Ab ins All!

Von Michael Laages · 27.01.2011
Eine Revue rund ums Reisen, das ist der jüngste Streich des Kabarettisten Rainald Grebe. Mit viel guter Musik untermalt, schaut er mit seinem Publikum im All, in Thailand und in Bautzen vorbei.
Nein – wirklich neue Erkenntnisse über das Reisen an sich und die immerwährende Sehnsucht nach der Flucht aus dem Alltag und vor dem Ich hat auch Rainald Grebe nicht zu bieten, wenn er im Leipziger Centraltheater um Aufmerksamkeit bittet für "Die WildeWeiteWeltSchau".

Dass wir nirgends zu Hause sein werden, wenn wir es nicht in uns selber sind, und dass aus dieser Zwickmühle auch der exotischste Ausflugsort nicht heraus hilft, zumal in Zeiten, da das Internet per Knopfdruck alles Fremde auf dem Bildschirm serviert – da kann uns nichts mehr überraschen. Höchstens ab und an vielleicht das gnadenlose Durcheinander, das Drunter-und-Drüber und Holterdipolter, das da an Reizen und Eindrücken von verführerischer Fremdheit von der Bühne herab auf die Kundschaft einstürzt.

Grebe, der Schauspieler, der Chansonnier, der Stückebastler und Regisseur, mischt und montiert die Leipziger Revue rund ums Reisen aus einer unübersehbaren Masse von Material: wie auf einer Messe nach Art der "Internationalen Tourismus Börse", die ja alljährlich in Berlin stattfindet, und einer Zirkus-Show der Freaks und Abnormitäten. Den Zirkus eröffnet zu Beginn ein demonstrativ und verzweifelt fader Peitschen-Direktor, über die Börse führt später Grebe selber als eilfertig-schnellsprecherischer Radio-Reporter. Das ist dann ziemlich gutes Kabarett.

Aber zum Glück wird der jüngste Leipziger Grebe-Streich darüber hinaus überhaupt nicht zur One-Man-Show. Mitglieder des Leipziger Ensembles mischen auf zunächst sehr ungewöhnliche Weise mit - als Grebes Orchester. Bass spielt Anna Blomeier, Schlagzeug Martin Brauer, Gitarre Manuel Harder, Saxophon Andreas Keller und diverse Perkussion Melanie Schmidli.

Und sie erzählen (mit Dia und Film beglaubigt) halb wahre, halb fiktive Reise-Geschichten: von der schönsten aller Reisen nach Thailand oder ins letzte Hippie-Paradies der freien Radikalen, vom DDR-Traum-Häuschen in mecklenburgischer Provinz oder von der Kinder-Sehnsucht, sich einmal ganz durch die Erde hindurch bis nach Neuseeland zu graben.

Grandios ist Harders finster-komische Geschichte von jener Andamanen-Insel im Indischen Ozean, deren Bewohner bislang (und mit Erfolg) alles daran gesetzt haben, unentdeckt zu bleiben – und frei von Tourismus, also glücklich. Da weitet sich der Reise-Spaß ins Philosophische, über die rein und raus gerollten Kulissen, Matterhorn und Chinesische Mauer, und über die ungezählten Leipziger Statisten hinaus, die Fremdes beschwören, vom sorbischen Gesangsquartett über falsche Pinguine und Kamele bis zum ulkigen Bauchtänzer. Dazu säuselt ein operettenseliger Tenor aus dem "Land des Lächelns" – sehr komisch.

Fremd und vertraut, bekannt und unbekannt – alle Welt ist schon erobert. Und schließlich beschwört ein besonders kleinwüchsiger Stephen-Hawking-Imitator den Weltraum als letzte Zuflucht für den Tourismus der Zukunft: ab ins All mit uns!

Das klingt sehr wirr und durcheinander, und so sieht der Abend auch aus. Aber er hält erstaunlicherweise die Balance zwischen Jux und Poesie, Dollerei und Melancholie. Und an zentraler Stelle verlost Grebe von jetzt an in jeder Vorstellung eine Reise: für zwei Tage und zwei Personen nach Bautzen.

Auch schön! Hauptsache weg von zu Hause – wo immer das ist.