Abpfiff für Manni Breuckmann
Für viele Hörer hat die Bundesliga-Konferenz am Samstagnachmittag im Radio Kultstatus. Immer mit dabei am Mikrofon: Manni Breuckmann. Seit 36 Jahren kommentiert er Fußballspiele im Radio. Am Samstag ist für ihn endgültig Schluss.
Holger Hettinger: Am Samstag um 17 Uhr 15 ist Abpfiff für den 17. Spieltag der aktuellen Fußball-Bundesligasaison. Es ist auch der Abpfiff für Manni Breuckmann, der nach 36 Jahren als Fußballreporter das Mikrofon endgültig zur Seite legt und sich in den Ruhestand verabschiedet.
Am Samstag kommentiert er das Spiel Bochum gegen Köln. Über die wirklich wichtigen Fragen der Menschheit, also Schalke oder Borussia, Fußball im Fernsehen oder im Radio, spreche ich nun mit Manni Breuckmann. Hallo, schönen guten Tag!
Manni Breuckmann: Hallo, guten Tag!
Hettinger: Herr Breuckmann, die famous last words, die berühmten letzten Worte, haben ja immer ein besonderes Gewicht. Wissen Sie schon, mit welchen Worten Sie sich verabschieden werden am Samstag um 17 Uhr 15 plus Nachspielzeit?
Breuckmann: Ich zahle ja gerne in das sogenannte Phrasenschwein, indem ich sage, bitte den Ball flach halten. Ich weiß es noch nicht. Ich mach es von spontanen Eingebungen abhängig, ich schreib mir vorher nichts auf. Irgendwas werde ich sagen, aber es wird nicht spektakulär und nicht melodramatisch sein.
Hettinger: Stichwort Vorbereitung, also ich bin ja ein Fan dieser Bundesliga-Konferenz und höre das immer ganz gerne über mein Handy, während ich viele, viele andere Sachen bei mir zu Hause mache, und ich muss sagen, da habe ich immer aufrichtige Bewunderung dafür, dass da Leute 90 Minuten lang auf den Punkt reden, dass das Ganze inhaltlich wirklich knapp fundiert ist, dass das eine Dramaturgie hat. Wie bereiten Sie sich vor oder kann man das nach 36 Jahren aus dem Ärmel schütteln?
Breuckmann: Das kann man nicht aus dem Ärmel schütteln, man muss natürlich die Prawda des deutschen Fußballsports lesen, den „Kicker“, aber der ist mittlerweile fast schon abgelöst worden durch ein Konvolut, das wir vor jedem Bundesligaspieltag bekommen. Eine Partie, sagen wir jetzt mal Bochum gegen Köln, 60 Seiten Statistiken zu den einzelnen Spielern, zur Taktik, zu dem, was diese beiden Mannschaften bislang in der Liga geleistet haben. Man möchte es nehmen und in den Papierkorb schleudern, denn in Wirklichkeit kommt es ja darauf an, was da unten auf dem Rasen passiert. Und die Einblendungen werden auch nicht länger, sondern immer kürzer. Die meisten sind 45 Sekunden lang, aber man kriegt einen Wust von Vorbereitungsmaterial. Und die wesentliche Arbeit besteht darin, das auf das Wesentliche zu beschränken, denn wer will schon einen Reporter, der ständig Statistiken runterbetet.
Hettinger: Sie waren jetzt 36 Jahre beim WDR beschäftigt, haben als Fußballreporter die aufregenden 70er-Jahre erlebt, aber auch die Kommerzialisierung des Bundesliga-Fußballs durch die Finanzlawine des Privatfernsehens. Hat sich dadurch auch das geändert, was man vielleicht jetzt ein bisschen pathetisch als die Seele des Spiels bezeichnen könnte?
Breuckmann: Die Seele des Spiels hat sich deswegen verändert, weil immer mehr den Fußball als Vehikel benutzen, um damit Geld zu verdienen. Und die Kommerzialisierung hat ja auch zur Folge, dass man einen Bundesligaverein oder gleich die gesamte Bundesliga als Produkt benennt. Das kritisiere ich vehement. Natürlich fließt da Geld, und das wird man auch nicht mehr zurückdrehen, aber der Fußball ist erst mal seiner Natur nach ein Stück Populärkultur, Volkskultur. Die Begeisterung, die Leidenschaft, die Identifikation mit einem Club, das sind doch die Grundlagen dieses Fußballbetriebs, das kann man doch am Ende nicht aufs Geschäftliche reduzieren. Fußball ist nicht ein Produkt wie ein Autoreifen oder ein Stück Edamer Käse, das darf man nie vergessen. Es geht wahrscheinlich im Augenblick nur darum, die schlimmsten Auswüchse ein bisschen im Zaum zu halten, aber ich werde immer die Nähe der Fans suchen, und das, denke ich, ist nach wie vor das Wichtigste im Fußballsport.
Hettinger: Sie haben es ja als Radiomann zu einer ungeheuren Popularität gebracht. Wie wird man das, wie wird man Starreporter, Kultreporter?
Breuckmann: Na ja, also mit diesen Begriffen bin ich sehr, sehr vorsichtig. Ich mag das nicht so, wenn über mich in Superlativen geredet wird. Es hängt natürlich damit zusammen, dass ich bestimmten Wiedererkennungswert habe. Es hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass ich eine Stimme habe, die sich hören lassen kann, weil sie auch eine gewisse Dynamik in bestimmten Situationen versprüht. Ich habe auch eine ironische Distanz und hau mal einen Spruch raus. Das zusammengenommen kann schon heißen, da ist einer, der eine Duftmarke setzt. Aber es kommt natürlich auch dazu, dass ich mich verhalten habe wie Helmut Kohl, ich habe es einfach ausgesessen, ich bin einfach sitzen geblieben. Die anderen sind alle zum Fernsehen gegangen und ich bin beim Radio geblieben. Und wenn man das 36 Jahre lang macht, dann wird man schon wahrgenommen.
Hettinger: 36 Jahre Hörfunk und, Sie haben es gesagt, der eine oder andere Spruch wird denn da schon mal rausgehauen. Gab es auch Sprüche, für die Sie Ärger bekommen haben?
Breuckmann: Es gab einen einzigen Spruch, für den ich richtig Ärger bekommen habe. Ich habe mal gesagt, das war ein innerer Reichsparteitag, und meinte damit einen Spieler des 1. FC Nürnberg, ausgerechnet des 1. FC Nürnberg, das habe ich mir vorher nicht überlegt, ehrlich. Aber der war nun mal gemeint, der spielte vorher bei Düsseldorf und dann bei Nürnberg, war im Streit von Düsseldorf nach Nürnberg gegangen und schoss dann ein entscheidendes Tor gegen seinen alten Club. Und dann dieser Spruch, meine Güte. Also mein Chef hat damals gesagt, meine Karriere habe an einem seidenen Faden gehangen. Ob es wirklich so war, weiß ich nicht, aber ich fand das also so was von unpassend, das ist mir einfach so rausgerutscht.
Hettinger: Als Mann des Hörfunks hat Sie es nie gereizt, Fernsehen zu machen?
Breuckmann: Ja, es geht ja nach Schönheit beim Fernsehen, da hatte ich ja überhaupt keine Chance.
Hettinger: Ich sage nur Waldemar Hartmann, also bitte.
Breuckmann: Ich hatte schon mal ein paar Angebote, ich mach ja auch regelmäßig Ausflüge zum Fernsehen, aber ich richtig fest zum Fernsehen gehen, wollte ich nicht. Es gab mal ein Angebot von Premiere. Da hätte ich aber in der Konferenzschaltung in irgendeinem Taubenschlag in der Nähe von München sitzen müssen und dieses Spiel, nehmen wir mal an Dortmund gegen Schalke, von zwei, drei Bildschirmen aus kommentieren. Das war nicht mein Ding, das ist wirklich entfremdete Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes. Ich muss das Stadion haben, die Atmosphäre. Ich muss vorher die Bratwurst da essen, und ich kenne auch die Ordner, und die begrüße ich manchmal mit Handschlag.
Hettinger: Nun ist es auf der anderen Seite im Stadion auch ein bisschen „gefährlich“ in Anführungszeichen, weil man sich ja auch oft mitreißen lässt von dieser hoch suggestiven Atmosphäre. Müssen Sie da aktiv gegen ankämpfen oder ist das so eine professionelle Distanz, die sich einfach einstellt?
Breuckmann: Ich habe eine professionelle Distanz, ich lasse mich aber auch gerne mitreißen, wenn es ein mitreißendes Spiel ist. Ich lasse mich nicht mitreißen von der Sympathie für einen bestimmten Fußballclub. Viele Leute glauben das nicht, dass das möglich ist, gleichzeitig einen Verein gut zu finden, zum Beispiel den FC Schalke 04, und trotzdem neutrale Reportagen zu machen. Ich kann es immer nur beschwören. Ich liege ja mittlerweile fast symbolisch auf den Knien und bettele darum, dass man mir das glaubt. Ich muss das ja gar nicht mehr sagen, ich mache ja jetzt mein letztes Spiel. Aber ich glaube, man konnte das schon hören, dass ich da Distanz habe zu dem Spiel, auch wenn ich, wenn begeisternde Abläufe dort stattfinden, mich da mitreißen lasse.
Hettinger: Lassen Sie uns noch mal kurz über das Fernsehen reden, denn die haben ja gewaltig aufgerüstet in Sachen Technik und auch bildnerische Möglichkeiten. Da gibt es dann Superzeitlupen, Kameraperspektiven aus so ziemlich allen Winkeln, Statistiken, da werden Grafiken eingeblendet, übers Spielfeld gelegt. Gibt es dennoch etwas, was das Radio kann und das Fernsehen nicht?
Breuckmann: Das merkt man zum Beispiel bei der Premiere-Konferenzschaltung. Da macht es wusch, und was sieht man dann? Jubelnde Spieler sieht man, man sieht kein Tor. Wenn ich bei unserer Konferenz im Radio Tor schreie, und dann bin ich dran, da ist das Tor auch schon gefallen. Aber dann male ich doch diese schönen Bilder im Kopf, die viel zitierten, und jeder kann sich in diesem Augenblick in die Situation versetzen, in der das Tor gefallen ist. Insofern versagt dort das Bild, weil die kriegen es nun wirklich als Konserve, bei uns auch, aber mit etwas Imagination und Vorstellungskraft ist es eben keine Konserve. Das kann das Radio.
Hettinger: So ein bisschen wie im guten Erotikfilm, dass man es dadurch, dass es nicht so explizit ist, im Prinzip die Sachen in den Kopf des Betrachters verlegt.
Breuckmann: Ich gucke ja keine Erotikfilme, ich gucke ja nur Filme, wo Leute Torten ins Gesicht kriegen, also kann ich das nicht beurteilen.
Hettinger: Ihre erste Übertragung von 1972, das Regionalligaspiel zwischen Neuss und Wattenscheid, habe ich nachgelesen. Können Sie sich noch erinnern?
Breuckmann: Ich kann mich noch erinnern. Das war Fußball im Angesicht eines Förderturms, direkt neben der Zeche liegt das Stadion da in Wattenscheid. Und ich war so was von nervös. Ich glaube, ich habe 40, 50 Zigaretten geraucht an dem Tag, mittlerweile bin ich Nichtraucher. Aber ich habe das Glück gehabt, dass ich ein Tor live drauf hatte, und das war von Hannes Bongartz, der später in Schalke spielte, der machte das 2:0 für Wattenscheid, das war die Grundlage.
Hettinger: 36 Jahre lang haben Sie den Fußball am Mikrofon begleitet und da kann man schon sagen, der Breuckmann, der hat alles gesehen. Wirklich? Gab es nicht doch eine Situation, die Sie sich irgendwie gewünscht oder herbeigesehnt hätten?
Breuckmann: Zwei Situationen: einmal der laute Schrei „Deutschland ist Weltmeister“. Aber wer hat das schon. Und der zweite Schrei: „Ja, es ist wahr, nach gut 50 Jahren ist Schalke wieder Deutscher Meister.“ Das werden wir beide nicht mehr erleben und die nach uns folgenden Generationen auch nicht mehr, fürchte ich.
Hettinger: Vielen Dank! Das war Manni Breuckmann, der legendäre Radioreporter. 36 Jahre lang hat er Fußballspiele kommentiert, jetzt am Samstag wird er sich verabschieden aus der Gilde der Fußballreporter. Ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch. Tschüss!
Breuckmann: Tschüsschen!
Am Samstag kommentiert er das Spiel Bochum gegen Köln. Über die wirklich wichtigen Fragen der Menschheit, also Schalke oder Borussia, Fußball im Fernsehen oder im Radio, spreche ich nun mit Manni Breuckmann. Hallo, schönen guten Tag!
Manni Breuckmann: Hallo, guten Tag!
Hettinger: Herr Breuckmann, die famous last words, die berühmten letzten Worte, haben ja immer ein besonderes Gewicht. Wissen Sie schon, mit welchen Worten Sie sich verabschieden werden am Samstag um 17 Uhr 15 plus Nachspielzeit?
Breuckmann: Ich zahle ja gerne in das sogenannte Phrasenschwein, indem ich sage, bitte den Ball flach halten. Ich weiß es noch nicht. Ich mach es von spontanen Eingebungen abhängig, ich schreib mir vorher nichts auf. Irgendwas werde ich sagen, aber es wird nicht spektakulär und nicht melodramatisch sein.
Hettinger: Stichwort Vorbereitung, also ich bin ja ein Fan dieser Bundesliga-Konferenz und höre das immer ganz gerne über mein Handy, während ich viele, viele andere Sachen bei mir zu Hause mache, und ich muss sagen, da habe ich immer aufrichtige Bewunderung dafür, dass da Leute 90 Minuten lang auf den Punkt reden, dass das Ganze inhaltlich wirklich knapp fundiert ist, dass das eine Dramaturgie hat. Wie bereiten Sie sich vor oder kann man das nach 36 Jahren aus dem Ärmel schütteln?
Breuckmann: Das kann man nicht aus dem Ärmel schütteln, man muss natürlich die Prawda des deutschen Fußballsports lesen, den „Kicker“, aber der ist mittlerweile fast schon abgelöst worden durch ein Konvolut, das wir vor jedem Bundesligaspieltag bekommen. Eine Partie, sagen wir jetzt mal Bochum gegen Köln, 60 Seiten Statistiken zu den einzelnen Spielern, zur Taktik, zu dem, was diese beiden Mannschaften bislang in der Liga geleistet haben. Man möchte es nehmen und in den Papierkorb schleudern, denn in Wirklichkeit kommt es ja darauf an, was da unten auf dem Rasen passiert. Und die Einblendungen werden auch nicht länger, sondern immer kürzer. Die meisten sind 45 Sekunden lang, aber man kriegt einen Wust von Vorbereitungsmaterial. Und die wesentliche Arbeit besteht darin, das auf das Wesentliche zu beschränken, denn wer will schon einen Reporter, der ständig Statistiken runterbetet.
Hettinger: Sie waren jetzt 36 Jahre beim WDR beschäftigt, haben als Fußballreporter die aufregenden 70er-Jahre erlebt, aber auch die Kommerzialisierung des Bundesliga-Fußballs durch die Finanzlawine des Privatfernsehens. Hat sich dadurch auch das geändert, was man vielleicht jetzt ein bisschen pathetisch als die Seele des Spiels bezeichnen könnte?
Breuckmann: Die Seele des Spiels hat sich deswegen verändert, weil immer mehr den Fußball als Vehikel benutzen, um damit Geld zu verdienen. Und die Kommerzialisierung hat ja auch zur Folge, dass man einen Bundesligaverein oder gleich die gesamte Bundesliga als Produkt benennt. Das kritisiere ich vehement. Natürlich fließt da Geld, und das wird man auch nicht mehr zurückdrehen, aber der Fußball ist erst mal seiner Natur nach ein Stück Populärkultur, Volkskultur. Die Begeisterung, die Leidenschaft, die Identifikation mit einem Club, das sind doch die Grundlagen dieses Fußballbetriebs, das kann man doch am Ende nicht aufs Geschäftliche reduzieren. Fußball ist nicht ein Produkt wie ein Autoreifen oder ein Stück Edamer Käse, das darf man nie vergessen. Es geht wahrscheinlich im Augenblick nur darum, die schlimmsten Auswüchse ein bisschen im Zaum zu halten, aber ich werde immer die Nähe der Fans suchen, und das, denke ich, ist nach wie vor das Wichtigste im Fußballsport.
Hettinger: Sie haben es ja als Radiomann zu einer ungeheuren Popularität gebracht. Wie wird man das, wie wird man Starreporter, Kultreporter?
Breuckmann: Na ja, also mit diesen Begriffen bin ich sehr, sehr vorsichtig. Ich mag das nicht so, wenn über mich in Superlativen geredet wird. Es hängt natürlich damit zusammen, dass ich bestimmten Wiedererkennungswert habe. Es hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass ich eine Stimme habe, die sich hören lassen kann, weil sie auch eine gewisse Dynamik in bestimmten Situationen versprüht. Ich habe auch eine ironische Distanz und hau mal einen Spruch raus. Das zusammengenommen kann schon heißen, da ist einer, der eine Duftmarke setzt. Aber es kommt natürlich auch dazu, dass ich mich verhalten habe wie Helmut Kohl, ich habe es einfach ausgesessen, ich bin einfach sitzen geblieben. Die anderen sind alle zum Fernsehen gegangen und ich bin beim Radio geblieben. Und wenn man das 36 Jahre lang macht, dann wird man schon wahrgenommen.
Hettinger: 36 Jahre Hörfunk und, Sie haben es gesagt, der eine oder andere Spruch wird denn da schon mal rausgehauen. Gab es auch Sprüche, für die Sie Ärger bekommen haben?
Breuckmann: Es gab einen einzigen Spruch, für den ich richtig Ärger bekommen habe. Ich habe mal gesagt, das war ein innerer Reichsparteitag, und meinte damit einen Spieler des 1. FC Nürnberg, ausgerechnet des 1. FC Nürnberg, das habe ich mir vorher nicht überlegt, ehrlich. Aber der war nun mal gemeint, der spielte vorher bei Düsseldorf und dann bei Nürnberg, war im Streit von Düsseldorf nach Nürnberg gegangen und schoss dann ein entscheidendes Tor gegen seinen alten Club. Und dann dieser Spruch, meine Güte. Also mein Chef hat damals gesagt, meine Karriere habe an einem seidenen Faden gehangen. Ob es wirklich so war, weiß ich nicht, aber ich fand das also so was von unpassend, das ist mir einfach so rausgerutscht.
Hettinger: Als Mann des Hörfunks hat Sie es nie gereizt, Fernsehen zu machen?
Breuckmann: Ja, es geht ja nach Schönheit beim Fernsehen, da hatte ich ja überhaupt keine Chance.
Hettinger: Ich sage nur Waldemar Hartmann, also bitte.
Breuckmann: Ich hatte schon mal ein paar Angebote, ich mach ja auch regelmäßig Ausflüge zum Fernsehen, aber ich richtig fest zum Fernsehen gehen, wollte ich nicht. Es gab mal ein Angebot von Premiere. Da hätte ich aber in der Konferenzschaltung in irgendeinem Taubenschlag in der Nähe von München sitzen müssen und dieses Spiel, nehmen wir mal an Dortmund gegen Schalke, von zwei, drei Bildschirmen aus kommentieren. Das war nicht mein Ding, das ist wirklich entfremdete Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes. Ich muss das Stadion haben, die Atmosphäre. Ich muss vorher die Bratwurst da essen, und ich kenne auch die Ordner, und die begrüße ich manchmal mit Handschlag.
Hettinger: Nun ist es auf der anderen Seite im Stadion auch ein bisschen „gefährlich“ in Anführungszeichen, weil man sich ja auch oft mitreißen lässt von dieser hoch suggestiven Atmosphäre. Müssen Sie da aktiv gegen ankämpfen oder ist das so eine professionelle Distanz, die sich einfach einstellt?
Breuckmann: Ich habe eine professionelle Distanz, ich lasse mich aber auch gerne mitreißen, wenn es ein mitreißendes Spiel ist. Ich lasse mich nicht mitreißen von der Sympathie für einen bestimmten Fußballclub. Viele Leute glauben das nicht, dass das möglich ist, gleichzeitig einen Verein gut zu finden, zum Beispiel den FC Schalke 04, und trotzdem neutrale Reportagen zu machen. Ich kann es immer nur beschwören. Ich liege ja mittlerweile fast symbolisch auf den Knien und bettele darum, dass man mir das glaubt. Ich muss das ja gar nicht mehr sagen, ich mache ja jetzt mein letztes Spiel. Aber ich glaube, man konnte das schon hören, dass ich da Distanz habe zu dem Spiel, auch wenn ich, wenn begeisternde Abläufe dort stattfinden, mich da mitreißen lasse.
Hettinger: Lassen Sie uns noch mal kurz über das Fernsehen reden, denn die haben ja gewaltig aufgerüstet in Sachen Technik und auch bildnerische Möglichkeiten. Da gibt es dann Superzeitlupen, Kameraperspektiven aus so ziemlich allen Winkeln, Statistiken, da werden Grafiken eingeblendet, übers Spielfeld gelegt. Gibt es dennoch etwas, was das Radio kann und das Fernsehen nicht?
Breuckmann: Das merkt man zum Beispiel bei der Premiere-Konferenzschaltung. Da macht es wusch, und was sieht man dann? Jubelnde Spieler sieht man, man sieht kein Tor. Wenn ich bei unserer Konferenz im Radio Tor schreie, und dann bin ich dran, da ist das Tor auch schon gefallen. Aber dann male ich doch diese schönen Bilder im Kopf, die viel zitierten, und jeder kann sich in diesem Augenblick in die Situation versetzen, in der das Tor gefallen ist. Insofern versagt dort das Bild, weil die kriegen es nun wirklich als Konserve, bei uns auch, aber mit etwas Imagination und Vorstellungskraft ist es eben keine Konserve. Das kann das Radio.
Hettinger: So ein bisschen wie im guten Erotikfilm, dass man es dadurch, dass es nicht so explizit ist, im Prinzip die Sachen in den Kopf des Betrachters verlegt.
Breuckmann: Ich gucke ja keine Erotikfilme, ich gucke ja nur Filme, wo Leute Torten ins Gesicht kriegen, also kann ich das nicht beurteilen.
Hettinger: Ihre erste Übertragung von 1972, das Regionalligaspiel zwischen Neuss und Wattenscheid, habe ich nachgelesen. Können Sie sich noch erinnern?
Breuckmann: Ich kann mich noch erinnern. Das war Fußball im Angesicht eines Förderturms, direkt neben der Zeche liegt das Stadion da in Wattenscheid. Und ich war so was von nervös. Ich glaube, ich habe 40, 50 Zigaretten geraucht an dem Tag, mittlerweile bin ich Nichtraucher. Aber ich habe das Glück gehabt, dass ich ein Tor live drauf hatte, und das war von Hannes Bongartz, der später in Schalke spielte, der machte das 2:0 für Wattenscheid, das war die Grundlage.
Hettinger: 36 Jahre lang haben Sie den Fußball am Mikrofon begleitet und da kann man schon sagen, der Breuckmann, der hat alles gesehen. Wirklich? Gab es nicht doch eine Situation, die Sie sich irgendwie gewünscht oder herbeigesehnt hätten?
Breuckmann: Zwei Situationen: einmal der laute Schrei „Deutschland ist Weltmeister“. Aber wer hat das schon. Und der zweite Schrei: „Ja, es ist wahr, nach gut 50 Jahren ist Schalke wieder Deutscher Meister.“ Das werden wir beide nicht mehr erleben und die nach uns folgenden Generationen auch nicht mehr, fürchte ich.
Hettinger: Vielen Dank! Das war Manni Breuckmann, der legendäre Radioreporter. 36 Jahre lang hat er Fußballspiele kommentiert, jetzt am Samstag wird er sich verabschieden aus der Gilde der Fußballreporter. Ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch. Tschüss!
Breuckmann: Tschüsschen!