Abenteurer der christlichen Seefahrt

27.04.2012
Obwohl die Handlung der vier Erzählungen sich streng an Reiseberichte der Beteiligten hält, entfaltet Alexandre Dumas in "Schiffbrüche" dennoch seine ganze erzählerische Verve, die den Leser in ihren Bann zieht.
Selbst denjenigen, denen der Name Alexandre Dumas (1802-1870) nichts sagt, sind doch auf die eine oder andere Weise seinem monumentalen Werk begegnet: Sei es in einer der unzähligen Verfilmungen des "Grafen von Monte Christo" oder den sprichwörtlich gewordenen "Drei Musketieren". Seine unzähligen Abenteuerromane und Dramen haben zwar einen realen historischen Kontext, mit dem der Autor aber äußerst frei umspringt.
Anders bei den nun erstmals auf Deutsch erschienenen "Schiffbrüchen", der Nacherzählung der Zeitungsberichte von vier "Dramen des Meeres", so der französische Originaltitel.

Obwohl die Handlung dieser vier Erzählungen sich diesmal streng an die Reiseberichte der Beteiligten hält, entfaltet Dumas dennoch seine ganze erzählerische Verve, die den Leser in ihren Bann zieht.

Wir haben es noch mit echten Helden zu tun; wie sollte es mitten im 19. Jahrhundert – der Text entstand 1852 – und bei diesem Autor auch anders sein. Allerdings sind diese Helden nicht die Protagonisten aus Mantel- und Degenromanen, sondern der mitunter tragischen Abenteuern der christlichen Seefahrt.

Seelenstärke und Gottvertrauen sind folglich die primären Tugenden dieser Heroen, gepaart mit soliden Kenntnissen, eisernem Durchhaltewillen und persönlicher Autorität. Es versteht sich von selbst, dass die erste Sorge des Kapitäns stets seiner Mannschaft und seinem Schiff gilt.

Die Abenteuer, denen die Seeleute ausgesetzt sind, gestalten sich indes ganz unterschiedlich. Die grundsätzlichen Probleme – der Kampf gegen die Elemente, die Frage der Orientierung oder das Problem der Verproviantierung – mögen die gleichen sein, doch präsentiert jede der vier Geschichten ein jeweils anderes Drama.

Der erste der Schiffbrüche wird durch einen Vorfall verursacht, an den Landratten beim Gedanken an ein Segelschiff vermutlich zuletzt denken: Feuer. Doch dem holländischen Kapitän Bontekoe der "Neu-Hoorn" gelingt es durch Umsicht sowie Willens- und Führungsstärke, seine Mannschaft zu retten.

Der desolate Zustand der "Juno" hingegen, den Bootmann John Mackay vor der Einschiffung dem Kapitän Bremner mitteilt, wird diesem Schiff, gepaart mit Navigationsfehlern Bremners, zum Verhängnis. Es ist also neben dem Kampf gegen die Elemente Leichtsinn, der erhebliche Gefahren birgt.

Zwei der Kapitäne, Bremner und Marion, zahlen mit ihrem Leben dafür, die Gefahren nicht richtig eingeschätzt und damit ihre Sorgfaltspflicht gegenüber der Mannschaft vernachlässigt zu haben: Ersteren lässt es an der notwendigen Umsicht für sein Schiff mangeln, letzterer lässt sich von der falschen Freundlichkeit der Maori einlullen.

Und wer nun meint, das Ufer sei für Schiffbrüchige immer ein rettendes, der irrt. Oft ob seiner Gestalt und der Wellen kaum zu erreichen, können wilde Tiere ebenso zum Verhängnis werden wie der Mangel an Nahrung, grausame Eingeborene oder schlicht raffgierige Einheimische.

So finden sich in diesem Buch packende Erzählungen, die gleichzeitig Berichte aus einer Welt sind, die ebenso wie die vier Großsegler untergegangen ist.

Besprochen von Carolin Fischer

Alexandre Dumas: Schiffbrüche. Wahre Geschichten.
Deutsch mit einem Nachwort von Nicola Denis. Essay von Volker H. Altwasser.
Matthes & Seitz, Berlin
263 Seiten, 19,90 Euro
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