Abgasuntersuchungen

Tricksen für die Gewinnmaximierung

Abgase kommen aus einem Auspuff
Was wirklich auf der Straße aus dem Auspuff kommt, stimmt selten mit den Messergebnissen überein. © Marcus Führer/dpa
22.04.2016
Fast alle Autohersteller haben die Grenzwerte für Stickoxide weit überschritten. Auch wenn sie sich aus juristischer Sicht nichts vorzuwerfen haben: Sie vergiften die Umwelt und setzen die Gesundheit der Menschen aufs Spiel, kommentiert Katharina Hamberger. Alles nur, um ihre Gewinne zu steigern.
Betrogen, im rechtlichen Sinne, hat also nur VW. Alle anderen Autohersteller haben nicht gegen das Gesetz verstoßen. So lautet zumindest das Ergebnis der Untersuchungen der Expertenkommission des Verkehrsministeriums zur Diesel-Affäre. Sie haben lediglich die Vorschriften zu ihrem Vorteil ausgelegt.
Das klingt nach einer guten Nachricht. Ist es aber nicht. Denn so gut wie alle Autohersteller haben die zulässigen Grenzwerte für Stickoxide weit überschritten, sie haben die Umwelt vergiftet und die Gesundheit der Menschen aufs Spiel gesetzt - und sie haben sich dennoch paradoxerweise aus juristischer Sicht nichts vorzuwerfen.
Der Rechtsrahmen, in dem sich die Autohersteller bewegen, ist eine Grauzone, deren Ausmaß sie selbst definieren können. So wie es ihnen passt. Eine EU-Verordnung gestattet es den Autobauern, die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen auszuschalten, wenn der Motor ansonsten Schaden nehmen könnte. Dieses sogenannte Thermofenster, in dem die Abgase nicht von den schädlichen Stickoxiden gereinigt werden, wurde oft sehr weit ausgelegt. Und das offenbar ohne Not, denn die Fahrzeuge, die nun zurückgerufen werden müssen, können problemlos nachgerüstet werden.
Warum dann diese Trickserei? Die Gewinnmaximierung erscheint der einzige, plausible Grund. Den Autoherstellern war es offenbar wichtiger, Kosten zu sparen, als sich selbst, aus Gründen des Umweltschutzes und der Gesundheit der Bürger, enge Grenzen zu setzen. Das zeigt, welchen Stellenwert diese weichen Faktoren bei den Unternehmensvorständen haben.

Nun soll Vater Staat helfen

Die Autohersteller zeigen beim Klimaschutz eine auffällige Innovationsunwilligkeit, sie investieren oft nur so viel, dass es gerade so reicht. Aktuellstes Beispiel: die Elektromobilität. Jahrelang haben deutsche Autohersteller vor allem auf die klassischen Antriebsformen, also die Verbrennungsmotoren gesetzt, jetzt droht den Großen der Branche, von Newcomern abgehängt zu werden. Nun soll Vater Staat mit einer Kaufprämie helfen.
Aber auch die Politik ist zu kritisieren. Es ist zwar gut, dass in Zukunft strengere Regeln gelten sollen. Die EU-Verordnung zu den Abschalteinrichtungen wird verschärft, in Deutschland sollen die Autobauer angeben, wenn sie Software verwenden und diese dann auch offenlegen.

Die Politik hat tatenlos zugesehen

Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die Politik offensichtlich dem Treiben der Autohersteller viel zu lange tatenlos zugesehen hat - völlig ahnungslos kann sie nicht gewesen sein. Aber die Automobilbranche ist nach wie vor eine der mächtigsten und wichtigsten in Europa, es hängen viele Arbeitsplätze an ihrem Erfolg. Wenn Politiker sich nun überrascht zeigen, dass die EU-Regeln zu den Abschaltvorrichtungen, die von allen 28 Mitgliedstaaten abgesegnet worden sind, Hintertürchen für Tricksereien bieten und die Autobranche diese auch noch nutzt, dann ist das nicht glaubwürdig.
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