"Abdelkratie" auf YouTube

Das Grundgesetz soll Spaß machen

07:09 Minuten
Der Comedian Abdelkarim Zemhoute beim Deutschen Comedy Preis.
"Sachen, die Spaß machen, bleiben viel eher hängen", sagt Abdelkarim aus eigener Erfahrung. © picture alliance / dpa / Revierfoto
Abdelkarim im Gespräch mit Axel Rahmlow · 23.05.2020
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Demokratie und Grundgesetz sind Thema der neuen YouTube-Reihe "Abdelkratie". Der Comedian Abdelkarim erklärt darin die Grundlagen der Verfassung. "Wir haben versucht, wichtige Sachen kurz und knackig rüberzubringen", sagt er.
Axel Rahmlow: Heute an diesem Tag, an dem das deutsche Grundgesetz Geburtstag hat, es wird 71 Jahre alt, und das ist ein Geburtstag, an dem das Grundgesetz mit Sicherheit mehr im öffentlichen Bewusstsein steht als sonst, eben weil unser öffentliches Leben, unser Leben gerade in weiten Teilen eingeschränkt ist. Die Diskussion darüber, wie demokratisch das ist, die findet in den Familien statt und unter Freunden und auf der Arbeit und auch heute wieder auf Demonstrationen überall im Land.
Demokratie und Grundgesetz sind ab heute auch das Thema einer neuen YouTube-Reihe im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung mit dem Comedian Abdelkarim. "Abdelkratie" heißt es, und das klingt so: Es ist eine Mischung aus Comedy und Grundlagenseminar.

Abdelkarim in "Abdelkratie": Die da oben labern wieder rum, und der kleine Mann guckt in die Röhre.
Der Deutschmarokkaner Abdelkarim soll auf YouTube mal so richtig schön die deutsche Demokratie abfeiern.
Entschuldigung, das muss ein Irrtum sein, ein Missverständnis. Ein Moslem soll uns die deutsche Demokratie erklären?
Ich bin hier als Bürger eines Landes, das sich ziemlich geil findet. Nutzt die Meinungsfreiheit, die haben wir hier nämlich, und setzt euch für die Dinge ein, die euch wichtig sind.

Rahmlow: Ein Ausschnitt aus "Abdelkratie" von und mit dem Comedian Abdelkarim, der jetzt am Telefon ist. Sie haben auch mal Jura studiert, bevor Sie sich auf Comedy konzentriert haben. Mit Ihrer Sicht aus den beiden Welten, hat das Grundgesetz eigentlich auch eine Prise Humor?
Abdelkarim: Eine Prise Humor, das Grundgesetz, das ist eine sehr gute Frage. Ich kann nur bestätigen, dass die Professoren und Professorinnen, die wir hatten, sehr lustig waren. Also so trocken, wie man klischeemäßig denkt, waren sie gar nicht.

"Kurz vor dem Examen erfolgreich abgebrochen"

Rahmlow: Wie weit sind Sie denn mit dem Grundgesetz gekommen?
Abdelkarim: Ich habe erfolgreich abgebrochen kurz vor dem Examen.
Rahmlow: Das ist auf jeden Fall auch ein Schritt, würde ich mal sagen. Jetzt haben Sie aber dann ja doch mit Ihrer Erfahrung aus dem Jurastudium jetzt diese neue YouTube-Reihe. Ich habe es genannt eine Mischung aus Comedy, Show und Grundlagenseminar. Wie weit liege ich da richtig?
Abdelkarim: Eigentlich eine Punktlandung, würde ich sagen.
Rahmlow: Perfekt.
Abdelkarim: Ja, wir haben versucht, wichtige Sachen kurz und knackig rüberzubringen, ohne aber Wichtiges wegzulassen. Das war eine Riesenherausforderung.

"Wie kann es noch witzig sein, ohne es zu verfälschen"

Rahmlow: Schafft man das denn tatsächlich, auch immer gerade bei diesen ernsten Themen wie jetzt Demokratie, Grund- und Menschenrechte wird es auch geben, Widerstand, Protest, das ist ja mit dem Ziel, lustig und lehrreich gleichzeitig zu sein, schon ein schmaler Grat.
Abdelkarim: Ein sehr schmaler Grat. Das haben wir bei den Vorbereitungen gemerkt. Die Bundeszentrale für politische Bildung und ich und das Produktionsteam, wir haben da wirklich sehr viel diskutiert, was muss rein, was nicht, und wie kann es dann noch witzig sein, ohne es zu verfälschen. Das war schon eine Riesenherausforderung. Ist uns aber im Nachhinein, muss man einfach so sagen, auch wenn es nach Eigenlob klingt, sehr gut gelungen.
Rahmlow: Und diese Videos nach Eigenangabe sollen die sich ja an Jugendliche, an junge Erwachsene wenden, an alle, die es interessiert, aber vor allem an Menschen, die sich eher weniger für politische Themen interessieren. Wieso sind die so schwer zu erreichen?
Abdelkarim: Das ist eine sehr gute Frage, wieso sie schwer zu erreichen sind, aber das Interessante ist, das kenne ich aus meiner Jugend auch, irgendwie neigt man dann doch zum Wegzappen, wenn man sich die Sachen im Fernsehen anguckt. Es ist, gefühlt zumindest, dann dröge vermittelt oder zu langatmig, oder es wirkt irgendwie so gemacht für Leute, die es eh schon alles wissen, auswendig kennen.
Es war eine große Herausforderung, das so zu machen, dass es wirklich Leute interessiert, die sonst gerne wegzappen. Die Bundeszentrale für politische Bildung, die ist ja wirklich sehr aktiv und umtriebig und versucht auch immer diejenigen zu erreichen, die sich für so etwas in der Regel nicht begeistern lassen.

"Sachen, die Spaß machen, bleiben viel eher hängen"

Rahmlow: Und Humor ist jetzt tatsächlich bisher auch nicht die Haupteigenschaft der deutschen politischen Bildung gewesen. Was kann Humor denn leisten, was jetzt die anderen Bildungsformate nicht leisten können?
Abdelkarim: Also ich kann nur von mir sprechen. Sachen, die einem Spaß machen, bleiben einfach viel eher hängen. Das ist quasi schon der unverkrampfte Zugang zu einem Thema, man merkt sich die Sachen eher, man schaut eher rein. Sobald der erhobene Zeigefinger nicht da, macht es einfach direkt mehr Spaß.
Rahmlow: Sie haben auch in dem Video, in dem Trailer, der zu sehen ist, an einer Stelle mal das Grundgesetz in der Hand. Sie halten das sozusagen förmlich in die Kamera. Das passiert ja gerade auch, auch heute wird es mit Sicherheit wieder passieren auf einigen Demonstrationen, in der Menschen gegen die gerade eingeschränkten öffentlichen Rechte demonstrieren.
Sie sind vor ein paar Wochen auf so einer Demonstration angegriffen worden bei Dreharbeiten für die Satiresendung "heute-show". Wie blicken Sie denn persönlich gerade auf die eingeschränkten Grundrechte?
Abdelkarim: Also ich weiß nur, dass wir aktuell, seitdem wir das Grundgesetz eigentlich haben, die größten Grundrechtseinschränkungen haben, soweit ich mich erinnern kann und recherchiert habe. Auch vor meiner Zeit waren die Grundrechtseinschränkungen nach ’49 noch nie so krass wie heute.
Ich kann auch nachvollziehen, dass viele Menschen sich aufregen, sogar verzweifelt sind, Existenznöte, also das steht ja fest, dass wir gerade sehr große Grundrechtseinschränkungen haben, die jetzt zum Glück immer weniger werden, aber man darf nicht vergessen, dass diese Einschränkungen nicht ohne Grund passieren.

Nachträglich sinnlose Maßnahmen gehören zum Lernprozess

Rahmlow: Wie weit reicht denn die Freiheit des Einzelnen, und wo fängt der Schutz der Allgemeinheit an?
Abdelkarim: Das ist eine sehr große Abwägungsfrage. Die kann man pauschal gar nicht beantworten, das sind immer wieder Einzelfälle. Da finde ich es sehr schön, wie die Politik aktuell in Deutschland abwägt, ständig überprüft, wie sind die Maßnahmen. Also man sieht da, wie sich die Politikerinnen und Politiker eigentlich förmlich argumentativ die Köpfe einschlagen, übertrieben formuliert, weil es wirklich keiner weiß.
Also Corona ist neu, ist für alle eine Herausforderung, und da gehört es zum Lernprozess eigentlich schon dazu, dass auch Maßnahmen dabei sind, die sich im Nachhinein als sinnlos erweisen. Also solange man bereit ist, das immer wieder zu hinterfragen und sich auch zu korrigieren und auch abwägt, finde ich das gar nicht schlimm. Das lässt sich einfach nicht vermeiden, weil Corona für alle neu ist.
Rahmlow: Ist die YouTube-Reihe eigentlich schon fertig, oder wird es da auch noch mal einen aktuellen Bezug dazu geben? Weil alles das, was Sie da ankündigen, hat natürlich jetzt gerade in den Zeiten der Coronapandemie nochmal einen ganz aktuellen Stellenwert.
Abdelkarim: Ja, das haben wir auch gemerkt. Also diese Eskalation, die es gab, die für mich zumindest leicht gereizte Grundstimmung in Deutschland, die gab es ja schon vor Corona, und jetzt in Corona stellen sich alle Fragen, die wir uns gestellt haben, noch mehr.
Deswegen werden wir auch jetzt im Rahmen dieser Reihe, die schon abgeschlossen war vor Corona, zehn Interviews machen mit Expertinnen und Experten aus allen möglichen Bereichen und sie fragen, wie sich unsere Rechte im Lichte dieser Coronakrise, des Corona-Zeitalters zeigen, entwickeln und was man da beachten muss.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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