Abgeschnitten von der Welt

Von Laf Überland |
Sie kleben förmlich an der Steilküste: Bis 1870 die Eisenbahn zwischen den Weinbergen hielt - oder gar in einem Tunnel, weil es im Dorf selbst zu wenig Platz gab - waren diese Dörfer nur zu Fuß über moosbewachsene und nicht seltene glitschig nasse Treppenstufen - die Felsküste hinab - zu erreichen, beinahe völlig isoliert: umgeben von Trockenmauern - aus Steinen passförmig aufeinandergestapelt, ohne Zement, nicht vermauert - stützen sie die Weinterrassen - seit beinahe 1000 Jahren.
Die Bewohner waren immer Winzer: Für Getreide, Obst oder Gemüse war dieser schmale Streifen Erde - viel zu kostbar.
Das Meer war keine Lösung: es machte ihnen Angst. Von dort kamen die Händler, die ihnen den Wein abkauften - wenn es welchen gab, wenn keine Schädlinge und kein Wetter die Ernte verhagelt hatten. Aber von da kamen auch die Piraten, die nicht auf Wein auswaren, sondern auf Frauen und Kinder, die sie raubten und auf den Sklavenmärkten verkauften.

Nur zwei natürliche, kleine Häfen gibt es hier: in den übrigen Dörfern wurden - und werden heute noch - die Boote, wenn die Arbeit der Feierabendfischer anfängt, an Seilzügen zum Wasser hinuntergelassen. Nachts parken sie - auf dem Marktplatz/Dorfplatz. Der Weg zum Wasser war jedenfalls genau so beschwerlich wie der zu den Weinbergen. Auf und ab durch Pinienwälder, auf steinigem Pfad oberhalb der Felswände, weiter hinauf durch Gärten und kleine Wäldchen aus Ölbäumen, hinunter über hundertjährige Treppen - zu einem versteckt am Wasser gelegenen alten Kloster - und immer vorbei an zwischen den Weinbergen schlafenden, häufig verlassenen Villen, Wallfahrtskirchen...

Diese Treppen waren bis vor vierzig Jahren die einzige Verbindung zwischen den Dörfern, das eine durch ein felsiges Vorgebirge vor den Gefahren des Meeres geschützt, ein anderes liegt auf einem Hügel, von Weinbergen umgeben, wieder eines in eine enge Schlucht gezwängt, zwei andere voll gepackt mit termitenhügelgleich übereinander gewürfelter Häuserarchitektur.

Was diesen Ort zu dem gemacht hat, was Ästheten und halbwegs sensible Touristen so schön finden, entstand aus Elend, Armut und Isolation dieser Leute, die hier lebten. Und überlebten. - Jetzt geht der Weinbau zurück, und die ortstypische Version einer Heidelandschaft erobert sich - terrassenweise - diese Kulturlandschaft zurück. Damit das nicht allzu schnell passiert, hat die UNESCO diesen Ort 1997 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Lösung: Cinque Terre