Abendmahl

Zweifel an der Leib-Christi-Idee für Brot und Wein

Papst Franziskus bei der Eucharistiefeier
Papst Franziskus bei der Eucharistiefeier © dpa / picture alliance / Donatella Giagnori
Von Michael Hollenbach · 01.05.2016
Beim "letzten Abendmahl" mit seinen Jüngern soll Jesus jene Worte von Brot und Wein, von Fleisch und Blut, gesprochen haben, die bis heute im Gottesdienst wiederholt werden. Ein junger Theologe stellt nun das traditionelle Abendmahlsverständnis in Frage.
"Nehmet hin und esset: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird."
Mit diesen Worten zelebrieren katholische Priester die Eucharistiefeier und evangelische Pastorinnen und Pastoren das Abendmahl.
"Brot und Wein in evangelischer Sicht sind Leib und Blut Christi",
erläutert der Münsteraner Theologe Hans-Peter Großhans. Das gilt auch für die katholische Kirche – und zwar in besonderer Weise. Denn die Katholiken glauben – so der offizielle Terminus – an die Transsubstantiationslehre, an die Wesensverwandlung von Brot und Wein zu Fleisch und Blut Christi.
Die Protestanten gehen da nicht ganz so weit, sagt Thies Gundlach, Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland.
"Die klassische Formulierung ist, dass in, mit und unter dem Brot und dem Wein Christi selbst gegenwärtig ist. Es soll sichergestellt werden, auch gedanklich, dass das nicht nur irgendein Toastbrot ist oder ein mittelmäßiger Wein, sondern wirklich eine Gegenwart des Heils, das mir in einer Weise nahe kommt, wie das nichts Anderes kann."

Wichtige Unterschiede

Zwischen den verschiedenen protestantischen Richtungen gibt es allerdings noch wichtige Unterschiede. So ist für die Reformierten, die ja in der Tradition von Calvin und Zwingli stehen, Christus in Brot und Wein nicht real präsent; das Abendmahl ist vor allem ein Zusammenkommen zu seinem Gedächtnis. Luther war dagegen überzeugt: Jesu Worte beim letzten Abendmahl sind wörtlich zu verstehen. Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut. Brot und Wein seien also keine Metaphern:
"Es geht auch darum, dass in Brot und Wein tatsächlich Jesus präsent ist, und die Glaubenden, wenn sie das Brot nehmen, dann auch tatsächlich Christus in sich aufnehmen."
Diese Vorstellung hat den Christen im Lauf der Jahrhunderte immer wieder den Vorwurf eingebracht, das Abendmahl sei kannibalistisch. Der Dresdener Theologe Jan Heilmann kann diese Irritationen verstehen. Denn die biblischen Aussagen seien später falsch gedeutet worden:
"Wenn Jesus im 1. Korintherbrief laut Paulus sagt: dies ist mein Leib, dann meint er damit nicht das Brot, das für seinen Leib steht, sondern er meint die Gemeinde als Leib Christi. Und zwar geht es im 2. Korintherbrief darum, dass es Spaltungen in der Gemeinde gibt. Und er sagt: Ihr seid der Leib Christi, und deshalb darf es unter euch keine Spaltungen geben."
In diesem Kontext stehen Brot und Leib einzig und allein als Sinnbild für die Gemeinschaft der Christen. Ähnlich bei Wein und Blut:
"Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes. Mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden."

Metaphern für die Aufnahme der Lehre Christi

"Der Becher bezieht sich auf den einen Becher, aus dem alle trinken. Es ist also auch die Gemeinschaftsdimension, die hier betont wird."
Jan Heilmann ist für seine Dissertation mit dem Titel "Wein und Blut – Das Ende der Eucharistie im Johannesevangelium und dessen Konsequenzen" mit zwei Preisen ausgezeichnet worden. Er verweist vor allem auf die Bildsprache des Neuen Testamens: "den Leib essen" und "das Blut trinken" seien Metaphern, die dafür stehen, die Lehre Christi aufzunehmen:
"Das wichtigste theologische Konzept ist die Fleischwerdung des Wortes Gottes, und wenn Jesus sagt: ihr müsst mein Fleisch essen und mein Blut trinken, ist das eine Zuspitzung des Aufnehmens von Jesu Lehre. Das ist so, wie wenn man heute sagt: ein Buch liegt einem schwer im Magen oder ein Vortrag war eine schwere Kost."
Im Lauf des dritten und vierten Jahrhunderts sei das Verständnis für diese Metaphern verloren gegangen, sagt Jan Heilmann. Die Abendmahlsworte würden bis heute fälschlicherweise wörtlich verstanden. Der Jungtheologe plädiert für ein neues Verständnis des Abendmahls:
"Wenn man darüber nachdenkt, wie man die Abendmahlstheologie neu definieren könnte, dann wäre das so, dass Wein und Brot metaphorisch für das stehen, was man auf der Kanzel vorher gehört hat."
Das Abendmahl sei nur Sinnbild für die christliche Lehre und die Gemeinschaft:
"Aus meiner Sicht wäre das ein Weg, dass viele Menschen mit dem Abendmahl mehr anfangen könnten, wenn sie Symbol für die Gemeinschaft aller Christinnen und Christen sind und eben nicht als Symbol für die Spaltung."
Doch der Münsteraner Theologieprofessor Hans-Peter Großhans verteidigt die bisherige Abendmahlsliturgie:
"Es ist ein Ritual. Ein Ritual heißt, Menschen setzen sich sichtbar, für sie selbst auch erfahrbar, ganzheitlich einem Veränderungsprozess aus. Und dieser Veränderungsprozess wird durchgeführt mit einer bestimmten Liturgie."
Und auch Thies Gundlach von der EKD wendet sich gegen eine Entmythologisierung des Abendmahls. Nur ein Gemeinschafts- und Erinnerungsmahl ist ihm zu wenig:
"Dieses Existenziell-Persönlich auf Christus Sich Vertrauen können, selbst wenn die anderen nicht mehr da sind, also in der Krankheit, im Verlust oder im Tod, das geht verloren, wenn man sagt, das ist alles nur Gemeinschaft, in der Christi Geist lebt."
Für die katholische wie die lutherische Kirche bleibt es dabei: die Gegenwart Christi in Eucharistie und Abendmahl ist letztlich ein Mysterium, das sich der rationalen Erklärung entzieht.
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