Abenteuer einer Frau in Männerkleidern
Théophile Gautiers Debütroman "Mademoiselle de Maupin" erscheint zum 200. Geburtstag des Autors in einer Neuausgabe. Der Romancier erzählt hier die Geschichte der skandalumwitterten Schauspielerin Madeleine de Maupin, die ihrem Gatten mit einem Fechtmeister entlaufen sein und als Mann verkleidet Duelle gefochten haben soll.
Théophile Gautier hat die Leser seiner "Mademoiselle de Maupin" ziemlich auf die Folter gespannt: Das Buch beginnt nicht mit der Geschichte der Titelfigur, sondern mit einem 70-seitigen Essay von Théophile Gautier aus dem Jahr 1834. In dieser Tirade führt der glänzende Stilist die Bigotterie seiner Zeitgenossen vor, besonders der Journalisten, und entwickelt sein Manifest des l'art pour l'art:
"Wirklich schön ist nur, was keinem Zweck dient."
Rimbaud, Verlaine, Flaubert, Baudelaire und viele andere sollten Gautier in seinem Postulat der Kunst um der Kunst willen folgen. Dieser mit spitzer Feder formulierte Essay ist etwas für Leser, die sich für französische Literaturgeschichte interessieren. Die anderen können auch mit der Lektüre des eigentlichen Romans einsetzen - es bleiben immer noch mehr als 600 Seiten.
Auf diesen erzählt Théophile Gautier nun wiederum nicht die Geschichte der skandalumwitterten Schauspielerin Madeleine de Maupin, die ihrem Gatten mit einem Fechtmeister entlaufen sein und in Männerkleidung Duelle gefochten haben soll. Gautier ließ sich von der historischen de Maupin des 18. Jahrhunderts inspirieren zur Geschichte eines (spät-)romantischen Helden: Der junge Edelmann d'Albert langweilt sich tödlich und berichtet einem Freund in Briefen davon. Aus seiner blasierten Schwermut soll ihn eine Geliebte befreien, aber der Herr ist ein anspruchsvoller Romantiker: "Ich liebte nicht die oder jene, die eine mehr als die andere, sondern eine einzige, die ich nie gesehen habe und die irgendwo existieren muss und die ich finden werde, so Gott will."
Einstweilen gibt sich d'Albert mit der schönen und reichen Rosette zufrieden, die er aber nicht liebt. Schließlich treffen beide doch noch auf ihre ideale Liebe, den Chevalier Théodore de Sérannes. D'Albert erkennt als Einziger, dass sich in dem Männerkostüm eine Frau verbirgt. Rosalinde, wie Théodore eigentlich heißt, will die Männerkleidung abstreifen, sehnt sich ihrerseits nach einem Geliebten, zu dem sie schließlich d'Albert erwählt – sie schreibt ihre Zerrissenheit zwischen den Geschlechterrollen ebenfalls in Briefen an eine Freundin auf. Eigentlich ist Rosalinde die weitaus komplexere, außergewöhnlichere, mutigere Figur; man erführe gern mehr über sie als über den misanthropen d'Albert.
Die Handlungsebene ist in "Mademoiselle de Maupin" aber nicht die Hauptsache. Im Zentrum stehen d'Alberts Reflexionen über Liebe, Schönheit, Staat, Kunst und Leben. Die oft frauen- und menschenverachtenden Ausschweifungen nerven, provozieren und amüsieren abwechselnd. Wegen der Feier der absoluten Schönheit wurde "Mademoiselle de Maupin" im 19. Jahrhundert zur Bibel der Dekadenz, wie Dolf Oehler in seinem hilfreichen Nachwort erläutert.
Im Mittelpunkt steht natürlich auch die Sprache: Théophile Gautier ist formal so frei, wie es seine Protagonisten in der Liebe sind, er wechselt zwischen Briefform und Romanerzählung, zwischen tiefem Gefühl und Ironie. Die Metapherngebirge türmen sich, um d'Alberts romantischen Sehnsüchten Ausdruck zu geben, während er nur Sätze später knapp und schneidend kalt über die Menschen urteilt. Leider hat Caroline Vollmann in ihrer Neuübersetzung einige etwas altmodische Ausdrücke gewählt – was aber der absoluten Schönheit von Gautiers Sprache keinen Abbruch tut.
Besprochen von Dina Netz
Théophile Gautier: Mademoiselle de Maupin
Aus dem Französischen von Caroline Vollmann
Manesse Verlag, München 2011
704 Seiten, 24,95 Euro
"Wirklich schön ist nur, was keinem Zweck dient."
Rimbaud, Verlaine, Flaubert, Baudelaire und viele andere sollten Gautier in seinem Postulat der Kunst um der Kunst willen folgen. Dieser mit spitzer Feder formulierte Essay ist etwas für Leser, die sich für französische Literaturgeschichte interessieren. Die anderen können auch mit der Lektüre des eigentlichen Romans einsetzen - es bleiben immer noch mehr als 600 Seiten.
Auf diesen erzählt Théophile Gautier nun wiederum nicht die Geschichte der skandalumwitterten Schauspielerin Madeleine de Maupin, die ihrem Gatten mit einem Fechtmeister entlaufen sein und in Männerkleidung Duelle gefochten haben soll. Gautier ließ sich von der historischen de Maupin des 18. Jahrhunderts inspirieren zur Geschichte eines (spät-)romantischen Helden: Der junge Edelmann d'Albert langweilt sich tödlich und berichtet einem Freund in Briefen davon. Aus seiner blasierten Schwermut soll ihn eine Geliebte befreien, aber der Herr ist ein anspruchsvoller Romantiker: "Ich liebte nicht die oder jene, die eine mehr als die andere, sondern eine einzige, die ich nie gesehen habe und die irgendwo existieren muss und die ich finden werde, so Gott will."
Einstweilen gibt sich d'Albert mit der schönen und reichen Rosette zufrieden, die er aber nicht liebt. Schließlich treffen beide doch noch auf ihre ideale Liebe, den Chevalier Théodore de Sérannes. D'Albert erkennt als Einziger, dass sich in dem Männerkostüm eine Frau verbirgt. Rosalinde, wie Théodore eigentlich heißt, will die Männerkleidung abstreifen, sehnt sich ihrerseits nach einem Geliebten, zu dem sie schließlich d'Albert erwählt – sie schreibt ihre Zerrissenheit zwischen den Geschlechterrollen ebenfalls in Briefen an eine Freundin auf. Eigentlich ist Rosalinde die weitaus komplexere, außergewöhnlichere, mutigere Figur; man erführe gern mehr über sie als über den misanthropen d'Albert.
Die Handlungsebene ist in "Mademoiselle de Maupin" aber nicht die Hauptsache. Im Zentrum stehen d'Alberts Reflexionen über Liebe, Schönheit, Staat, Kunst und Leben. Die oft frauen- und menschenverachtenden Ausschweifungen nerven, provozieren und amüsieren abwechselnd. Wegen der Feier der absoluten Schönheit wurde "Mademoiselle de Maupin" im 19. Jahrhundert zur Bibel der Dekadenz, wie Dolf Oehler in seinem hilfreichen Nachwort erläutert.
Im Mittelpunkt steht natürlich auch die Sprache: Théophile Gautier ist formal so frei, wie es seine Protagonisten in der Liebe sind, er wechselt zwischen Briefform und Romanerzählung, zwischen tiefem Gefühl und Ironie. Die Metapherngebirge türmen sich, um d'Alberts romantischen Sehnsüchten Ausdruck zu geben, während er nur Sätze später knapp und schneidend kalt über die Menschen urteilt. Leider hat Caroline Vollmann in ihrer Neuübersetzung einige etwas altmodische Ausdrücke gewählt – was aber der absoluten Schönheit von Gautiers Sprache keinen Abbruch tut.
Besprochen von Dina Netz
Théophile Gautier: Mademoiselle de Maupin
Aus dem Französischen von Caroline Vollmann
Manesse Verlag, München 2011
704 Seiten, 24,95 Euro