Abnehmen mit Kleopatra

Was die Mumien über Diäten verraten

Kleopatra, dargestellt von der italienischen Schauspielerin Monica Bellucci
"Traumfrau der Antike": Wie wird man so schön und schlank wie Kleopatra? © imago/United Archives
Von Udo Pollmer · 19.05.2017
Das alte Ägypten erlebt gerade eine Renaissance: Kleopatra wird mit ihrer angeblich fleischlosen Nahrung zur Heidi Klum der Antike gehypt. Eher Dichtung als Wahrheit, meint Udo Pollmer, der sich den Speiseplan der alten Ägypter mal genauer angeschaut hat.
Beauty- und Diät-Bloggerinnen ist es gelungen, der letzten altägyptischen Herrscherin ihre Geheimnisse von Schönheit und ewiger Jugend zu entreißen. Kleopatra, die inzwischen zu einer Heidi Klum der Antike mutierte, wusste natürlich, wie man die reichsten und mächtigsten Männer betört. Zu diesem Zwecke speiste sie, so verraten es unsere Gewährsleute, Mandeln, Bananen und natürlich Knoblauch. So konnten die römischen Feldherren die Dame auch im Dunkeln finden
Sie aß, so munkelt das Internet, sogar etwas Fleisch, allerdings nur die mageren Stücke, dazu ein paar Häppchen gesunden Fisch. Natürlich fastete die "Traumfrau der Antike" regelmäßig und begnügte sich ansonsten mit etwas Obst und Gemüse. Woher wissen das unsere Beauty-Fachkräfte? Ganz einfach: Weil das aus ihrer Weltsicht die einzige Möglichkeit sei, schlank zu bleiben, den Stoffwechsel anzuregen und die "hormonelle Balance zu normalisieren", was immer das heißen mag.

Die Ägypter mästeten ganze Herden

"Schon die alten Ägypter", spinnen unsere Qualitätsmedien den Unsinn weiter, "verzichteten auf Fleisch und Tierprodukte". Das sollen nämlich Isotopenanalysen von 45 Mumien aus Museen im französischen Lyon erbracht haben. Die archäologischen Befunde aus Ägypten belegen das Gegenteil: Zahlreiche Darstellungen zeigen Ochsen, die Karren ziehen oder Getreide dreschen, daneben mästeten die Ägypter ganze Herden. Rindergeschnetzeltes mit Käse führt übrigens zum gleichen Isotopenmuster in den Knochen, wie wenn die Ägypter das Stroh ihrer Ochsen gleich selbst gekaut hätten.
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Angeblich aß Kleopatra gerne Knoblauch. Vielleicht in Form von raffinierten Pralinen?© picture alliance/dpa/Thomas Frey
Schweine spielten allerdings keine so große Rolle, denn diese Tiere brauchen viel Wasser und Schatten – also Wald. Deshalb sollte das gemeine Volk glauben, Schweinefleisch erzeuge Aussatz. Die Priester hingegen genossen ihr Privileg, so berichtet der griechische Historiker Herodot, einmal im Monat Schweinebraten zu speisen.

Helles Mehl zum Backen

Eine "große Überraschung" der Lyoner Mumien-Studie sei, so "Spiegel Online", der Verzicht auf Fisch. Doch schon der Grieche Plutarch berichtete, dass Meeresfische als unrein galten, denn das Meer war das Sinnbild des Typhon, die tödlichste Kreatur der Mythologie. Daher das Tabu. Und im Nilwasser lauerten die Krokodile. Dennoch wurde, wie zahlreiche Grätenfunde im Abfall zeigen, selbstverständlich Fisch verspeist – aber nicht immer und überall.
Natürlich waren die Ägypter kein verbiesterter Haufen von Magerquarkmodels, sondern ein trinkfreudiges Volk, wie der antike Schriftsteller Athenaios vermeldet. Die Masse, die zu arm war, um sich Gewürzwein leisten zu können, soff Bier, das Nationalgetränk des Landes. Es dürfte einige Umdrehungen gehabt haben, denn das halbgebackene Gerstenbrot wurde mit Datteln gemaischt und dann vergoren. "Sie singen und tanzen und benehmen sich", so Athenaios, "als wären sie des süßen Weines voll." Das wichtigste Nahrungsmittel neben Bier war Brot. Wie alle Hochkulturen nahmen sie, wenn möglich, helles Mehl zum Backen. Mit einer Brigitte-Diät wären die Pyramiden wohl kaum erbaut worden.

Darmsanierung im alten Ägypten

Herodot berichtet übrigens, Kleopatras Untertanen hatten sich jeden Monat drei Tage lang mit Brechmitteln, Abführmitteln und Klistieren zu kasteien. Für heutige Ernährungsexperten ein willkommener Anlass, die rabiate Darmentleerung als Darmsanierung und Schlankheitstipp zu deuten. In Wirklichkeit diente es der Entfernung von Eingeweideparasiten – damals die größte Bedrohung der Gesundheit. Arme Kleopatra. Wüsste sie, was ihr heute angedichtet wird, sie würde noch im Sarkophag rotieren.
Ihre Pfirsichhaut verdanke sie "pflanzlichen Vitalstoffen" und einem "ausgeglichenen Aminosäurepool" – logo! Dabei hatten die Ägypter ein ganz spezielles Anti-Aging-Programm für jede Haut: Die Einbalsamierung. Die hohe Haltbarkeit der Mumien lockte schon früher Ernährungsfachleute auf den Plan. In Europa wurde Mumienpulver gerne den Kindern ins Essen gerührt, damit sie von dem ekelhaften Zeug groß und stark würden. Es ist noch nicht einmal 100 Jahre her, dass dieses Nahrungsergänzungsmittel wieder aus unseren Apotheken verschwunden ist. Mahlzeit!
Literatur:
Touzeau A et al: Diet of ancient Egyptians inferred from stable isotope systematics. Journal of Archaeological Science 2014; 46: 114–124
Cagle AJ et al (Eds): Kom el-Hisn (ca. 2500-1900 BC): An Ancient Settlement in the Nile Delta. Lockwood, Atlanta 016
Woenig F: Die Pflanzen im Alten Ägypten. Heitz, Leipzig 1897
Ἀθήναιος: Δειπνοσοφισταί. 3rd century, Trans. Charles Burton Gulick, Loeb Classical Library, Harvard University Press, Cambridge 1927, Vol II
Anon: Anti-Aging Tipps aus dem alten Ägypten. Faltenlos Altern.com
Franz A: Ausgegraben. Blog vom 19. Mai 2014 Spiegel Online http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/ausgegraben-aegypter-waren-vegetarierer-a-970267.html
Anon: Ägypter waren Vegetarier. Deutschlandfunk NovaNachrichten, 30. März 2015 https://www.deutschlandfunknova.de/nachrichten/arch%C3%A4ologie-%C3%A4gypter-waren-vegetarier
Herodoti Historiae, Scriporum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis. Ἱστοριῶν, book 2, Oxford University Press, New York 1927
Boessneck J: Die Tierwelt des alten Ägypten. Beck, München 1988
Anon: Anti-Aging-Tipps aus dem alten Ägypten. Faltenlos-altern.com abgerufen am 22. April 2017
Pollmer U: Mumienpulver als Nahrungsergänzungsmittel. Deutschlandradio, Mahlzeit vom 25. Mai 2008
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