Das Auto hat in Zeiten der Klimadiskussion einen zweifelhaften Ruf. Seine Abgase verpesten die Luft und schädigen das Klima. Was nach Ansicht des Chemikers Eckard Helmers nötig ist, sind keine verbesserten Verbrennungsmotoren, sondern wirkliche Innovationen. In seinem ersten populärwissenschaftlichen Sachbuch „Bitte wenden Sie jetzt“ bilanziert er die schädigende Wirkung von Benzin-, Diesel-, Gas- und Elektromotoren und weist mögliche Wege hin zu einer nachhaltigen Automobilität.
Nachhaltigkeit ist das Zauberwort, wenn es um den Schutz von Klima, Umwelt und Gesundheit geht. In Politik und Öffentlichkeit steht meist der Klimaschutz in Form von weniger Kohlendioxid CO2 im Mittelpunkt. Andere Schadstoffe und deren gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen spielen oft nur eine untergeordnete Rolle. Zu Unrecht, denn der Feinstaub, die Stickoxide und das sich daraus bildende Ozon haben es ebenfalls in sich.
Etwa 800 Millionen Fahrzeuge bewegen sich heute weltweit auf den Straßen. In Zukunft werden es noch mehr. Allein die Luftverschmutzung all dieser Fahrzeuge hat in den vergangenen 50 Jahren an die zehn Millionen Todesopfer gefordert, schätzt der Autor. Vermeidbare Opfer, wenn die Industrie nicht seit 100 Jahren vor grundlegenden Veränderungen zurückscheuen würde.
Anreize oder Vorgaben müssen her, sagt Eckard Helmers, und erzählt, wie die Politik in den USA 1970 beschloss, die Abgase ihrer Autos um 90 Prozent zu reduzieren, ohne dass der Industrie klar war, wie und ob das technisch zu schaffen wäre. Aber es wurde geschafft, dank bleifreiem Benzin und dem Katalysator. Ohne Druck von außen sind seiner Ansicht nach solche Innovationen von der Industrie nicht zu erwarten. Dabei wäre heute bereits viel mehr machbar. Flüssiggasautos reduzieren wesentlich den Ausstoß von CO2, Ruß und Stickoxiden, und Elektroautos bräuchten sich hinter keinem PKW verstecken, selbst wenn sie ausschließlich mit „dreckigem“ Kohlestrom betrieben würden. Käme die Energie aus regenerativen Quellen, wären sie unschlagbar.
Eckard Helmers macht keine Vorwürfe, eher stellt er drängende Fragen. Woher kommt der klima- und gesundheitsschädliche Dieselboom bei Fahrzeugen seit den 90er-Jahren? Warum gibt es unterschiedliche Abgasgrenzwerte für Benzin- und Dieselmotoren? Warum fordert die Politik nur mutlose Grenzwerte von höchstens 130 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer bis zum Jahr 2015, obwohl dieser Wert bereits heute ohne Probleme erreichbar ist?
Seine Antworten sind durchaus parteiisch, aber immer nüchtern und fundiert. Er untermauert seine Darstellung mit zahlreichen Schaubildern und Tabellen aus der aktuellen Literatur und berechnet Schadstoffmengen im Fließtext. Einem Buch, das sich so sehr um erlaubte oder wünschenswerte Grenzwerte dreht, kann man es nicht verübeln, wenn es viele Zahlen präsentiert. Lesbar bleibt es dabei trotzdem, denn Eckard Helmers schreibt einfach, wiederholt wichtige Informationen oft und fasst jedes Kapitel noch einmal zusammen. Es fehlt nicht an der Technik, das macht der Autor in seiner Analyse klar.
Wer in den nächsten Jahren mit der Anschaffung eines Neuwagens liebäugelt, für den ist „Bitte wenden Sie jetzt“ ein willkommener Ratgeber, um über die Nachhaltigkeit seines neuen Gefährts nachzudenken. Das Buch ist eine Bestandsaufnahme heutiger Automobilität und darüber hinaus ein fundierter Appell, das technisch Mögliche heute möglich zu machen. Die Umwelt- und Energiebilanzen der verfügbaren Antriebskonzepte sprechen eine deutliche Sprache gegen die Beharrungskräfte der Industrie.
Dennoch kommt das Buch eigentlich ein Jahrzehnt zu spät. Denn jetzt, wo in Sachen Elektromobilität so vieles in Bewegung geraten ist, ist es einfach geworden, Änderungen zu fordern, die sich – in Form von strengeren Abgaswerten in der Politik und im Angebot von immer mehr Elektro-Hybridfahrzeugen in der Industrie – längst angekündigt haben. Dennoch verleiht der Titel den Veränderungen die nötige Dringlichkeit: Bitte wenden Sie JETZT!
Besprochen von Gerrit Stratmann
Eckard Helmers: Bitte wenden Sie jetzt. Das Auto der Zukunft
Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2009
220 Seiten, 24.90 Euro
Nachhaltigkeit ist das Zauberwort, wenn es um den Schutz von Klima, Umwelt und Gesundheit geht. In Politik und Öffentlichkeit steht meist der Klimaschutz in Form von weniger Kohlendioxid CO2 im Mittelpunkt. Andere Schadstoffe und deren gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen spielen oft nur eine untergeordnete Rolle. Zu Unrecht, denn der Feinstaub, die Stickoxide und das sich daraus bildende Ozon haben es ebenfalls in sich.
Etwa 800 Millionen Fahrzeuge bewegen sich heute weltweit auf den Straßen. In Zukunft werden es noch mehr. Allein die Luftverschmutzung all dieser Fahrzeuge hat in den vergangenen 50 Jahren an die zehn Millionen Todesopfer gefordert, schätzt der Autor. Vermeidbare Opfer, wenn die Industrie nicht seit 100 Jahren vor grundlegenden Veränderungen zurückscheuen würde.
Anreize oder Vorgaben müssen her, sagt Eckard Helmers, und erzählt, wie die Politik in den USA 1970 beschloss, die Abgase ihrer Autos um 90 Prozent zu reduzieren, ohne dass der Industrie klar war, wie und ob das technisch zu schaffen wäre. Aber es wurde geschafft, dank bleifreiem Benzin und dem Katalysator. Ohne Druck von außen sind seiner Ansicht nach solche Innovationen von der Industrie nicht zu erwarten. Dabei wäre heute bereits viel mehr machbar. Flüssiggasautos reduzieren wesentlich den Ausstoß von CO2, Ruß und Stickoxiden, und Elektroautos bräuchten sich hinter keinem PKW verstecken, selbst wenn sie ausschließlich mit „dreckigem“ Kohlestrom betrieben würden. Käme die Energie aus regenerativen Quellen, wären sie unschlagbar.
Eckard Helmers macht keine Vorwürfe, eher stellt er drängende Fragen. Woher kommt der klima- und gesundheitsschädliche Dieselboom bei Fahrzeugen seit den 90er-Jahren? Warum gibt es unterschiedliche Abgasgrenzwerte für Benzin- und Dieselmotoren? Warum fordert die Politik nur mutlose Grenzwerte von höchstens 130 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer bis zum Jahr 2015, obwohl dieser Wert bereits heute ohne Probleme erreichbar ist?
Seine Antworten sind durchaus parteiisch, aber immer nüchtern und fundiert. Er untermauert seine Darstellung mit zahlreichen Schaubildern und Tabellen aus der aktuellen Literatur und berechnet Schadstoffmengen im Fließtext. Einem Buch, das sich so sehr um erlaubte oder wünschenswerte Grenzwerte dreht, kann man es nicht verübeln, wenn es viele Zahlen präsentiert. Lesbar bleibt es dabei trotzdem, denn Eckard Helmers schreibt einfach, wiederholt wichtige Informationen oft und fasst jedes Kapitel noch einmal zusammen. Es fehlt nicht an der Technik, das macht der Autor in seiner Analyse klar.
Wer in den nächsten Jahren mit der Anschaffung eines Neuwagens liebäugelt, für den ist „Bitte wenden Sie jetzt“ ein willkommener Ratgeber, um über die Nachhaltigkeit seines neuen Gefährts nachzudenken. Das Buch ist eine Bestandsaufnahme heutiger Automobilität und darüber hinaus ein fundierter Appell, das technisch Mögliche heute möglich zu machen. Die Umwelt- und Energiebilanzen der verfügbaren Antriebskonzepte sprechen eine deutliche Sprache gegen die Beharrungskräfte der Industrie.
Dennoch kommt das Buch eigentlich ein Jahrzehnt zu spät. Denn jetzt, wo in Sachen Elektromobilität so vieles in Bewegung geraten ist, ist es einfach geworden, Änderungen zu fordern, die sich – in Form von strengeren Abgaswerten in der Politik und im Angebot von immer mehr Elektro-Hybridfahrzeugen in der Industrie – längst angekündigt haben. Dennoch verleiht der Titel den Veränderungen die nötige Dringlichkeit: Bitte wenden Sie JETZT!
Besprochen von Gerrit Stratmann
Eckard Helmers: Bitte wenden Sie jetzt. Das Auto der Zukunft
Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2009
220 Seiten, 24.90 Euro