Aberwitz der Bankenkrise

Von Rainer Zerbst · 11.01.2013
Aus Tausenden Interviewseiten mit führenden Bankmanagern hat Andres Veiel die Essenz der Finanzkrise zum Stück "Das Himbeerreich" verdichtet. Dem Publikum stockt der Atem, weil es weiß: Die brillanten Formulierungen der Protagonisten sind keine Fiktion, sondern Realität.
Das Stück beginnt wie mit einem Seminar für angehende Bankenmanager: In kühler, edelstahlkalter Atmosphäre geben erfahrene Banker Tricks zum Besten, wie man in brisanten Verhandlungssituationen den Gegner am besten über den Tisch zieht - und darum geht es schließlich: Immer besser zu sein als der andere, mehr Profit für die eigene Bank herauszuschlagen, ohne Rücksicht auf Verluste - und die sind groß angesichts unserer weltweiten Geldkrise.

Andres Veiel hat aus Tausenden von Interviewseiten mit führenden Bankmanagern ein 40-seitiges Drama kondensiert, in dem er den Aberwitz dieser Bankenpolitik an den Prager stellt, sich aber vor allzu leichten Verurteilungen hütet. Nicht der einzelne Manager ist allein schuld am weltweiten Kollaps, das System selbst ist es, und in dem steckt jeder von uns: Geiz ist geil ist nur die bodenständigere Variante des Strebens nach mehr.

Veiel lässt dabei durchaus auch Kritiker des Systems zu Wort kommen - Kritiker, die aber selbst einmal Teil des Systems waren. Auch diejenigen werden berücksichtigt, die die ganz große Macht verloren haben. Das alles ist brillant formuliert, lässt einem vor allem aber den Atem stocken, weil man weiß, dass diese Formulierungen nicht Fiktion sind, sondern Realität.

Ein Theaterstück allerdings bezieht seine Dramatik aus Konflikten zwischen den Figuren - und daran mangelt es in Veiels Stück. Er gibt seinen fünf Managern auf der Bühne zwar Namen, Individuen aber werden nicht daraus, lediglich Vertreter von Positionen - der alte Banker, der an alten Werten festhält, sich aber nicht durchsetzen kann, die Frau, die mit härteren Bandagen kämpfen muss, um in der Männerdomäne bestehen zu können.

So ist ein teilweise papierenes Thesenstück entstanden, das seine Brisanz daraus bezieht, dass hier reale Dinge verhandelt werden, Dinge, die - so ein Satz im Stück - sich ein Machiavelli nie hätte träumen lassen.

Das Himbeerreich
Drama von Andres Veiel
Regie: Andres Veiel
Schauspiel Stuttgart, Staatstheater Stuttgart als Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin

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