sollen, kritisiert taz-Redakteurin Ulrike Herrmann. Dass keine Zusammenarbeit zustande kommt, spiele der Kampagne von "Bild" und Rechtsradikalen in die Hände.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat sich endgültig gegen eine Zusammenarbeit mit der Journalistin und Ärztin Nemi El-Hassan entschieden. Als Begründung nannte der Sender, das Vertrauen für eine künftige Zusammenarbeit sei nicht mehr vorhanden. Eigentlich sollte sie ab November die Wissenschaftssendung "Quarks" moderieren.
Als das bekannt wurde, hatte "Bild" darüber berichtet, El-Hassan habe im Jahr 2014 an einer Al-Kuds-Demonstration in Berlin teilgenommen. Bei den alljährlichen Al-Kuds-Demonstarionen in Berlin waren in der Vergangenheit immer wieder antisemitische Parolen gerufen und Symbole der proiranischen libanesischen Hisbollah gezeigt worden. El-Hassan, die palästinensische Wurzeln hat, entschuldigte und distanzierte sich nach dem Medienbericht in einer Erklärung von ihrer damaligen Teilnahme in jungen Jahren.

Gastbeitrag von Nemi El Hassan

Der WDR hatte zunächst gesagt, sie könne nicht ab November moderieren, sich aber Bedenkzeit wegen einer Autorentätigkeit ausgebeten. Nun erschien in der "Berliner Zeitung" ein Gastbeitrag der Journalistin, in dem sie den WDR für den Umgang mit ihr kritisierte und ihre palästinensische Familiengeschichte ausführlich darlegte. Die Veröffentlichung war offenbar Anlass für den Sender, jede Zusammenarbeit mit El-Hassan abzusagen.
Die Journalistin Ulrike Herrmann 
Die Journalistin Ulrike Herrmann würde begrüßen, wenn der WDR seine Entscheidung nochmal überdenkt. © picture alliance / Flashpic / Jens Krick
"Ich glaube, dass man nicht sagen kann, dass Neni El-Hassan antisemitisch ist", sagt taz-Journalistin Ulrike Herrmann. Sie habe sich von der Al-Kuds-Demonstration distanziert und kritisiere hin und wieder den Staat Israel. "Aber ihre Positionen weichen nicht ab von dem, was auch linke Juden sagen würden." Es sei schließlich Fakt, dass im Westjordanland permanent das Völkerrecht gebrochen werde. "Insofern kann man ihr inhaltlich eigentlich gar keine Vorwürfe machen", so Herrmann.

Umgang mit Kampagnen

Deshalb stelle sich eine grundsätzliche Frage: "Wie soll ein sehr wichtiges Medienhaus wie der WDR mit Kampagnen umgehen, die von der Bild-Zeitung zusammen mit rechtsradikalen Kräften lanciert wird?" In so einem Fall reiche es nicht aus, wenn der WDR sage, das Vertrauensverhältnis sei zerstört, weil sich El-Hassan öffentlich geäußert und den WDR kritisiert habe, sagt die taz-Journalistin.
"Sie war unter Beschuss und da, finde ich, muss man als Arbeitgeber großzügig sein", so Herrmann. Sie könne zwar verstehen, dass Arbeitgeber keine Lust hätten, ständig in der Presse zu stehen und von Beschäftigten öffentlich angegriffen zu werden. Aber hier handele es sich um eine absolute Sondersituation.
"Dadurch, dass der WDR sie nicht mehr beschäftigt, wird ja letztlich der Bild-Zeitung und diesen Rechtsradikalen dann recht gegeben", kritisiert Herrmann. Sie würde sich deshalb angesichts dieser besonderen Umstände wünschen, dass der WDR seine Entscheidung noch einmal überprüft und das Gespräch mit El-Hassan sucht.

Ulrike Herrmann ist Wirtschaftsredakteurin bei der Berliner Tageszeitung "taz", für die sie seit 2000 arbeitet, zunächst als Leiterin der Meinungsredaktion und Parlamentskorrespondentin. Zu ihren Buchveröffentlichungen zählen: "Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam. Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen" (2013) und "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (2016).

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