Abfall

In den Ofen, aus dem Sinn

In der Anlage werden im Jahr mehr als 320.000 Tonnen Abfall aus den Hamburger Haushalten verbrannt.
Blick in einen Müllverbrennungsofen in der Müllverwertung Borsigstraße in Hamburg. © picture alliance / dpa / Christian Charisius
Von Axel Schröder · 16.09.2014
Was wir in die Mülltonne schmeißen, wird am Ende verbrannt und ist damit entsorgt? Nein. Denn eine Müllverbrennungsanlage pustet nicht nur Wasserdampf in die Luft. Übrig bleiben vor allem giftige Feinstäube.
Tausend Tonnen Verwesung, schmutziggraue Müllberge und ein mächtiger Stahlgreifer, der rund um die Uhr mit in die Abfallhaufen hineinrauscht, bis zu fünf Tonnen hochhievt und aufs Fließband in die Brennkammer wirft. Ein Krematorium für die Hinterlassenschaften unserer Konsumgesellschaft. Den Greifer in der Hamburger Müllverbrennungsanlage, der MVA Stellinger Moor, bedient Manfred Eisenberg, neben ihm steht die Leiterin der Anlage, Anke Boisch:
"Da kommt gerade ein gefüllter Greifer an. Und jetzt setzt er den ab und der Müll rutscht dann langsam runter und fällt dann Richtung Kessel, um dort zu verbrennen."
Es ist der perfekte Ort, eine Leiche verschwinden zu lassen; unentdeckt und rückstandsfrei, verbrannt bei bis zu 900 Grad. Aber Anke Boisch weiß es besser:
"Das, was wir als Hausmüll haben, das ist eine gute Mischung, die brennt gut weg. Aber so ein großes Stück Fleisch, ein halbes Rind, wird halb gar und halb verbrannt wieder rauskommen. Würde im Prinzip aussehen, wie man das aus Krimis kennt: da bleibt noch sehr viel vom Körper übrig. Und das wäre hier genauso. Wir würden das irgendwo in der Schlacke wiederfinden. Die Idee, dass hier jemand gnadenlos verschwindet, das funktioniert nicht.
Feinstaub wird elektrostatisch gefiltert
Mit 180.000 Tonnen wird der 20 Meter hohe wichtige Ofen der
Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor pro Jahr befeuert, ein Drittel des gesamten 500.000 Tonnen schweren Restmüllbergs der Hansestadt. Nochmal 500.000 Tonnen machen die auf den Wertstoffhöfen abgelieferten Elektrogeräte, Papier oder Altglas aus.
Anke Boisch fährt mit dem Fahrstuhl aufs Dach der Verbrennungsanlage. Durch die flirrende Ablufthitze kann man ganz Hamburg überblicken, unten rauscht der Verkehr über die Autobahn 7. Anke Boisch erklärt, wie die Schadstoffe aus dem Rauch gefiltert werden:
"Elektrostatisch holen wir den Feinstaub raus. Dann geht das in das nächste Gebäude hinein. Das ist ein so genanntes Wäschergebäude. Da machen wir eine Nasswäsche der Rauchgase und können also viele Schadstoffe also noch rausfiltern, bevor das dann in die große graue Kiste geht.
Und die große graue Kiste ist nochmal ein Aktivkohlefilter, wo wir nochmal Schwermetalle und Dioxine und Furane rausholen können. Sodass wir oben aus dem Schornstein eigentlich nur Wasserdampf rauskriegen mit Spuren an Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und es können auch mal Spuren an Schadstoffen da sein, in äußerst geringem Maße. Das ist die Rauchgasreinigung. Das ist ein großer aufwendiger Teil!"
Ein Viertel des Mülls kommt als Schlacke wieder raus
Autor: "Ist denn sozusagen die ganze Sorge aus den Achtzigerjahren – 'Wir ersaufen im Müll, in unserem Konsummüll!' – unbegründet? Ist das hier die perfekte Lösung? Da müssen wir uns doch gar keine Gedanken mehr machen.
"Natürlich ist es viel, was hier verbrannt wird, aber es verbrennt ja nicht reststofffrei. Ungefähr 20 bis 25 Prozent dessen, was hier reingeht, kommt als Schlacke wieder raus. Und wir haben so etwas um zwei bis drei Prozent an Filterstäuben, mit denen wir zurzeit nichts anfangen können. Die werden auch entsprechend in Bigbags gepackt und werden dann im so genannten Bergversatz in Bergwerke eingebaut, wo sie schadlos bleiben. Trotzdem haben wir immer zu viel Müll. Wir können uns auch den Rohstoffverbrauch nicht mehr so leisten."
Es bleibt also – auch nach dem Verbrennen – noch einiges übrig. Die schwarzgrauen Schlackebrocken werden per Fließband in eine Halle unten auf dem Gelände transportiert. Ein begehrtes Material im Straßenbau. Zwischen den dunkelgrauen Brocken auf dem Schlackeberg liegen alte Boiler, Stahlrohre, schwere Zahnräder, ein Kochtopf. Verkohlte Leichen: Fehlanzeige.
Festverpackte Feinstäube
Hundert Meter weiter stehen die großen, würfelförmigen Bigbags aus reißfestem, weißem Nylon. Gefüllt mit den Giftstoffen aus den Filtern der Müllverbrennungsanlage. Sie können weder recycelt, noch unter Autobahnen verbaut werden. Warnschilder am offenen Tor der Halle mahnen zur Vorsicht. Mit den Feinstäuben darf die Belegschaft nur mit schriftlicher Genehmigung, im Schutzanzug, mit Atemmaske arbeiten.
"Nee, da sollten wir besser hier draußen stehen bleiben. Weil diese Stäube nicht sehr schön sind. Wir haben cadmiumhaltige Feinstäube dabei und entsprechend ist das Betreten hier verboten. Sie sehen hier diese Stäube rumliegen, muss auch immer wieder sauber gehalten werden. Das sind diese Bigbags, die wir dann quasi wegbringen."
2.000 Tonnen dieser Giftstoffe fallen pro Jahr an. In einer eher kleinen von insgesamt 70 deutschen Anlagen. Per Laster werden die Säcke abtransportiert. Letzte Ruhestätte: Herfa-Neurode, ein Bergwerk in Osthessen.
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